"Damian." versuchte ich ihn zu beruhigen und umfasste sein Gesicht. Er riss sich von mir los und das Blut tropfte aus seinen Fingerknöcheln. Die Adern an seinem Hals pochten und sein Körper zitterte stärker als meiner. Erneuert griff ich nach ihm, doch diesmal nach seiner blutenden Hand. Er ließ es zu und schien jeden Moment umzukippen. Ich hatte ein Deja-vu. In diesem Zimmer lagen schon einmal Scherben, in diesem Zimmer war schon einmal jemand am Ende gewesen, in diesem Zimmer war schon einmal ein blutender und zerstörter Mensch gewesen. Damals war Damian bei mir gewesen und jetzt würde ich bei ihm sein. Für ihn da sein.

Ich führte ihn ins Badezimmer und schloss vorsichtshalber die Tür hinter mir, weil ich mir nicht sicher war, was er als nächstes tun würde. Er setzte sich auf den Klodeckel und blickte auf den weißen Fließenboden, der sich jedoch durch das Blut verfärbte. Ich nahm den Erstehilfekasten, der unter dem Schrank war und kniete mich vor Damian hin. Glücklicherweise war Cole einmal hier gewesen und musste verarztet werden, sonst hätte ich sicherlich nicht gewusst wo sich der Verbandskasten befand. Ich erinnerte mich an die Nacht, als wäre es gestern gewesen. Sie schien ein Leben her zu sein. Es war so viel passiert in den letzten Monaten, so dass das Wort Zeit eine völlige andere Bedeutung für mich bekommen hatte.

Ich nahm behutsam Damian's blutende Hand in meine und legte den weißen Verband an. Seine Hand zitterte so stark, dass es wirklich schwer war die Blutung abzudecken. Er hatte mich noch immer nicht angesehen, doch dies erwartete ich auch nicht von ihm. Ich erwartete garnichts von Damian. Ich wollte nur, dass er mich bei ihm sein ließ.

"Es wird alles gut. Ich verspreche es dir." flüsterte ich mehr zu mir selbst, als zu Damian. Ich räumte den Kasten wieder weg hielt mich am Waschbeckenrand fest, um nicht umzufallen. Nando war tod. Allein das zu denken, verursachte einen seltsamen Geschmack in meinem Mund. Ich konnte es nicht fassen. Es war völlig unbegreiflich. Am liebsten würde ich jetzt selbst trauern, weil ich einen der wertvollsten Menschen verloren hatte. Ich hatte meinen kleinen Nando verloren. Der Nando, der mich das erste mal gefragt hatte, ob wir zusammen Pizza backen wollte. Der Nando, der immer auf meinem Schoß einschlief, wenn wir einen Film schauten. Der Nando, dessen Lache so süß war, so dass man selbst schmunzeln musste. Der Nando, der mir immer gute Laune verpasst hatte. Der Nando, der immer auf meiner Seite stand. Der Nando, der das erste mal etwas Licht in mein Leben gebracht hatte. Dieser Nando war fort. Er würde nie wieder kommen. Nie wieder würde ich seine Stimme hören und nie wieder würde er in meinen Armen einschlafen. Nie wieder würde er an meinem Pullover ziehen und mit seinen großen braunen Augen zu mir hochsehen. Nie wieder würden wir zusammen backen oder zusammen lachen.

Plötzlich wurde mir alles klar und ich begann zu realisieren. Ich wollte schreien und für immer schweigen. Ich wollte weglaufen und mich nie wieder vom Fleck bewegen. Aber ich musste stark bleiben. Ich musste einfach, vorallem für Damian. Nur für Damian.

Ein heftiger Schluchzer durchfuhr mich und ich bemerkte wie die Mauer, die ich um mich errichtet hatte zerfiel. Ich konnte nicht stark sein. Ich war zu schwach. Ich war immer zu schwach gewesen. Ich konnte einfach nicht mehr. Das alles wurde zu fiel. Das Leben. Ich konnte es nicht mehr ertragen.

Meine Knie gaben nach, so dass ich auf den Eiskalten Boden fiel. Mir wurde schwarz vor Augen und ich verschwand. Verschwand in das dunkele und leere nichts.


Damian

Ich nahm vom Blickwinkel wahr wie Ever's Beine nachgaben und sie mit den Knien auf dem Boden aufprallte. Völlig perplex starrte ich sie durch meine verschwommene Sicht an. Gerade als sie zur Seite kippen wollte, lief ich schnell zu ihr und fing sie ab. Ihr Kopf fiel leblos gegen meine Schulter. Heilige Scheiße!

"Ever?" Ich suchte nach ihrem Blick, doch ihre Augen waren verschlossen. Reflexartig hielt ich meine Finger an ihren Hals. Ihr Puls war zu spüren. Ich hob sie in meine Arme und verließ zügig das Badezimmer. Vorsichtig ließ ich Ever auf der Matratze nieder und griff zitternd nach dem Telefon auf dem Boden. Ich wählte Cole's Nummer und jedes Klingeln schien sich endlos zu ziehen wie ein Kaugummi.

TimelessWhere stories live. Discover now