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Ich drücke mein Gesicht in Melindas Jacke und von Sekunde zu Sekunde wird der Stoff mehr durchnässt.
Vor Wut, Trauer und einfach nur Verzweiflung kralle ich mich in dem jeansartigen Kleidungsstück fest und weine was das Zeug hält.
Nach einigen Minuten drückt sie mich ein wenig von sich und wischt mit einem Taschentuch meine Tränen weg.
"Ardy, ich lass' dich kurz mit Marius alleine. Ich werde nach ihm schauen und vielleicht war es einfach, weil er noch nicht richtig wach war. Ok? Ich hab dich lieb. Mach' dir keine Sorgen, Großer". Leicht nicke ich und Melinda verschwindet hinter der Tür des Krankenzimmers. Sofort schließt mich Mary in seine Arme und drückt mir, wie immer, wenn er mich beruhigen will, einen Kuss auf den Kopf. Allerdings bringt das gerade garnichts, da ich zu viele Situationen mit Taddl verbinde, in denen er es tat, an welche er sich wahrscheinlich nie wieder erinnern kann. Auch sein T-Shirt weist schon nach wenigen Minuten einen riesigen Wasserfleck auf. "Sh, Ardy. Es wird alles wieder gut. Ich verspreche es dir!" Fürsorglich streicht er mir durch meine Haare. "Weißt du Mary, ich hätte nie gedacht, dass ich eine Person jemals so unglaublich sehr lieben kann. Und dann kam Taddl. Er hat Gefühle in mir ausgelöst, die noch nie jemand in mir ausgelöst hat. Er ist einfach meine große Liebe. Und es ist ein beschissenes Gefühl wenn diese sich nicht an dich erinnern kann." Er nickt aufmerksam und drückt mich wieder fester an sich. "Ich weiß, man kann es nicht wirklich vergleichen. Aber damals als ich 7 war, wurde meine Oma langsam dement. Sie war alles für mich und als sie sich nicht mehr an mich erinnern konnte, ist in mir alles zusammengebrochen. Es hat mir das Herz rausgerissen." Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen. "Aber kurz bevor sie gestorben ist, meinte sie, man soll kämpfen, für dass was man liebt. Und es hat mich ermutig. Ich liebe die Musik. Ich hab dafür gekämpft und sieh' mich an. Heute kann ich von meiner Musik leben. Du bist stark, ich glaub' ab dich." Seine Finger kraulen sanft meinen Rücken auf und ab und ich vergrabe schnurrend meinen Kopf in seiner Halsbeuge. "Danke Mary". Er schüttelt den Kopf und winkt ab. "Da gibt es nichts zu danken. Dafür bin ich da."

Plötzlich öffnet sich die Tür wieder und Melinda steht mit roten, gläsernen Augen vor uns. "Er weiß tatsächlich nichts mehr. Aber Ardy, er meinte er will nochmal mit dir reden, du hättest ihn vorher unterbrochen."
Etwas schuldbewusst sehe ich sie an.
"Mel, ich weiß nicht, ob ich das schon kann. Schließlich bin ich daran schuld." Meine Schultern sacken ungewollt nach unten und es fühlt sich an, als wären Tonnen von diesen abgefallen.
"Du kannst rein garnichts dafür. Es war bloß ein Unfall." Beruhigend streicht sie über meinen Arm. "Aber hätte ich mich nicht wegen meiner Eifersucht mit ihm gestritten, dann hätte-" , "Ardy, es ist okay. Jeder streitet sich mal oder ist eifersüchtig. Es war einfach nur ein dummer Zufall."

one year » tardy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt