~1. Kapitel~

58 4 6
                                    

Donnerstag, 1. September

" Ayana! Kommst du bitte? Wir müssen los!", rief meine Tante mir von unten zu. Heute war der Tag, an dem in mir sozusagen eine neue Welt begann. Ich nahm meine 2 Koffer und schleppte diese gelangweilt die Holztreppe aus dem Obergeschoss hinunter. Gedanklich jedoch ging ich nochmal meine Packliste durch: Schlafanzug? Check. Zahnbürste? Check. Ballettanzüge? Check. Duttsachen? Check.

Die meisten Mädchen in meinem Alter, die das Tanzen genauso liebten wie ich, würden wahrscheinlich vor Freude in die Luft springen, in ein Ballett Internat der ROYAL ACADEMY OF DANCE zu kommen. Doch seit meine Eltern bei einem Autounfall starben und ich nun bei meiner Tante wohnte, machte mich gerade nichts mehr glücklich. Nicht, dass ich meine Tante nicht mochte oder so, aber es war schon schlimm genug, dass ich nun außer meiner Tante keine Familie mehr hatte. Und dann auch noch auf ein Internat geschickt zu werden, indem man seine Familie nur in den Ferien sah, machte mir total zu schaffen. Ich hing sehr an meiner Familie für ein 14 jähriges Mädchen, aber das war nun mal so. „Hallo! Ayana! Hörst du mich?", wurde ich von meiner Tante aus den Gedanken gerissen. Wenn man vom Teufel spricht. „'Tschuldigung, Tante Gerda. Ich war wohl in Gedanken. Was meintest du gerade?", versuchte ich ihr vorsichtig zu

antworten. „Ich wollte fragen, ob ich den Koffer in den Kofferraum legen soll, oder ob du ihn lieber vorne bei dir haben möchtest?", fragte sie mich dann. „Ja, ähm, du kannst ihn in den Kofferraum legen. Ich setze mich aber auf den Rücksitz okay?", antwortete ich dann erneut. „Ja, okay, aber los jetzt, sonst kommen wir wirklich noch zu spät!" Nach diesen Worten war sie dann auch schon im Auto verschwunden. Also setzte ich mich auch rein. Im Auto holte ich dann meine Kopfhörer und mein Handy raus um Musik zu hören, damit mir während der langen Autofahrt nicht langweilig wurde. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich etwas vergessen hatte. Halt! Mein Tagebuch! Ich hatte mein Tagebuch auf dem Küchentisch liegen Lassen! „Tante Gerda? Kann ich nochmal kurz ins Haus und mein Tagebuch holen? Ich habe es nämlich vergessen.", fragte ich sie, woraufhin sie antwortete: „ Klar doch, Schatz. Aber beeile dich jetzt bitte wirklich. Es ist schon spät." Die letzten Sätze hörte ich schon fast gar nicht mehr, denn ich war schon im Haus verschwunden.

In der Küche angekommen, sah ich mich um. Ah ja! Da war es ja. Ich nahm mein Tagebuch in die Hand und strich einmal mit der Hand über den Ledernen Einband. Er war braun, schimmerte aber etwas lila. Mein Tagebuch war das letzte, was mir von meinen Eltern übrig geblieben war. Sie hatten es mir mitgebracht, als sie von einer Geschäftsreise aus Dubai Wiederkamen. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich da

mal rein schreibe, aber da meine Eltern jetzt nicht mehr da waren, wollte ich es für sie machen. „Ayana!", riss mich meine Tante aus den Gedanken. Ich lief wieder zum Auto und dann fuhren wir los.

                                                                                             *

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir dann (endlich) angekommen. Es war ein riesiges Schloss mit Innenhof, indem ich gerade stand, hatte etwas Ähnlichkeit mit dem Kölner Dom in Deutschland, indem ich mal mit meinen Eltern war. Vor diesem Schloss liefen viele Mädchen und Jungen in Ballettkleidung und strengem Dutt herum und sahen mich im Vorbeilaufen an, als hätte ich Kuchen im Gesicht. Also das fing ja schon mal toll an! „Es wird dir hier gefallen, da bin ich sicher!", versuchte Tante Gerda mich aufzumuntern. Wahrscheinlich hatte sie meinen Blick gesehen. Doch ich verdrehte nur die Augen. Was sollte mir denn hier gefallen, wenn mich alle total doof anglotzen?

