Meine Klingen fest in der Hand steuerte ich auf Allstair zu. Die Infizierten, die rechts und links für mich Platz machten, hatte ich argwöhnisch im Blick.
Aber sie teilten sich weiter für mich und schlossen sich hinter mir wieder, bis ich in Allstair Ring angekommen war. Jetzt trennte mich eine Wand aus Mutierten von den anderen. Ich war auf mich allein gestellt.

Der König stand auf der anderen Seite, die Arme lässig an den Seiten herabhängen, das Gesicht zu einem erwartungsvollen Lächeln verzogen. Die Infizierte bildete eine schwarze Mauer um uns, hielten aber genügend Abstand, dass jeder von uns viel Bewegungsfreiheit hatte.

Ich fühlte mich in die Grube der Burg zurückversetzt, wo ich mit einem Gegner nach dem anderen den Sand rot gefärbt hatte. Ob es Feinde, Verräter, Sklaven oder Deserteure gewesen waren. Sie alle waren durch meine Hand gestorben, die Allstair befehligt hatte.

Aber in diesem Ring stand ich nicht als seine Vollstreckerin sonder als Nemesis.

Mit schulterbreiten Stand, ein Bein leicht nach hinten versetzt und etwas in die Knie gegangen, blieb ich zehn Meter von Allstair entfernt stehen. Dabei hatte ich mein imaginäres Netz ausgeworfen und spürte jeden Infizierten. Sollte sich einer bewegen, würde ich es merken, auch wenn ich sie nicht alle gleichzeitig mit meinen Augen sehen konnte.

„Da sind wir nun", sagte Allstair gedehnt, „Nachdem du zwei mal weggerannt bist."
Seine Stimme war ruhig, fast schon entspannt. Aber ich hatte diesen Ton oft genug gehört, um zu wissen, dass er innerlich tobte.
„Die Frage ist nur: Wirst du es heute wieder tun?"

Um meine Angst zu überspielen, ließ ich einmal mein Schwert kreisen. Mein Gesicht war leer, meine Augen kalt. Es fiel mir leicht wieder emotionslos zu werden, wie ich es in der Burg jede Sekunde gewesen war. Alles andere hatte nur für Schmerz gesorgt.
„Nein. Heute kämpfe ich."

Ich war stolz zu sagen, dass meine Stimme nicht zitterte, obwohl alles an ihm Erinnerungen hervorrief. So wie er da stand, das wissende Lächeln auf dem Gesicht...
So hatte er auch immer bei Lektionen vor mir gestanden. Komplett in schwarz gekleidet und mit der Ruhe eines Mannes, der wusste, dass ich ihm ausgeliefert war. Die gleiche Ledermontur. Der gleiche Mantel um die Schultern.

Aber die Dinge hatten sich geändert. Ich war nicht mehr seine rechte Hand. Ich war immun gegen Magie. Ich hatte mich von ihm losgesagt. 
Das musste ich mir immer und immer wieder ins Gedächtnis rufen, andernfalls würde die Panik mich überrollen. Sie war eine tosende Welle, die gegen einen Damm schlug. Ich wusste nur nicht wie lange der Damm halten würde.

Allstair lachte leise und setzte sich in Bewegung. Auch ich machte wachsam einen Schritt vor dem anderen, sodass wir uns langsam umkreisten.

„Das letzte Mal ging nicht gut für dich aus."

Erinnerungen an Schmerzen, Blut und Dunkelheit durchzuckten mich. Aus Verzweiflung heraus hatte ich einmal versucht ihn zu töten.
Die Stunden danach waren nur ein Wirrwarr aus Schreien und Pein. Ich glaubte, ich war nicht mal die ganze Zeit bei Bewusstsein gewesen.

Ich stolperte, fing mich und blockte die Bilder aus. Allstair lächelte genugtuend.

„Lass es bleiben", sagte er, „Du kannst das hier nicht gewinnen. Dafür bist du zu sehr in Erinnerungen versunken. Du bist zu schwach."
Seine Worte verunsicherten mich mehr, als ich zugeben wollte. Diese ruhige, eindringliche Stimme hatte ich so oft gehört, dass sie wie ein Vorschlaghammer in meinen Geist krachte.

Liebe macht schwach.
Du bist nichts.
Du brauchst niemanden.
Du gehörst mir.

„Was willst du mir auch schon entgegensetzen? Ich bin mit einem Gott verbunden. Ich habe eine Armee von Infizierten."
Er sah mich langsam von oben bis unten an. Ein Blick der mir wie Eis über die Haut fuhr.
„Du bist nichts, Nemesis. Nichts, außer dem, zu dem ich dich gemacht habe. Alles, was du kannst und bist, ist wegen mir. Die Schöpfung wird ihrem Schöpfer niemals überlegen sein. Also gib es auf."

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt