Ich hörte wie sich die Tür hinter mir öffnete. Gefolgt von seinen Eltern, kam Lorenzo als erstes auf uns zugelaufen. Er lächelte Nando an und wuschelte ihm durch die schwarzen locken. Damian tauchte neben mir auf und sah mich flüchtig an, bevor er Nando auf seinen Arm hoch. Wir verließen das Krankenhaus ohne dass jemand irgendwas sagte. Lorena schlang die Arme um ihren Oberkörper und blickte ununterbrochen auf den Boden. Die Stimmung wurde immer unangenehmer, so dass ich es allmählich nicht mehr aushielt und froh war, als ich im Auto saß. Wir waren mit Damian's Wagen gefahren. Lorenzo hatte sein Motorrad verwendet. Nando saß in der Mitte von Damian und mir. Diego startete den Wagen und schaltete das Radio an. Glücklicherweise sorgte das dafür dass es nicht mehr ganz so still war. Damian sah die gesamte Autofahrt aus dem Fenster, während Nando seinen Kopf an mich lehnte. Ich beobachtete wie seine Augen immer wieder zufielen und er mühsam versuchte wach zu bleiben. Nach nur wenigen Minuten schlief er jedoch ein. Ich fuhr immer wieder mit meiner Hand vorsichtig durch Nando's Haare. Sein Oberkörper hob und senkte sich gleichmäßig. Er sah so friedlich aus. Seine geschlossenen Augen, die winzige Nase und der leicht geöffnete Mund. Es war noch immer unvorstellbar, dass er Todkrank ist.

Als der Wagen ins stehen geriet schnallte ich mich vorsichtig aus. Ich streckte meine Arme nach Nando aus, als Damian mit dem Kopf schüttelte.

„Ich mach das schon."

Nickend überließ ich ihm Nando. Er hob ihn auf seine Arme und schloss mit dem Fuß die Autotür. Damian kickte seine Stiefel von den Füßen und lief die Treppen hoch. Diego bog in einen gang ein, der sich rechts von mir befand. Er knallte die Tür so laut hinter sich zu, dass Lorena und ich gleichzeitig zusammenfuhren. Sie sah mich entgeistert an und presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und ließ mich neben sie auf die Couch nieder. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und fing an zu weinen. Ich legte meine Hand auf ihren Rücken und rutschte näher zu ihr rüber. Sie zitterte am ganzen Leib.

„Die Ärztin hat gesagt, dass seine Werte sich schneller verschlechtern als erwartet. Sie ist sich nicht mehr sicher, ob seine Lebenszeit wirklich 5 Monate betragen. Es muss die nächsten male mehr Wasser aus seinem Magen abgepumpt werden."

Ich drückte sie behutsam an mich und tröstete sie weiterhin, in dem ich ihren Rücken streichelte. Ich wusste nicht was ich sonst tun sollte.

„Die ganze Familie bricht schon jetzt zusammen. Wenn Nando dann erstmal weg ist...dann wird alles zusammenstürzten."

„Wird es nicht. Ich glaube es ist einfach für jeden schwierig damit umzugehen und vorallem geht jeder anders damit um. Jeder wird Zeit für sich selber brauchen, aber am Ende benötigt ihr euch gegenseitig um das durchzustehen."

Als Schritte zu hören waren setzte sich Lorena kerzengerade auf. Sie wischte sich über ihre feuchten Wangen und fuhr sich durch das Haar. Damian setzte sich auf den Sessel gegenüber von uns und zeigte mit dem Daumen nach oben.

„Ich habe ihn ins Bett gelegt. Er macht einen Mittagsschlaf."

Lorena nickte stumm und schniefte. Damian sah betrübt zu seiner Mutter und dann zu mir. Seine Augen wirkten müde, genauso wie seine Gesichtszüge. Lorena erhob sich und reckte das Kinn.

„Ich werde mal nach deinem Vater sehen." sagte sie, ehe sie uns den Rücken kehrte und in schnellen Schritten aus dem Wohnzimmer lief. Damian und ich blieben zurück. Er kam zu rüber und setzte sich neben mich. Seine Mundwinkel bogen sich leicht nach oben.

„Hey." sagte er und stupste mich leicht mit dem Ellenbogen an.

„Hey." erwiderte ich und sah zu ihm hoch.

„Bist du okay?"

Ich rutschte auf meinem Platz hin und her.

„Denk schon."

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