Dann jedenfalls mussten wir rein ins Direktorat, um diese ganzen Papiere und so auszufüllen. Als meine Tante das tat war ich mit den Gedanken GANZ woanders. Nämlich in der Zimmerverteilung. „ Mit wem würde ich wohl in ein Zimmer kommen? Wird sie nett sein?", immer die gleichen Fragen schossen mir durch den Kopf, bis meine Tante dann meinte, ich solle jetzt bitte mit ihr mitkommen, da ich jetzt in mein neues Zimmer ziehen würde. Ich folgte ihr 2 Stockwerke hoch und einen Gang. Dann blieben wir vor einem Zimmer stehen, mit der Nummer 204. Wir gingen hinein und ich erstarrte. DAS.KONNTE.JETZT.ECHT.NICHT.WAHR.SEIN.

Vor mir saß ein Mädchen auf ihrem Bett, ungefähr ein Jahr älter als ich, mit dunkelbraunen Haaren, welche zu einem strengen Dutt nach hinten frisiert und mit lauter Spangen und einem Perlennetz am Dutt befestigt waren. Außerdem hatte sie einen knallpinken Ballettanzug, eine sehr hochwertige Strumpfhose an und war so geschminkt, dass sie bei „ My new Beauty-Girl" oder so was mitmachen könnte. Und das schlimmste war, sie lackierte gerade ihre superlangen Fingernägel, und als sie uns bemerkte sah sie mich mit einem eiskalten und entsetzten blick an, als wollte sie sagen: „ Hey du! Was bitte willst du LOSER denn jetzt in MEINEM Zimmer?" Dann musterte sie mich vom Scheitel bis zum kleinen Zeh, ohne ihren Blick zu ändern. „Dieses Bett ist noch frei. Und dieser Schrank da", das Mädchen zeigte zuerst auf ein Bett in der Zimmerecke und dann auf einen Schrank ungefähr drei Meter daneben. „ Ich habe den größeren Schrank genommen, weil wie man sieht-und ich habe es auch schwer befürchtet-habe ich eindeutig mehr dabei, als du", sagte sie schnippisch. Bor, war ich froh, als sie endlich wieder ihren Blick veränderte. Obwohl sie auch nicht so schnippisch hätte reden können. Dann aber fiel mein Blick auf ihre genauso pinken Koffer wie ihr Ballettanzug, doch noch schlimmer war, es waren fünf Koffer! „ Achja! Ich heiße übrigens Daniela", riss sie mich dann urplötzlich aus meinen, wenn auch schrecklichen, Gedanken. „ Ich heiße Ayana", entgegnete ich. Doch von ihr kam nur ein „ Aha" dann verabschiedete ich mich von meiner Tante und fing an, mein Gepäck auszupacken.

Als ich fertig war, nahm ich mir dann Zeit für mein Tagebuch. Doch ich beschloss es nicht im Zimmer, sondern im Gemeinschaftsraum zu tun, weil wie sich herausstellte, ging da nie jemand rein und außerdem wollte ich mir nicht noch mehr so blöde Kommentare von meiner Mitbewohnerin anhören.

Als ich zurück kam, schlief Daniela schon. Es wurde ja immer besser: sie schlief mit einer pinken Schlafmaske über den Augen-anscheinend war pink ihre Lieblingsfarbe- und drauf stand: The Queen is sleeping! Oh man! Die war so eine übertriebe Tussi! Das musste ich unbedingt auch noch ins Tagebuch schreiben! Das war so unnormal!!

Irgendwann, nach ewigem warten schlief ich dann endlich um kurz vor Mitternacht doch ein. Es war ein tiefer, aber unruhiger Schlaf.


 


 


 

Eine neue Welt für Ayana *pausiert*Onde histórias criam vida. Descubra agora