All das hatten wir getan und doch wollte ich es nicht eingestehen. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich hatte ihn gern. Ich hatte ihn verdammt gern. Er war lustig, schlagfertig, niedlich, furchtbar schnell verlegen, was irgendwie süß war und immer wenn er über ein Thema redete, welches ihm wichtig war, leuchteten seine Augen auf und er redete sich in Rage.

Dann gestikulierte er wild und stieß in aller Eifer noch irgendwo eine Vase um. Seine Tollpatschigkeit war nicht zu übersehen, ab und zu stolperte er über Stufen, Erhebungen oder war viel zu sehr in Gedanken, sodass er glaubte am Ende einer Treppe wäre eine Stufe mehr, was nicht so war und er im Endeffekt legte er sich fast hin. Auch war er äußerst talentiert im Treppen hochfallen, obwohl jeder andere Mensch in diesem Universum nur Treppen runterfallen konnte. Mal blieb er mit seinem Rucksack dort hängen, mal stieß er sich da den Kopf, obwohl er winzig war und vergaß hier und da seine Sachen, suchte nach seiner Uhr, obwohl sie an seinem Handgelenk war und nahm seinen Rucksack auseinander auf der Suche nach seinem Handy, welches in seiner Jackentasche lag.

Ich kannte ihn erst seit einer Woche und doch kam es mir so vor, als wären wir zusammen aufgewachsen.

Und doch durfte ich ihm keine Hoffnungen machen. Ich wollte ihn nicht zu stark verletzen und deswegen sollte ich den Schaden klein lassen. Am besten lasse ich ihn in Ruhe, dann kann ich wieder zu meinem alten Leben zurückkehren und dann werde ich ihn nicht verletzen. Aber wollte ich das?

Wollte ich mein altes Leben zurück? Mit ihm war ich so glücklich wie noch nie, doch ging da nicht. Es ging einfach nicht. Ich musste gehen und den Kontakt so gut es ging abbrechen.

Vorsichtig schob ich ihn vor mir herunter und bettete ihn auf sein Kissen. Die Decke zog ich über ihn und strich ihm noch einmal sanft durch das Haar. Er schaute so friedlich aus, wenn er schlief und ich hoffte, es würde ihm gut gehen, wenn ich meinen Plan durchziehe.

Auf Zehenspitzen entfernte ich mich und schlich zur Tür. In dem Moment, indem ich die Tür öffnete, hörte ich seine verschlafene Stimme und drehte mich zu ihm um.

Er blickte mich verschlafen an und seine Frage wo ich hinwollte, beantwortete ich mit einem: „zurück ins Heim."

Während er nickte, fielen ihm seine Augen schon wieder zu und ich schweren Herzens verließ ich ihn.

Im Heim erwartete man mich schom mit einem Berg an Arbeit, doch vorher ließ ich es mir nicht nehmen die Zwillinge ins Bett zu bringen. Fröhlich hatten sie mir erzählt, was sie heute auf dem Spielplatz gespielt hatten und wen sie dort gesehen hatten. Es munterte mich auf, sie so gut gelaunt zu sehen.

Als wir dann zu dritt in Antons Bett saßen und ich das Buch vom kleinen Ritter zu schlug, schaute mich Annie jedoch besorgt an.

„Geht es dir gut?", fragte sie mich mit ihrer niedlichen Stimme und kuschelte sich an meine Seite. Sanft strich ich ihr mit der Hand über den Rücken, „ich komme schon klar ", versuchte ich ihr mit ruhiger Stimme beizubringen.

„Du kannst uns aber alles erzählen, das weißt du doch, oder?", hakte Anton nach und krabbelte auf meinen Schoß. Neugierig blickte er mich an und ich musste sanft lächeln, ihre Neugier und Vertrauen in mich liebte ich. Und so nickte ich und ergänzte: „es ist nur... Die meisten Männer bei uns im Land lieben Frauen, doch es gibt auch einen kleinen Anteil an Männern, die andere Männer lieben."

„Das haben wir im Fernsehen mit Lauren gesehen", erzählte Anton eifrig, doch dann wurde sein Blick betrübt: „sie hat das Pärchen beleidigt, ich fand das voll in Ordnung."

Das brachte mich zum Lächeln und gab mir den Mut weiter zu sprechen. „Ich habe mein ganzes Leben gedacht, dass ich zu dem großen Teil der Männer gehöre, die Frauen mögen. Doch ich habe einen Jungen kennengelernt und wir haben uns- Okey, sagen wir mal, wir sind uns näher gekommen und ich mag ihn sehr gern. Das hat mich zum Nachdenken gebracht", schloss ich meine Erklärung ab.

„Ist er nett und könnte er uns was vorlesen?", fragte Anton neugierig, als würde es ihn gar nicht stören und ihm überhaupt nicht wichtig sein, ob ich jetzt Männer oder Frauen liebte. Das war schön zu sehen und auch Annie schien so zu fühlen wie er. Elysa wäre warscheinlich überglücklich und Filipe wäre es egal. Doch Alex. Alex würde nie damit klar kommen, wenn ich mit Benjamin zusammen wäre. Ich schalt mich zurecht, denn ich wollte nicht darüber denken, dazu würde es nicht kommen.

„Er liest sehr viel", erklärte ich den beiden und sie grinsten breit. „Können wir ihn kennenlernen?", fragte Annie bittend und ich überlegte, bis ich mit einem: „vielleicht", antwortete.

Anton kuschelte sich in seine Decke und ich hob Annie hoch, um sie in ihr Bett zu legen. Ich stellte mir Ben mit den Kindern vor. Er könnte bestimmt unfassbar gut mit ihm umgehen können. Sie würden ihn lieben.

You're gay- that's the problem #platinawards2018Where stories live. Discover now