Kapitel 2

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Diesmal kamen wir also beide zu spät zum Unterricht. Normalerweise bemühte sich Liam, vorbildlich wie er war, immer um Pünktlichkeit, doch die Auseinandersetzung mit Jo hatte seinen Zeitplan ein wenig durcheinandergebracht.

Ich ignorierte Mrs Wilkens Seufzen, als ich mich durch die Tür schob und mich ungeniert auffällig schnaubend auf meinen Platz in der vorletzten Reihe am Fenster fallen ließ.

Das Gesicht der Wilkens spiegelte Fassungslosigkeit wider, als sich eine halbe Minute nach mir auch noch Liam in den Klassenraum stahl. „Mr Payne?"

„Kommt nicht wieder vor", entschuldigte er sich schnell und beeilte sich, auf seinen Platz direkt vor mir zu gelangen.

„Will ich auch hoffen". Mrs Wilken beobachtete erst mich aus zusammengekniffenen Augen, dann Liam. Aha. Offenbar glaubte sie, ich hätte einen schlechten Einfluss auf ihn und zöge ihn in die Machenschaften der Gang hinein. Das tat ich mit Sicherheit nicht. „Wie auch immer". Sie nahm einige Unterlagen aus ihrer Tasche. „Ach, bevor ich es vergesse, wir haben einen neuen Schüler unter uns". Sie sah sich suchend um. „Niall, steh doch bitte mal auf".

Schräg hinter mir wurde ein Stuhl geschoben, was mich dazu veranlasste, mich nach der Geräuschquelle umzusehen. Oh Gott. Das war ja Blondie! Der Typ, den ich gerade eben noch angeschnauzt hatte. Ich stöhnte innerlich auf. Der Unterricht würde in Zukunft sehr unterhaltsam werden. Blondie hatte Glück, dass Jo meistens Kurse des Jahrgangs unter uns besuchen musste oder meistens den Unterricht schwänzte, denn für Jo war die Kombination blonde Haare blaue Augen schon Grund genug, um jemanden windelweich zu prügeln. Fragt mich nicht warum, er hasste es einfach.

„Stell dich doch kurz vor". Mrs Wilken lächelte.

Blondie trat von einem Bein aufs andere und ich ertappte mich dabei, wie ich ihn mitfühlend ansah. Es gab wohl nichts Schlimmeres, als sich mit fast achtzehn Jahren noch genauso kindisch vorstellen zu müssen wie in der Grundschule. Ich verwarf den Gedanken. Wieso sollte ich Mitgefühl für ihn empfinden?

„Äh, also, ich bin Niall Horan und komme aus Irland". Mit hochrotem Kopf setzte er sich wieder hin und verweigerte jede weitere Information, egal wie hartnäckig Mrs Wilken nachhakte. Ich grinste. Jetzt konnte ich es nicht mehr leugnen, Blondie war mir durchaus sympathisch.


Von der Schule aus hatte ich einen ziemlich weiten Weg nach Hause; ich musste an die eineinhalb Kilometer quer durch die ganze Stadt laufen. Abholen konnte mich so gut wie nie jemand und der Bus, der durch dieses Viertel fuhr, kostete ein Heidengeld, weshalb ich kurzerhand beschlossen hatte, zu Fuß zu gehen – nur wenn ich unter Zeitdruck war, nahm ich ab und zu doch ausnahmsweise den Bus. Mein Vater sagte zwar, die Buskosten seien überhaupt kein Problem, doch ich hatte keine Lust, mir alles von ihm zahlen zu lassen, wo mich immerhin nicht einmal mehr drei Wochen von meinem achtzehnten Geburtstag trennten.

Normalerweise ging ich die ersten fünfhundert Meter zusammen mit Liam, bis er einen anderen Weg einschlagen musste, doch da ich den restlichen Tag kein Wort mehr mit ihm gewechselt hatte, war ich nicht in der Stimmung, etwas mit ihm zu unternehmen. Das Biologie-Projekt würden wir wohl auch einzeln machen müssen. Sollte ich vielleicht doch auf ihn zugehen? Naja ... lieber nicht, bevor Jo Scheiß machte. Zu allem Überfluss fing es jetzt auch noch an, wie aus Kübeln zu schütten. Dieser Tag rückte in der Liste der miesesten Momente mittlerweile ganz schön weit nach oben. Da ich weder Regenschirm noch Kapuze hatte, behielt ich meinen schlendernden Gang bei; zum Laufen war ich im Moment eindeutig zu faul. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst nicht merkte, wie hinter mir ein Auto immer langsamer wurde, bis es in Schrittgeschwindigkeit neben mir herfuhr. Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter, sodass die ohrenbetäubend laute Rockmusik durch die Straßen dröhnte. „Hey, Rikki!", rief mir Jo zu. Ich stöhnte auf und wunderte mich, wie er es überhaupt schaffte, mit seinen Stimmbändern diesen Lärm zu übertönen. „Willst du mitfahren?".

Dangerous Knowledge (One Direction FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt