„Was ist denn mit dir los?", wollte sie wissen während ich Shorts und ein Top anzog.

„Wieso?", fragte ich unschuldig. Lucia schaute aus dem Bad heraus und zog eine Augenbraue hoch während sie Zahnpasta auf ihre Zahnbürste beförderte.

„Du hast morgens niemals gute Laune.", meinte sie.

„Heute schon."

„Wieso?", fragte sie scheinheilig.

„Ich weiß nicht. Kann ich nicht einfach auch mal gute Laune haben?"

„Klar. Aber nicht morgens. Das passt nicht zu dir.", nuschelte Lucia, die die Zahnbürste im Mund hatte. Ich grinste weiter vor mich hin und ließ mich von ihr oder Maria nicht beirren. Doch leider war meine gute Laune wenig später wie weg geblasen. Lucia und ich hatten gerade die Küche betreten um das Frühstück zu machen. Maria war im oberen Stockwerk und räumte die Zimmer auf. Chico, Juan, Tito, Mano und Fernando saßen bereits auf der Terrasse. An sich nichts Außergewöhnliches, doch dann hörte ich, worüber sie redeten. Augenblicklich verstummte auch Lucia. Sie warf mir einen beunruhigten Blick zu.

„Du musst dich von ihr fernhalten! Sie gehört nicht hierher!", das war unverwechselbar Manos Stimme.

„Er hat Recht, Chico! Halt dich von der Schlampe fern, sie verdreht dir den Kopf!", Juans widerwärtige Stimme erkannte ich ebenso.

„Es geht euch nichts an!", Chicos raue Stimme versetzte mir sofort eine Gänsehaut.

„Nimm dir eine Chica! Das hat dir früher doch auch gereicht!", sagte Mano.

„Du weißt, dass du Jamie damit in Gefahr bringst, oder?", als Tito sich auch noch einschaltete schien für mich eine Welt zusammen zu brechen.

„Natürlich weiß ich das, Fuck!", fluchte Chico.

„Du hast nur noch das Weißbrot im Kopf! Rauls Tod hätte verhindert werden können, genauso wie Pacos!", Juans Stimme war nicht mehr als ein Fauchen. Doch nach diesem Satz hörte ich wie Lucia scharf die Luft einsog. Ich sah sie schnell an und bemerkte, dass ihr Tränen in den Augen standen.

„Was ist los?", fragte ich leise. Sie presste ihre Lippen aufeinander und schüttelte ihren Kopf. Dann lief sie schnell nach draußen.

„Scheiße!", murmelte ich und folgte ihr.

„Was soll das heißen? Paco ist tot?", schrie Lucia unter Tränen. Alls fünf Männer fuhren erschrocken herum.

„Habt ihr gelauscht?", Juan war wütend aufgestanden und musterte zuerst Lucia, dann mich. Ich hätte schwören können dass sein Gesichtsausdruck sich bei meinem Anblick noch mehr verfinstert hatte. Dafür hatte ich jetzt allerdings keine Zeit, zu sehr war ich damit beschäftigt in Chicos Gesicht zu gucken. Wut und Entsetzen spiegelten sich in seinen Augen.

„Ja! Wann?", verlangte Lucia zu wissen. Ich bekam kaum mit, dass Tito aufgestanden war und den Arm um Lucia legte während er beruhigend auf sie einredete. Ich starrte in Chicos Augen und er erwiderte meinen Blick. Alles andere schien unwichtig zu sein im Moment. Erst als Lucia heulend in Titos Armen auf den Boden sackte riss ich mich von seinen dunklen Augen los. Ich kniete mich neben die Freundin, die sofort ihre dünnen Arme um meinen Hals schlang.

„Ihr dämlichen Schlampen! Wieso belauscht ihr uns?", brüllte Juan hinter mir. Und als Lucia herzerweichend schluchzte riss mein Geduldsfaden. Ich stand auf und fuhr herum. Wahrscheinlich sah es komplett lächerlich aus, da Juan zwei Köpfe größer war als ich, doch ich funkelte ihn wütend an während ich brüllte: „Halt deine Fresse du scheiß Psycho! Siehst du nicht, dass Lucia genug hat?"

„Ich warne dich!", zischte der Widerling vor mir.

„Was? Willst du mich schlagen? Dann mach doch!", keifte ich todesmutig. Gerade als Juan sich vor mir aufbaute und ich wirklich dachte, jetzt hätte ich gleich seine Faust im Gesicht, mischte sich Chico ein.

„Fuck – Schluss jetzt!"

Juan und ich hielten Blickkontakt, er jedoch machte einen Schritt zurück.

„Jamie, bring Lucia rein!", forderte Chico. Ich funkelte ihn einen Moment wütend an. Normalerweise hätte ich ihm widersprochen, schließlich hatte er mir gar nichts zu sagen, doch Lucia war wirklich am Ende, sodass ich sie an er Hand nahm und nach drinnen führte. Ich setzte sie im Wohnzimmer auf das Sofa und nahm neben ihr Platz. Wenige Minuten später betrat Chico den Raum.

„Was sollte das?", fragte er wütend.

„Was meinst du?", gab ich zurück während ich über Lucias Kopf streichelte.

„Wieso habt ihr gelauscht. Sie sollte das nicht wissen!"

„Ihr hättet es verheimlicht, ja?", keifte ich. Lucia schien geistig überhaupt nicht anwesend zu sein.

„Ja... Nein... ich weiß es nicht!"

Ich schnaubte. Idiot!

„Wir haben gehört, dass ihr über mich geredet habt, Chico! Was soll das?", fragte ich weiter. Ich musste es wissen.

„Nichts.", er sah an die gegenüberliegende Wand. Er log!

„Du lügst! Sag mir, was los ist!", verlangte ich.

„Können wir das heute Abend besprechen - in Ruhe?", fragte er und sah mir wieder in die Augen.

„Meinetwegen! Aber nur, weil ich mich jetzt um Lucia kümmern muss!"

Er nickte kurz, dann verschwand er gefolgt von den anderen Jungs durch die Haustür.

„Lucia?", ich legte vorsichtig meine Hand auf die tränennasse Wange meiner Freundin. Ihr blickt war glasig. „Was ist passiert?"

„Paco wurde erstochen.", sagte sie mit zitternder Stimme.

„Wer war... ist... Paco?", fragte ich. Noch ein Mord.

„Beccas ältester Bruder.", antwortete Lucia. „Ich kannte ihn schon so lange."

„Oh Lucia. Es tut mir so, so leid!", flüsterte ich und umarmte sie fest. Keine Ahnung, wie lange wir so auf dem Sofa saßen, aber ich würde für Lucia da sein. Ich musste für sie da sein. Sie war auch immer für mich da.


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