Nightlife Newcomer

Fotosynthese

Bzz bzzz bzzz mein Handy vibriert irgendwo in meinem Bett. Ich blinzle in die Sonne und setze mich mit einem Ruck auf. Mein Blick wandert zur Uhr und ich stelle erschrocken fest, das es schon halb vier ist. Panisch grabe ich zwischen Kissen und Decken nach dem Teil, welches mich noch kurz zu vor aus meinem kleinen Mittagsschlaf gerissen hat. Als ich es ertaste und schließlich ans Tageslicht befördere hat der Anrufer schon aufgegeben. Ich entsperre mein iPhone und sehe Davis Namen auf dem Display.
Davis ist mein bester Freund, schon seit dem Kindergarten und wohl auch der einzige Typ der in meinem Leben momentan eine Rolle spielt. Leider. Seufzend rufe ich ihn zurück. Es tutet zweimal und schon höre ich seine Stimme aufgeregt am anderen Ende der Leitung: "Alice, du musst mir helfen!!! Die Maurer sammelt morgen alle Hausarbeiten ein und ich hab nicht mal ansatzweise angefangen..." Stumm schüttle ich den Kopf und seufze innerlich über Davis timing Problem. Bio war noch nie sein stärkstes Fach. "Bist du noch dran Alli?" Ich öffne die Augen und nicke, da er das ja leider nicht sehen kann sage ich resigniert : "wann und wo treffen wir uns?"
Manchmal bereue ich es die beste in Bio zu sein...

