Doch Sophie war sich dieser Umstände nicht bewusst, da sie nie gelernt hatte eine Hohe Meinung von sich selbst zu haben. Es gab immer etwas, das sie an sich selbst kritisierte.

"Wie wäre es mit dem hellblauen Kleid" schlug Amalia vor, nachdem sie Sophies Garderobe genau unter die Lupe genommen hatte, "ich bin mir sicher, dass es dir hervorragend steht. Und vielleicht könntest du dazu deinen silbernen Schmuck tragen."

Mit einem lauten Rumpeln hielt die Kutsche der McAlisters vor dem großzügigen Stadtpalais des Earl of Grantham.

Ein Lakai eilte herbei, um die Tür für die hohen Herrschaften zu öffnen.

Sophies Knie zitterten, als ihr Cousin James ihr aus der Kutsche half.

Ehrfürchtig wanderte ihr Blick an dem stattlichen, von unzähligen Fackeln beleuchteten Gebäude hinauf.

Zum Dinner war nur ein erlesener Kreis aus adligen Familien geladen worden. Ein Kreis, zu dem die McAlisters eindeutig nicht gehörten.

Besonders deutlich wurde dies, als die Familie die große, hell erleuchtete Eingangshalle betrat.

Ihre Ankunft sorgte für einiges Aufsehen unter den übrigen Gästen. Neugierige Blicke musterten sie von allen Seiten, als versuchten die feinen Herrschaften krampfhaft sich der Namen der Neuankömmlinge zu erinnern, die sie selbstverständlich noch nie zuvor gehört hatten.

Erst als Mr Kingsley freudestrahlend auf seine Gäste zukam, um sie zu begrüßen ließ die Anspannung im Raum deutlich nach.

Überaus höflich begrüßte er auch den Rest der Familie, um sie anschließend seinen Eltern vorzustellen.

"Sie sind also Miss Sophie Badford" stellte Lord Kingsley fest und unterzog die junge Dame einer strengen Musterung.

"Ich habe schon viel von Ihnen gehört" fügte er hinzu und nippte an seinem Champagner.

Liebenswürdig lächelnd antwortete Sophie: "ich hoffe doch sehr, dass Sie nur gutes von mir gehört haben.

Lord Kingsley nickte, "ich wüsste auch beim besten Willen nichts zu finden, was man schlechtes über Sie sagen konnte."

Sanft führte Mr Kingsley sie an seiner Seite durch den Raum und machte sie mit allen Anwesenden bekannt.

Höflich unterhielt die junge Dame sich, lächelte freundlich und bekam einen Vorgeschmack darauf, wie ihr Leben an der Seite von Mr Charles Kingsley aussehen könnte.

Das Dinner war üppiger als Sophie je eines gesehen hatte. Und es schien, als würden sich die Tische unter der Last all der Speisen biegen.

Es wurden Austern, verschiedener Fisch, Wildbret, Fasan und Schweinebraten serviert. Als die Nachspreisen aufgetragen wurden, blieb Sophie fast die Luft weg.

Schon bevor sie etwas von den auseflesenen Speisen gekostet hatte, schmerzte ihr Bauch, denn ihr Korsett war so eng geschnürt, dass ihr nach dem Essen beinahe die Luft weg blieb. 

Ein wenig beklommen folgte Sophie der Gesellschaft, als sie sich nach dem Essen wieder in die große Empfangshalle begaben.

"Ist Ihnen nicht wohl?" Fragte Mr Kingsley, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.

"Oh doch... es geht mir sehr gut" flüsterte Sophie und rang sich ein lächeln ab.

Gemeinsam betrachteten die Beiden, wie immer mehr Gäste den festlichen Saal betraten.

***

"Wie er sie herum führt" murmelte eine etwas weniger gut betuchte junge Dame ihrer Freundin zu, "ich wette, dass es zwischen den Beiden bald zu einer Verlobung kommen wird."

"Aber er verhält sich, als gäbe es zwischen den Beiden schon seit geraumer Zeit ein Einverständnis" argwöhnte ihre Freundin hinter vorgehaltenem Fächer.

"Ich rieche einen neuen Skandal" flüsterte eine ältere Dame, deren einziges Interesse Klatsch und Tratsch galt... .

"Aber ein hübsches Paar geben die beiden schon ab...."

***

Als das junge Paar sich als eines der ersten unter die Tänzer mischte, bemerkten sie nicht, wie alle Augen im Saal sich auf sie richteten.

Unter dem Licht dutzender Kerzen tanzten sie mit solch einer Hingabe und Leidenschaft, als wäre dies bereits ihr Hochzeitstanz.

Was um sie herum geschah blendeten sie vollkommen aus. Wie auf einer Wolke schwebten sie über das Parkett. Und erst als das Fest beendet war, brachten die jungen Verliebten es über sich, sich zu verabschieden.

Den ganzen Abend lang hatte Mr Kingsley nur mit Sophie getanzt, was so manch anderer jungen Dame Kummer bereitet hatte.

Und auch einige junge Herren waren darüber enttäuscht, dass Mr Kingsley die hübscheste junge Dame den ganzen Abend in Beschlag genommen hatte.

Aber all dies war für Miss Sophie und Mr Kingsley im Angesicht ihrer großen Liebe bedeutungslos. Überglücklich hatten sie den ganzen Abend gemeinsam verbracht, in der Hoffnung, dass bald ein jeder Tag so sein würde.

***

Amalia  fand wie so oft in der letzten Zeit keinen Schlaf. Auf ihrem Frisiertisch lagen fein säuberlich gestapelt, die Drohbriefe, die sie in der letzten Zeit erhalten hatte.

Ich bin bestens über alle Details ihrer Bekanntschaft mir dem Duke of Wellington unterrichtet.

Resigniert stützte sie den Kopf in die Hände. Die Erinnerungen an ihre erste Saison fluteten wieder durch ihr Gedächtnis.

Sie war jung gewesen, naiv und unerfahren. Bildschön. Und umschwärmt von allen Männern. Auch Mr Kingsley sowie der Duke of Wellington gehörten zu ihren Verehren.

Miss SophieOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz