»Was meinst du mit 'wenn man von dieser Seite heransegelt'? Gibt es auf der anderen Seite eine sicherere Anlegestelle?« Darrel nahm die Karte in die Hand und versuchte, Hinweise zu erkennen. Doch er war noch nie in diesem Teil von Domhain gewesen. Zum Glück kannte sich Ronan hier besser aus.

»Auf dieser Seite hier gibt es einen schmalen, aber sonst sicheren Durchlass. Bei unserem Tiefgang sollten wir den auf jeden Fall nutzen, auch wenn es uns etwas Zeit kosten wird«, erklärte Ronan mit dem Finger auf der Karte.

»Wie viel Zeit werden wir dadurch verlieren?«, fragte Darrel. Der Ehrgeiz, Hannah zu besiegen, hatte ihn erneut gepackt, und er wollte jede Chance, die sich bot, nutzen.

»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Ronan, während er nachdenklich seinen Bart streichelte. »Jetzt, da wir das Ziel kennen, könnten wir die Wavedancer überholen und zur gleichen Zeit auf der Insel ankommen. Vorausgesetzt, die Wavedancer plant tatsächlich, sich durch die gefährlichen Riffe zu navigieren. Ein riskantes Unterfangen, wenn du mich fragst. Wenn sie allerdings denselben sicheren Weg wählen, könnten wir den Schatz bergen, während sie noch ankommen.«

»Perfekt!«, rief Darrel voller Vorfreude und rieb sich die Hände. Dann wandte er sich seiner Mannschaft zu und gab einige Befehle. Ein Ruck ging durch das Schiff, und die Segel blähten sich im Wind, als der Kapitän das Tempo erhöhte. Sie mussten der Wavedancer nicht mehr folgen, und die Sturmwind näherte sich dem anderen Schiff rasch. Als sie aneinander vorbeifuhren, sah Darrel zufrieden in Hannahs wütendes Gesicht und tippte grüßend angedeutet seinen Hut.

»Wir sehen uns später, Sturmtochter! Nachdem wir den Schatz gehoben haben!«, lachte er hämisch und richtete seinen Blick wieder nach vorn. Am Horizont konnte er bereits eine Erhebung erkennen, die in den letzten Sonnenstrahlen des Tages glänzte.

»Dieser Schuft!« Hannah musste von ihrem Schiff aus zusehen, wie Darrel und seine Mannschaft an ihnen vorbeizogen und Kurs auf die Insel nahmen.

»Was hast du erwartet?«, fragte Yan wenig mitleidig. »Ronan kennt sich in Domhain aus. Es war abzusehen, dass sie unser Ziel bald erraten würden.«

»Ich bin trotzdem wütend! Wir haben den Kompass und das Ziel gefunden. Sie haben sich nur an uns drangehängt!«, rief Hannah verärgert.

»Das ist wahr«, stimmte Diyanne zu und legte tröstend eine Hand auf Hannahs Schulter. »Aber sie haben nicht den Kompass. Sie wissen also nicht, was wir wissen. Und wenn sie auf der Insel ankommen, haben sie keine Ahnung, wo sie hinmüssen!«

Die Wandlerin hob verschwörerisch ihre Augenbrauen und Hannah konnte nicht anders, als zu lächeln. Nachdem sie ihr Ziel gefunden hatten, war Yan die Rückseite des Kompasses aufgefallen. Hannah hatte zunächst gedacht, sie sei zerkratzt, doch im Licht der untergehenden Sonne hatten sich die Rillen deutlich und kontrastreich abgezeichnet und ein Bild enthüllt, das ihnen den Weg zu ihrem Ziel auf der Insel weisen würde. Und das war ihr kleines Geheimnis.

Es war nachts, als Hannah unerschütterlich am Steuerrad stand, während die beiden Monde ihr silbriges Licht über das Deck der Wavedancer warfen

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Es war nachts, als Hannah unerschütterlich am Steuerrad stand, während die beiden Monde ihr silbriges Licht über das Deck der Wavedancer warfen. Das Schiff glitt geräuschlos durch das dunkle Wasser, während sich vor ihnen die gefürchteten Klippen von Grünwald auftürmten. Ein Labyrinth aus spitzen Felsen und heimtückischen Untiefen, das selbst den mutigsten Seefahrer in die Knie zwingen konnte. Doch Hannah fühlte keine Furcht. Sie wusste, dass sie in dieser gefährlichen Nacht nicht allein war.

Hoch oben in der Luft zog Yan, der Vogel mit dem scharfen Blick, seine Kreise. Ihre Augen waren Hannahs Augen, und ihre Pfiffe gaben Hannah die präzisen Signale, die sie benötigte, um das Schiff sicher durch das komplizierte Riff zu steuern.

Mit einer geschickten Handbewegung dirigierte Hannah die Wavedancer durch die engen Passagen zwischen den Klippen. Das Schiff glitt durch schmale Durchlässe, wich gefährlichen Riffspitzen aus und nutzte jede günstige Strömung, die Yan ihr anzeigte. Ihre Hände bewegten sich sicher und präzise am Steuerrad, während sie gleichzeitig klare Befehle an ihre Crew weitergab.

Die Anspannung an Bord war zum Schneiden. Jeder Seemann hielt die Luft an, während die Wavedancer sich beharrlich ihren Weg durch das Riff bahnte. Das Plätschern der Wellen, das Pfeifen des Windes und das Knarren der Segel vereinten sich zu einer gespenstischen Melodie.

Nach einer nervenaufreibenden Fahrt, bei der ein einziger Fehler das Aus hätte bedeuten können, fand die Wavedancer endlich einen sicheren Durchlass durch das Riff. Das Schiff glitt in ruhigere Gewässer, und ein kollektives Aufatmen ging durch die Besatzung. Erschöpft, aber zufrieden, lehnte sich Hannah wieder an das Steuerrad. Mit ihrer eigenen Expertise und Yans Unterstützung hatten sie die gefährlichen Klippen und das Riff erfolgreich hinter sich gelassen.

Nun lag die geheimnisvolle Insel Grünwald vor ihnen, umgeben von der Dunkelheit und dem Versprechen unbekannter Abenteuer.

Das gekaperte HerzWhere stories live. Discover now