„Wie ich schon sagte, es kann sein, dass sich Metastasen wieder schneller ausbreiten können. Es gibt keine Garantie für seinen guten Zustand."

Die Ärztin erhob sich, somit auch wir. Lorena bückte sich zu der Ärztin vor und sah voller Erwartung zu ihr hoch. Obwohl sie hohe Schuhe trug, wirkte sie im Vergleich zur Ärztin winzig. Wie ich wohl neben ihr aussehen würde. Wie Tea wohl neben ihr Aussehen würde. Tea. Ich sollte sie mal wieder anrufen.

„Was können wir tun, um seinen Zustand aufrecht zu erhalten?" fragte Lorena panisch. Es war die Stimme einer verzweifelten Mutter, die da sprach. Ich konnte mir nicht vorstellen was sie fühlen muss. Hilflosigkeit und Verzweiflung, die ganze Zeit lang. Plötzlich wurde es still im Raum. So leise, dass man eine Ameise gehört hätte, wenn sie über den Boden gelaufen wäre. Die Ärztin strich lose rote Haarsträhnen hinters Ohr und richtete ihren Mantel. Nach ihrem Blick zu Urteilen, würde sie gleich nichts gutes von sich geben. Dies schien auch Damian zu merken, denn er nahm seinen kleinen Bruder bei der Hand und ging mit ihm wortlos aus dem Zimmer. Lorena, Lorenzo und ich blieben übrig. Sobald die Tür ins Schloss fiel, öffnete sich ihr Mund.

„Was sie tun können? Ganz ehrlich, genissen sie die guten Tage, denn ich verspreche ihnen es wird nicht besser werden sondern schneller. Und es wird mehr Tage geben, an denen es ihm schlecht gehen wird als gut."

Die Blase um mich herum zerplatzte. All die friedlichen Tage, die wir gehabt hatten wirkten plötzlich so verloren. Ihre Worte trafen mich so sehr, wie ein schlag ins Gesicht, denn ich bemerkte wie recht sie eigentlich hatte. Was hatte ich eigentlich erwartet? Dass es ihm jetzt immer gut gehen wird und das der Krebs einfach so verschwindet? Als ich bemerkte, dass Lorena Tränen in den Augen stiegen, blickte ich schnell zu Lorenzo. Ich konnte das einfach nicht mitansehen. Ich hasste es, wenn andere Menschen weinten und vorallem, Menschen die ich mag. Lorenzo hatte in letzter Zeit glücklicher als je zuvor gewirkt, doch davon war keine Spur mehr. Seine braunen Augen vernebelten sich schlagartig, genauso wie die Farbe in seinem Gesicht. Er ballte die Hände zu Fäusten und zitterte leicht. Ich würde ihm gerne meine Hand auf die Schulter legen und ihm sagen, dass er nicht allein ist, doch er würde mich abschütteln und wahrscheinlich noch frustrierter werden. Er grenzt sich so aus und will ständig alleine oder mit Nando sein. Ich verstehe nicht, weshalb er nicht mit irgendjemanden redet. Weder mit Damian noch seinen Eltern. Er verschwindet nachts noch immer und ich würde nur zu gern wissen was er immer treibt.

Wir verließen wortlos den Raum. Die Ärztin packte ihre Sachen und ich war mir nichtmal sicher, ob sie bemerkt hatte, dass wir das Zimmer verlassen hatten. Damian wirbelte Nando gerade in der Luft. Seine schwarzen lockten tanzten auf seinem Kopf, während sein lächeln den Sonnenschein in den Schatten stellte. Damian ließ ihn auf den Boden sinken, als er uns erblickte. Sofort wurde sein Gesichtsausdruck ernst.

„Können wir bald an den See fahren? Es ist so warm geworden Mummy."

Sie lächelte leicht und nickte. Diese Reaktion war so unerwartet, doch nach dem die Ärztin gesagt hatte wir sollten die guten Tage genissen war ich froh, dass sie nickte. Nando's Augen leuchteten auf.

„Wirklich? Können wir schon morgen gehen?" fragte er und hüpfte voller Freunde auf und ab. Lorena nahm Nando's Hand und bejahte. Den Weg zum Auto hüpfte und tanzte Nando förmlich. Ich würde wohl nie verstehen, wie er in seiner Lage so aufgeladen sein konnte. Er war so stark und bemerkte es nicht. Im Gegensatz zu Lorenzo, der das Auto fuhr und jede rote Ampel überquerte auch nachdem seine Mutter ihm gesagt hatte, er solle das sein lassen. Damian starrte die gesamte Autofahrt aus dem Fenster. Wenn er so verträumt und in Gedanken verloren war, fragte ich mich jedesmal an was er dachte. Nando erzählte mir die ganze Zeit wie sehr er sich auf morgen freute.

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