Zweieinhalb Stunden voller Fotosynthese später bin ich hungrig und in Anbetracht dessen was ich für ihn getan hab zeigt sich Davis spendabel und läd mich ins Caparello ein.
"Sag mal glaubst du auch das Cathrine schwanger ist?" Reißt mich seine Stimme  aus meinen Gedanken. "Ehh wie kommst du jetzt darauf?" Manchmal frage ich mich echt wie es kommt das ein Junge mehr auf Klatsch und Tratsch abfährt als ich. "Naja, sie hat irgendwie zu genommen und die Trennung von Luke kann ich mir auch nicht  anders erklären..." Druckst mein bester Freund rum und legt die Stirn in Falten. "Also ich denke sie hat erst nach der Trennung so zu gelegt, Frustfressen, wenn du verstehst was ich meine." Widerlege ich seine These. Er denkt nach. "Das geht doch nicht so schnell." Sagt er unsicher. "Du vergisst, das nicht jeder so eine Sportskanone ist wie du."
"Hm..." Jetzt wirkt er ein wenig unsicher.
Die Kellnerin kommt und unterbricht unser Gespräch. Wir bestellen wie üblich im Sommer zwei Eiscafé und die nächste Stunde quatschen wir nur noch über Gott und die Welt während die vermeintliche Schwangerschaft unserer Klassenkameradin vollständig in den Hintergrund rückt.
Kurz darauf verabschieden wir uns schon, die Zeit mit Davis vergeht immer zu schnell denke ich noch während ich mich in den Bus quetsche. Doch jäh werde ich abgelenkt von einem Paar Augen das direkt auf mir ruht. Einen Moment erstarre ich und sehe dabei wahrscheinlich ziemlich dumm aus. Der Typ zu dem die Augen gehören kommt mir vage bekannt vor. Sein Haar ist widerspenstig und fällt ihm in blonden Strähnen in die Stirn. Ich schätze ihn auf 18 Jahre und stelle bewundernd fest wie makellos braun seine Haut ist. Mein Gesicht hingegen sieht immer ein bisschen blass aus unter meinen schwarzen Haaren. Schnell reiße ich meinen Blick los und schwinge mich auf einen der vorderen Sitze. Noch halb gelähmt von dem Erlebnis gerade eben schaue ich aus dem Fenster, wie schnell die Stadt an mir vorbei zieht. Was er wohl gesehen hat als er mich anschaute... Die Frage beschäftigt mich. Vermutlich ein eher zierliches Mädchen mit langen schwarzen Haaren und blauen Augen. Meine Kleidung ist nicht gerade auffällig, eher ordentlich und praktisch gehalten. Davis hatte mir schon öfter eingeschärft meine Figur mehr zu betonen. Unfassbar wie er ein Sport- und Modeexperte gleichzeitig sein konnte. Ich war wohl weder für das eine noch für das andere brauchbar. Manche bezeichnen mich vermutlich als langweilige Streberin, aber ins Gesicht will mir das keiner sagen. Könnte ja sein das ich sie dann nicht mehr abschreiben ließe. Als ob ich so einfach gestrickt wäre. Naja ich mag mein Leben so strukturiert wie es ist. Dachte ich...
Der Bus hält fast direkt vor unserem Haus am Stadtrand und als ich aufstehe kann ich es mir natürlich nicht verkneifen diesen unnatürlich gut aussehenden Typ noch einmal anzustarren. Er sitzt da mit Kopfhörern in den Ohren, und sieht mich nicht. Kein Wunder so unscheinbar wie ich bin.
Noch bevor ich richtig zur Tür herein bin höre ich schon meine Mom irgendeinen Schlager aus der Dinosaurier Epoche schmettern und verdrehe die Augen. Seit Dad uns vor einigen Jahren verlassen hat war sie immer ziemlich einsam. Doch neuerdings hat sie das Internet für sich entdeckt, willkommen im 21 Jahrhundert Mom, und sich auf irgend einer seriösen dating Seite ein Profil erstellt. Mit jeder Nachricht von einem paarungswütigen Mann scheint ihr Launepegel noch zu steigen. "Na Schatz, wie war's mit Davis?" Flötet sie und stellt gerade klappernd zwei Teller mit dampfender Tomatensuppe auf den Tisch. "War ganz gut, wir waren noch in der Stadt." Sage ich kurz angebunden und setze mich zu ihr. "Aaallsoo..." Sagt sie gedehnt, "ist er eigentlich noch Single? Dein Freund." "Mom!" Stoße ich empört hervor. "Er ist mein bester Freund seit dem Kindergarten, nicht mehr und nicht weniger, okay?" Sie runzelt die Stirn. "Aber er ist doch sportlich und kochen kann er auch, was willst du denn noch haben?" Ich schenke mir Wasser ein und schicke gleichzeitig Stoßgebete in den Himmel das die Frau irgendwann endlich akzeptiert das aus Davis und mir wohl niemals ein Paar werden würde. "Wenn du ihn so toll findest kannst du ihn ja daten!" Sage ich und es schüttelt mich gleichzeitig bei dem Gedanke meine Mutter könnte was mit meinem besten Freund haben... Ugh. Sie verzieht  nur das Gesicht  über meinen Scherz, was ihrer Schönheit übrigens auch nichts ab tut, und fängt an den Tisch abzuräumen. "Ist es okay wenn ich schon hoch gehe? Ich muss noch für Mathe lernen." Flunkre ich ein bisschen. Eigentlich will ich einfach nur meine Ruhe haben, aber das kann ich ja schlecht sagen. "Lernen? Das Schuljahr hat doch gerade erst angefangen da schreibt doch noch kein Lehrer eine Klausur." Merkt sie misstrauisch an. Mist ich hätte mir eine andere Ausrede ausdenken müssen. "Ähm... Also naja" sie unterbricht mich: "du lernst sowieso viel zu viel, bei deinen Noten hast du das überhaupt nicht nötig. Du verpasst doch alle guten Partys wenn du immer in deinem Zimmer hockst!" Ich rolle mit den Augen, das Thema haben wir schon zu genüge diskutiert. Ich bin wohl der einzige Mensch auf der Erde dem gesagt wird er solle weniger lernen. Stumm schüttel ich den Kopf und mache mich auf den Weg zu meinem Zimmer, direkt unter dem Dach.
Mein Bett scheint mich flauschig anzulächeln und die Decken sehen wirklich weich aus. Hab ich schon erwähnt das ich es liebe zu schlafen? Ich streife noch schnell meine Jeans ab und lasse mich, schwer und vollgefressen wie ich mich auf einmal fühle, in die Kissen plumpsen. Das letze an was ich denk, bevor ich ins Reich der Träume entgleite, sind ein paar stahlblaue Augen...