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Keine Stunde später saß ich in einem unscheinbaren Geländewagen und haderte mit meiner eigenen Entschlossenheit. Anstatt dabei zu bleiben, nicht mitzukommen, hatte ich mich nun doch überzeugen lassen. Ich wusste zwar immer noch nicht, wie genau ich helfen sollte, aber das schienen die anderen nicht ganz so eng zu sehen. Blieb nur zu hoffen, dass mein Talent, mich in Schwierigkeiten zu bringen, wie Damon es nannte, diesmal nicht anwesend war.
"Erklärst du mir jetzt endlich, wie eigentlich der Plan aussieht?", fragte ich Zoey nervös. Mir war rätselhaft, wie wir genügend Vorräte zum Lager bringen sollten. Immerhin waren wir gerade mal knapp vier dutzend Leute und brauchten Lebensmittel für mehrere Hundert.
"Ist theoretisch gesehen ganz simpel: wir brechen in die Lagerhalle ein, schalten die Wachen aus und bringen mehrere LKW voll mit Lebensmitteln zurück ins Hauptquartier", antwortete sie in etwa so gelassen, als würden wir nur mal kurz in den nächstgelegenen Laden fahren und dort ein paar Tüten Nudeln kaufen.
"Wirklich total simpel", murrte ich. "Ich weiß ja nicht, wie's mit dir steht, aber ich kann keinen meterlangen Truck steuern und den Autopilot werden wir ja wohl kaum benutzen dürfen. Und es ist auch so gar nicht auffällig, wenn mitten in der Nacht wasweißichwieviele von diesen Dingern in die selbe Richtung fahren."
"Keine Sorge, das Fahren übernehmen Leute, die das können. Was das andere angeht - du hast Damon doch gehört. Sie werden irgendwo am anderen Ende der Stadt ein paar leerstehende Gebäude in die Luft jagen und somit die gesamte Polizei im Umkreis von mehreren Kilometern dorthin locken. In dem daraus resultierenden Chaos wird niemand auf ein paar Trucks achten. Du wirst sehen, das wird ein Spaziergang." Zoey zwinkerte mir grinsend zu, doch meine Bedenken ließen sich auch davon nicht vertreiben. Es klang zu einfach; besonders wenn so eine Aktion, wenn auch nicht in diesem Umfang, schon einmal durchgeführt wurde, würden die Behörden doch höhere Sicherheitsmaßnahmen getroffen haben.
Jedenfalls hätte ich das angesichts der derzeitigen Lage auf jeden Fall gemacht.
"Und los gehts." Bevor ich doch noch protestieren konnte, zog Zoey mich mit sich aus dem Wagen. Schon mit dem erstem Blick wurde mir klar, dass wir uns mitten auf dem Gelände vor der Stadt befanden. Aus der Ferne leuchteten einige Gebäude, doch abgesehen von diesen war es stockdunkel. Der Mond wurde von einer dicken Wolkenschicht bedeckt und bis der Tag anbrach würden noch viele Stunden vergehen.
Fröstelnd schlang ich die Arme um mich und beobachtete, wie unsere Gruppe sich allmählich in mehrere kleine auflöste und nach und nach in der Dunkelheit verschwand. Ich fragte mich, woher sie überhaupt wussten, in welche Richtung wir mussten, wenn ich gerade so meine Hand vor Augen erkennen konnte.
"Wir haben einige Mini-GPS' mit", beantwortet Zoey leise meine unausgesprochene Frage. Wir waren die zweite von fünf Gruppen und folgten einer brünetten Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam.
Ich erinnerte mich jedoch erst wieder an ihren Namen, als wir plötzlich stehen blieben. Lucy, wenn ich mich nicht täuschte. Sie war unter anderem dabei gewesen, als Newtons Leute in das damalige Hauptquartier eingedrungen waren.
Bevor ich weiter über sie nachdenken konnte, lenkte ein spärlich beleuchtetes Gelände vor uns meine Aufmerksamkeit auf sich. Das wenige, was ich erkennen konnte, ließ mich noch mehr an dem Erfolg dieser ganzen Aktion zweifeln. Das gesamte Grundstück musste mehrere Quadratkilometer umfassen und wurde von einem hohen Stacheldrahtzaun begrenzt. Darin konnte ich einige langgestreckte Lagerhallen und zwei kleinere Gebäude erahnen, in welchen noch Licht brannte.
Links von uns befand sich ein mehrfach gesichertes Tor, das den Zugang zur nächsten Straße bildete. Irgendwo in der Dunkelheit blinkte alle paar Sekunden ein winziges rotes Licht, was wiederum auf eine Alarmanlage hindeutete.
Ja, Zoey, das würde garantiert ein Kinderspiel werden.
"Und wie genau sollen wir da rein kommen? Selbst wenn wir ohne einen Alarm auszulösen über den Zaun kommen sollten und die Wachen uns nicht sehen, werden wir wohl kaum unbemerkt die Lagerhallen betreten können", flüsterte ich.
"Die erste Gruppe müsste inzwischen schon angefangen hab-", eine aufgebrachte Stimme, die sich allmählich von unserer Position entfernte, unterbrach Lucy. Sie grinste und lief beinahe lautlos zu dem Tor. Wir anderen folgten ihr, wobei ich mich immer noch fragte, was genau uns das bringen sollte.
Was auch immer die erste Gruppe getan hatte, schien die Wachen abzulenken, doch das änderte nichts daran, dass sowohl der Zaun als auch das Tor hundertprozentig gesichert waren.
S

keptisch beobachtete ich, wie Lucy ein paar Sekunden den Stacheldraht betrachtete, ehe sie sich stirnrunzelnd zu uns umdrehte.
"Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass man das Tor von außen öffnen könnte, doch offensichtlich sind die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt wurden und das Codefeld zum Öffnen ist nun nur von innerhalb zugänglich. Theoretisch müsste es zwar mit dem Decodierer immer noch funktionieren, ohne eine Alarm auszulösen, aber dafür müsste erst einmal jemand hineinkommen." Sagte ich schon, dass alles schief gehen würde? Aber mal ehrlich, damit hätte man rechnen müssen. Fand ich jedenfalls.
"Alsoooo .... wenn nicht gerade irgendjemand da drüber klettern und die daraus resultierenden Stromschläge in Kauf nehmen will, werden wir wohl wieder verschwinden müssen", wandte ich vorsichtig ein. Mir persönlich wäre diese Variante auf jeden Fall lieber, ich hatte eigentlich wirklich genug von möglicherweise-ziemlich-beschissen-endenden Einsätzen jeglicher Art. Die Aktion, als Damon, und beinahe auch der Rest von uns, gefangen genommen wurde, hatte mir gründlich die Lust darauf verdorben.
"Kommt überhaupt nicht in Frage, wofür haben wir denn dich dabei?", das Grinsen des dunkelhaarigen Mannes neben mir ließ seinen Zähne in der Dunkelheit weiß aufblitzen.
Warum genau hatte ich mich nochmal dazu überreden lassen mitzukommen?
"Ich wüsste nicht....", setzte ich an, bevor mein Protest von Lucy unterbrochen wurde.
"Du musst nur jemanden sicher über den Zaun schweben lassen, keine Sorge. Ich bin sicher, du schaffst das ohne irgendwelche Schwierigkeiten." Sie lächelte aufmunternd, während ich Mühe hatte, nicht noch einmal anzufangen, mit ihr zu diskutieren. Sie hatte ja nicht die leiseste Ahnung.
Ich hatte zwar schon des Öfteren Menschen schweben lassen, aber noch nie über einen 5 Meter hohen Zaun, der zu allem Überfluss die betreffende Person bei der kleinsten Berührung dank einer Überdosis Strom töten würde. Dazu kamen natürlich noch der Druck, dass die ganze Aktion von mir abhing, und die Tatsache, dass ich mich dank mangelnder Beleuchtung teilweise vollkommen auf meine Intuition verlassen würde müssen.
Mein schlechtes Gefühl nahm von Sekunde zu Sekunde mehr zu.
Zoey schien meinen gequälten Gesichtsausdruck bemerkt zu haben und legte nach einem Moment des Überlegens ihren Rucksack auf den Boden. "Weißt du was? Ich vertraue dir, dass du mich auf die andere Seite bringst, ohne mir ein paar Knochen zu brechen oder mich gar zu töten. Und da ich wahrscheinlich auch die Leichteste der ganzen Gruppe bin, sollte es einfacher für dich werden."
Sie nahm ein kleines Gerät, das ich für den Decodierer hielt, von jemand anderem entgegen, stellte sich etwas näher zu dem Zaun und sah mich erwartungsvoll an. "Komm schon, Lola, du schaffst das."
Ich war mir da ja nicht so sicher. Jetzt kam auch noch die Angst, meine Freundin irgendwie verletzen zu können, dazu und ließ mich zögern.
Eigentlich könnte ich mich weigern, doch was würde dann passieren? Entweder wir würden ohne Vorräte zurückkehren müssen oder, was wahrscheinlicher war, sie würden versuchen, einen anderen Weg hinein zu finden und beide Varianten gefielen mir nicht wirklich. Also sollte ich wohl auf meine Fähigkeiten vertrauen.
Innerlich seufzend konzentrierte ich mich mit aller Macht auf Zoey und ließ sie Zentimeter für Zentimeter höher schweben.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Where stories live. Discover now