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Mit Einbruch der Morgendämmerung blieb ich erschöpft an einer Waldlichtung stehen. Der einige Meter große, lediglich mit herangewehtem Laub bedeckte und durch die umstehenden Bäume geschützte Platz erschien mir ideal, um eine Pause einzulegen. Möglicherweise würde ich auch hier schlafen, doch vorerst musste ich dringend nach Wasser suchen.
Jetzt im Nachhinein betrachtet, hätte ich lieber dem Flussverlauf folgen sollen, anstatt mich von ihm zu entfernen. Nun musste ich zusehen, dass ich ihn irgendwie wiederfand.
Einem ersten Impuls folgend, legte ich den Kopf leicht schief und lauschte angestrengt. Ich bildete mir ein, in der Ferne das Rauschen von fließendem Wasser zu hören, doch es war zu weit entfernt, um die genaue Richtung auszumachen.
Frustriert lehnte ich mich an den nächstbesten Baum. Mitten im Herbst müssten meine Chancen, einen Fluss zu finden, doch eigentlich relativ hoch sein. Immerhin versperrten keine lästigen Blätter die Sicht. Wenn man sich nicht gerade inmitten eines Tals befand, konnte man wahrscheinlich beinahe den gesamten Wald überblicken.
Theoretisch müsste ich mir also lediglich einen erhöhten Standpunkt suchen. Was wiederum noch mehr laufen bedeutete, großartig, als ob meine Beine nicht schon genug weh tun würden.
Genervt vor mich hin grummelnd setzte ich mich schließlich doch noch in Bewegung, ehe ich vollends die Motivation verlor. Früher oder später musste ich schließlich auf etwas treffen, von wo aus ich einen besseren Überblick hatte.
"

Wie blöd bin ich eigentlich?", murmelte ich und blieb kopfschüttelnd stehen. Natürlich fand ich etwas, was hoch genug war, damit ich mich orientieren konnte. Ich war in einem Wald, verdammt nochmal, spätestens jeder zweite Baum war geeignet.
Nicht, dass ich sonderlich scharf darauf war, eine Kletterpartie einzulegen, aber es war das Einfachste.
Bereits nach kurzem Suchen hatte ich mich für eine alte Buche mit breiter Krone und tief hängenden Ästen entschieden.
Tief einatmend wischte ich meine verschwitzten Hände an meiner Hose ab, ehe ich so hoch wie möglich sprang und mich an dem ersten Ast festklammerte.
Irgendwie hatte ich mir das deutlich leichter vorgestellt. Anstatt flink wie ein Eichhörnchen in Richtung Himmel zu klettern, hing ich ausgestreckt in der Luft und versuchte angestrengt meine Beine nach oben zu befördern.
Nach einigen vergeblichen Versuchen schaffte ich es endlich, mich kopfüber, aber immerhin mit allen Gliedmaßen festhaltend, hinzuhängen. Mit Mühe brachte ich mich in eine bessere Position, um den hoffentlich einfacheren Teil des Kletterns hinter mich zu bringen.
Tatsächlich war ich innerhalb von wenigen Minuten mehrere Meter über dem Boden angekommen und sah mich neugierig um. Hinter mir erstreckte sich der Wald soweit das Auge reichte. Erstaunt überprüfte ich erneut den Stand der Sonne; es war wirklich die Richtung, aus der ich gekommen war. War ich bereits so weit gelaufen? Ich musste mich schon viele Kilometer von New York entfernt haben, andernfalls würde ich garantiert zumindest die Umrisse der Stadt erahnen können.
Vielleicht war die Hoffnung, entkommen zu können, doch nicht so abwägig wie ich dachte. Voller neuer Energie drehte ich mich wieder nach vorne und suchte den Boden nach einem Fluss ab.
Anfangs konnte ich nichts Hilfreiches erkennen, doch als mein Blick weiter nach links wanderte, stockte mir der Atem
Dort waren Häuser, keine zwei Kilometer von mir entfernt. Man konnte es nicht als Stadt bezeichnen, aber trotzdem tat mein Herz einen Sprung vor Freude.
Wo Häuser waren, waren normalerweise auch Menschen. Sie würden mir bestimmt helfen, wenn ich dafür etwas für sie tat und irgendetwas Nützliches würde ich schon machen können.
Voller Enthusiasmus begann ich vorsichtig nach unten zu klettern, als eine Bewegung in meiner Nähe meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Verunsichert presste ich mich gegen den Baumstamm und beobachtete die Gruppe Männer, die ungefähr hundert Meter von mir entfernt durch das Unterholz stapfte. Ich war mir nicht sicher warum, aber mein Gefühl riet mir, mich vorerst nicht zu erkennen zu geben. Vermutlich gehörten sie zu dem Dorf, das ich gesehen hatte, doch sicher sein konnte ich mir nicht. Außerdem bezweifelte ich, dass sie mir gegenüber sonderlich freundlich  gesinnt waren. Ich persönlich würde einer plötzlich auftauchenden Person jedenfalls nicht einfach vertrauen. Schon gar nicht, wenn sie so verwahrlost aussah, wie ich im Moment.
Offenbar waren sie es gewohnt allein in dieser Gegend zu sein, denn sie gaben sich keine Mühe leise zu sein.
Ganz im Gegenteil, es war eigentlich ein Wunder, dass ich sie nicht früher bemerkt hatte.
Sie unterhielten sich lautstark, doch den genauen Wortlaut konnte ich nicht verstehen. Das raue Lachen des Mannes, den ich als den Anführer der Truppe einschätzte, bestärkte mich in meinem Entschluss, vorerst auf dem Baum zu bleiben. Irgendetwas daran beschwerte mir eine Gänsehaut und das ganz sicher nicht im positiven Sinn.
Angespannt machte ich mich noch kleiner und betete, dass keiner von denen auf die Idee kommen würde, nach oben zu sehen.
Ausnahmsweise schien Gott mich auch mal gehört zu haben und die Gruppe lief ohne mich zu beachten weiter, direkt zu der Lichtung die ich vorhin entdeckt hatte. Mit Unbehagen dachte ich daran, dass ich vor ein paar Minuten noch dort schlafen wollte. Wer weiß, was die mit mir angestellt hätten, wenn ich tatsächlich dort gewesen und gefunden worden wäre.
Ich nahm mir vor, noch wachsamer zu sein. Obwohl ich unbedingt in das Dorf wollte, durfte ich nichts überstürzen. Wenn ich Pech hatte, würden mich diese Menschen an die Regierung verraten oder mich gleich umbringen.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Where stories live. Discover now