{Prolog}

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Das hastige Klacken meiner Schuhe hallte durch den leeren Gang. Ich rannte beinahe, viel fehlte nicht mehr. Heute morgen hatte mein Wecker wieder einmal keine Ausdauer und hatte mich nicht wachgekriegt. Und jetzt? Jetzt war ich wieder einmal über eine Viertelstunde zu spät, wie mir das Schlagen der Uhr verriet.
Ich fluchte und begann nun wirklich zu rennen.
Seit zehn Minuten hätte ich jetzt schon im Büro von Sir Nael sitzen müssen. Eigentlich.
Schnaufend erreichte ich die grosse, doppelflügelige Tür und klopfte.
Ohne eine Antwort abzuwarten, platzte ich hinein und murmelte ein leises "entschuldigung".
Eine hochgezogene Augenbraue war die einzige Reaktion.
Ausser Atem liess ich mich in einen der zwei borderauxfarbenen Sessel plumpsen und streckte meine Beine aus.
Dann sammelte ich mich kurz und kam ohne Umschweife zur Sache:
"Darf ich den Grund erfahren, weswegen du mich herbestellt hast?"

Er schaute mich genervt an.

"Das ist immer noch Sie und Sir für dich."

Ich verdrehte genervt die Augen. Er war schon immer so steif und eingebildet.

"Also?", platzte ich ungeduldig heraus.

Er seufzte.
"Ich habe dich herbestellt, um dich in Kenntnis zu setzen, dass du einen neuen Auftrag hast. So wie ich dich kenne, wirst du ihn sowieso nicht ablehnen. Du warst ja schon immer-"

"Worum geht es genau?", unterbrach ich ihn und handelte mir einen missbilligenden Blick ein.

"Es gab einige-....Vorfälle."

Er stand auf und setzte sich dramatisch in Pose, während er lachhaft mit seinen Händen in der Luft herumgestikulierte.
"Wir haben Ferdinand aufspüren können."

Ich erstarrte.
"Wo?", krächzte ich heraus.

"England. 1792."

Ich blickte ihm starr in die Augen und wartete schweigend auf mehr Informationen.

Er fuhr fort:
"Er ist dort als erfolgreicher Händler unterwegs und bringt die gesamte Wirtschaft, ganz zu schweigen von der Damenwelt, durcheinander. Er verkehrt dort unter dem Namen Sir Houston, seinen Vornamen hat er beibehalten. Ausserdem soll er in Kontakt mit gewissen Kreisen stehen, du verstehst, wen ich meine, oder?"

Ein tiefer Atemzug verliess meine Lungen und ich nickte.
Ohne Worte erhob ich mich und trat an eines der grossen Fenster. Sonnenstrahlen fanden ihren Weg hinein und erhellten das Zimmer mit freundlichem Licht, das so gar nicht zur beinahe greifbaren Spannung in der Luft passte.
Die Möbel standen schweigen herum, ihr dunkles Holz schimmerte matt.
Auf einmal drehte ich mich um.

"Ich will den Auftrag nicht. Schickt mich irgendwo hin, aber nicht zu ihm."

Flehend fügte ich hinzu:
"Bitte!"

Seufzend nickte mein Vorgesetzter und hob ergeben die Hände.
"In Ordnung, dann kommst du nach Frankreich. Französische Revolution. Es müssen ein paar Unklarheiten geregelt werden, das kennst du ja, sollte Routine für dich sein."

Ich nicke zögernd.

"Was soll ich regeln?"

"Sammle jegliche Information über Robert de Tossailon, die du finden kannst. Wir wollen einige Nachforschungen über unsere Feinde betreiben und der liebe Herr de Tossailon ist da ein perfekter Anfang."

Er schnaubte abfällig und schüttelte den Kopf.
"Wenn du keine Fragen mehr hast, kannst du gehen."

Mit diesen Worten wandte er sich wieder den Papieren auf seinem Pult zu, die er schon bei meinem Eintreten bearbeitet hatte.

Ich runzelte die Stirn.

"Warum Nachforschungen? Ich meine, die könnte man genauso gut von hier aus betreiben, dazu müsste man nicht extra in's Jahr 1789 zurückreisen."

"Wir wollen exakte Informationen. Sonst noch was?", fragte er nun abweisend und ohne den Blick von seinen Unterlagen zu heben.

"Guten Tag.", murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen, dann verliess ich fluchtartig das Büro.

Nael trieb mich noch in den Wahnsinn. Es war allgemein bekannt, dass wir uns nicht ausstehen konnten, aber heute morgen war unsere Beziehung in frostige Minusgrade gesunken.

Langsam lief ich den langen Hauptkorridor entlang. Es schien mir seltsam, um für ein paar Nachforschungen direkt in der Zeit zurückzuhüpfen. Vielleicht....
Ach Quatsch, schimpfte ich mit mir selber, sei nicht so misstrauisch, auch wenn du ihn nicht magst, wird er schon nichts geplant haben.

Schwungvoll öffnete ich die Eingangtür und spazierte durch den bewachten Eingang hinaus. Sofort schien mit die Sonne in mein Gesicht und meine Laune hob sich schlagartig. Wenn ich schon einen neuen Auftrag hatte, konnte ich die Zeit, die mir bis dahin noch blieb, wenigstens nutzen.

Beschwingt lief ich zu meinem kleinen, schwarzen Peugeot und quetschte mich hinein.

Während ich mich durch den Grossstadtverkehr zwängte, liess ich meinen Blick über die vielen Geschäfte schweifen.

Plötzlich grinste ich. Schokolade war jetzt genau das Richtige.

Helene - Die Geschichte einer Zeitreisenden, die blieb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt