„Zieh dich um, das hier ist ein Sommeroutfit!", sagte sie und wirkte zufrieden. Diese Shorts hatte ich nur zuhause zum Sonnen getragen, niemals wäre ich so in die Öffentlichkeit gegangen. Es hatte keinen Stil seinen halben Arsch der Menschheit zu präsentieren, wenn man sich mal bückte.

„Vergiss es, ich zieh das nicht an!", entgegnete ich und pfefferte die Shorts zurück in den Schrank. Ich schnappte mir ein leichtes aber hübsches Sommerkleid.

„Du bist vielleicht verklemmt!", Lucia schüttelte ihren Kopf, sodass ihre Locken auf und ab hüpften.

„Gehst du raus? Ich will mich umziehen!", sagte ich und deutete zur Tür.

„Wieso? Du hast nichts, was ich nicht auch habe, oder?", fragte sie spitz. Ich verstand ihre Andeutung und lief rot an.

„Natürlich!", feuerte ich zurück ehe ich den engen Rock und die Bluse auszog.

„Wow, schickes Teil!", staunte sie und trat näher. Ich konnte gar nichts anderes tun als zu gucken wie ein Auto als sie meinen BH bestaunte. Schnell stülpte ich das Kleid über meinen Kopf. Lucia war gruselig.

„Super, dann mal los. Ich bin am Verhungern!", flötete sie und öffnete die Tür. Völlig unmotiviert schlürfte ich ihr hinterher. Als wir den Garten betraten wurden wir sofort von allen Seiten angegafft. Ehe ich mich versah zog mich schon eine stämmige Frau in ihre Arme.

„Schön dich kennen zu lernen! Du bist wunderschön!", die Frau erdrückte mich beinahe mit ihrer Umarmung und ich war erleichtert, als sie mich endlich los ließ. Doch die nächsten Damen warteten schon und so kam es, dass ich die nächsten fünf Minuten von Männern und Frauen umarmt und auf die Wange geküsst wurde. Was stimmte nicht mit diesen Leuten? Letztendlich spürte ich, dass ich einen knallroten Kopf hatte und ich war Lucia dankbar, dass sie mich aus dem Kreis herauszog und auf einen Stuhl am gedeckten Tisch manövrierte. Doch ich hatte keine Minute um mich auszuruhen, da kam die erste Frau und knallte mir eine Portion undefinierbare Pampe auf den Teller. Während ich hilflos dabei zusah, wie die Frauen meinen Teller mit allem Möglichem beluden erklärte Lucia mir, um was es sich bei den Speisen handelte. Als endlich keiner mehr kam und mir etwas zu essen reichte oder mich umarmte, widmete ich meinem viel zu vollen Teller. Wenn ich das alles essen würde, wäre ich innerhalb von einer Woche so fett wie ein Walross! Während ich das Gemüse aus der Pampe heraus pickte schaute ich mich um. Die Leute, die mit am Tisch saßen lachten sehr viel und sehr laut, Miguel stand am Grill und verteilte Fleisch während er sich mit anderen Männern unterhielt. Im hinteren Teil des Gartens spielten einige Kinder. An so ein Chaos und Durcheinander und vor allem an so viel Lärm war ich nicht gewöhnt. Bei uns zuhause war es stets gesittet zugegangen.

„Hi Jamie, ich bin Tito!", ich fuhr erschrocken herum als ich eine tiefe Stimme hinter mir wahr nahm.

„Ähm... Hi!", antwortete ich unsicher und ergriff langsam seine ausgestreckte Hand um sie zu schütteln. Ich nahm mir kurz Zeit um seine dunklen Haare und seine braunen Augen zu betrachten. Er sah ziemlich gut aus und sein Shirt ließ erahnen, dass er ziemlich durchtrainiert war.

„Wie gefällt es dir bei uns?", fragte er und lächelte erst mich und dann Lucia an.

„Gut.", sagte ich knapp und hoffte, er würde meine Lüge nicht durchschauen.

„Du wirst dich noch dran gewöhnen!", er zwinkerte mir zu und ich musste ziemlich überrascht aussehen. Er hatte meine Lüge durchschaut.

„Sie durchschauen einen sofort!", erklärte Lucia grinsend während Tito weiter ging.

„Offensichtlich!".

Ich ließ meinen Blick weiter wandern und als ich einen weiteren dieser mysteriösen Kerle in Augenschein nahm durchfuhr mich ein seltsames, unwohles Gefühl. Wenn die anderen Kerle mir schon Angst eingejagt hatten, bekam ich es beim Anblick von diesem Exemplar mit der blanken Panik zu tun. Er hatte dunkles Haar, war tätowiert wie alle hier, er trug dunkle, zerrissene Jeans und ein schwarzes Shirt. Das alles war aber nicht der Grund für meine Beunruhigung, es waren seine Augen. Sie waren so dunkel dass sie schwarz wirkten. Der Ausdruck in ihnen strahlte Kälte und Autorität aus. Er wirkte so abgeklärt, als habe er mehr in seinem Leben mitgemacht, als ich es je ertragen könnte. Außerdem schien er sich von der heiteren Stimmung aller anderen Gäste nicht anstecken zu lassen, er sah wütend, gleichgültig und eiskalt aus.

„Das ist Chico.", erklärte mir Lucia, die meinem Blick gefolgt war. „Er ist Titos Bruder."

„Was ist mit ihm?", fragte ich ohne nachzudenken. Ich war auf komische Art und Weise fasziniert von ihm.

„Nichts, wieso?", fragte Lucia verwundert und schaute ebenfalls nochmals zu dem Kerl.

„Er wirkt so... ernst.", ich konnte den passenden Ausdruck gerade nicht finden. Lucia jedoch zuckte nur mit den Schultern.

„So ist er eben."



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