„Ist, um ehrlich zu sein, schon eine Weile her." Ich wich seinem Blick aus, schaffte es nicht, die Tränen in seinen Augen zu sehen und zu wissen, dass ich dazu beigetragen hatte, dass es so weit gekommen war. „Damian meinte, ich soll es dir nicht erzählen. Er weiß mehr als ich, aber er wollte nicht darüber reden..."

Ich seufzte, als ich merkte, dass ich um den Punkt herumredete. „Nicks Mutter hat Drogen in Damians Jacke gefunden. Seine Eltern dachten, sie gehören Damian, aber Nick hat zugegeben, dass es seine waren. Ich weiß nicht, ob er die selbst nimmt oder warum er die hat. Er hat nur gesagt, dass es seine sind, hat seine Sachen gepackt, sich bei Damian entschuldigt und ist gegangen, ohne seinen Eltern eine Erklärung abzuliefern. Wenn er sie nimmt, erklärt das vielleicht, dass er Dinge tut, die er sonst nicht getan hätte."

Finns glasige Augen weiteten sich. „Was für Drogen? Gras? Oder was Schlimmeres?"

„Irgendwelche Pillen. Welche genau weiß ich nicht."

Finn nickte verstehend, sah aber so aus, als würde in ihm unglaublich viel vor sich gehen. Als Gestaltwandler hätte ich das Riechen können. Wahrnehmen, in welche Richtung seine Gefühle gingen. Einschätzen, woran das lag. Als Mensch musste ich ihn fragen.

„Was denkst du?"

„Er hat mir erzählt, dass man bei ihm an der Uni wohl ziemlich leicht an Drogen kommt. Ich verstehe nur nicht, warum er ausgerechnet jetzt damit anfangen sollte. Er meinte immer, er hält sich von der Szene fern."

„Wäre leichter, das einzuschätzen, wenn wir wüssten, was er nimmt."

Falls er etwas nahm, um seine Konzentration oder Produktivität zu erhöhen, läge die Ursache seines Konsums wohl an Stress im Studium. Das war das, das Nicks Vater vermutet hatte.

Vielleicht brauchte er auch etwas, um runterzukommen.

Oder er hatte beim Feiern etwas eingeworfen und war dadurch abgestürzt...

„Warum meinte Damian, dass du es mir nicht sagen sollst?"

Ich dachte über meine Gespräche mit Damian zu dem Thema nach, fand aber keine zufriedenstellende Antwort. „Er hat nicht wirklich einen Grund genannt."

Finns Augenbrauen schossen nach oben. „Und das hat dir gereicht?"

Ich wünschte ich könnte mich verteidigen, aber ich wusste nicht womit. Ich hatte die Entscheidung getroffen, Finn etwas zu verheimlichen. Es stand ihm zu, mich verurteilend anzusehen. Viel mehr als das.

„Mir sind selbst genügend Gründe eingefallen."

Er schnaubte. „Wenn du jetzt sagst, du wolltest mich vor irgendetwas schützen, kicke ich dich aus dem Bett."

Wieder erkannte ich, dass ich in diesem Konflikt eine ähnliche Rolle einnahm wie meine Tante in meinem Problem mit ihr.

Ich konnte mir also vorstellen, wie Finn sich fühlte. Wie wütend er sein musste, weil jemand anderes ihm die Entscheidung verwehrt hatte, wie er mit einer Information, die wichtig für ihn war, umgehen sollte.

„Es tut mir leid. Es war nicht mein Recht, es dir zu verheimlichen."

Er sah mich einige Momente still an, schien abzuwägen, ob er sich damit zufriedengeben sollte. Schließlich seufzte er und fragte: „Sonst noch was, das du mir sagen willst?"

Ich wusste, dass er sich damit auf Nick bezog. Auf Nick oder auf irgendetwas anderes, das mit ihm zu tun hatte. Dazu hatte ich alles gesagt. Trotzdem wusch eine dunkle Welle über mein Gewissen, als ich den Kopf schüttelte.

Das Thema Gestaltwandler war etwas Anderes, redete ich mir ein. Und meine Familien-Probleme anzusprechen, würde ihn in eine Situation bringen, für mich da sein zu müssen, obwohl er gerade sauer auf mich war. Das wäre nicht fair. Also hielt ich den Mund und ließ ihn darüber nachdenken, wie er nun weiter vorgehen wollte.

wild (bxb)Where stories live. Discover now