„Allstair kontrolliert die Infizierten", antwortete Naevan für mich, „Wenn wir ihn unter Kontrolle bekommen, können wir die Infizierten mit einem Schlag vernichten."
Drystan verzog den Mund.
„Warum sprecht Ihr von einem möglichen Sieg, wenn ihr uns die Magie nicht geben wollt? Wir könnten auch gewinnen, wenn unsere Götter die Macht hätten, die ihnen ursprünglich auch gehört."

Chara hatte zwar nicht die gleiche Missachtung in ihrer Haltung, aber auch sie sah fragend zu Naevan.

Dessen Gesichtsausdruck wurde augenblicklich hart.
„Es gibt Dinge, die ihr nicht wisst und nicht versteht. Ich habe meine Gründe und König Allstair zu besiegen ist die einzige Option, die euch bleibt."

Der Kiefer des Prinzen mahlte.
„Ich tue was nötig ist, um die Menschen zu retten."

Naevan kniff die Augen zusammen, da ihm der unausgesprochene Vorwurf nicht entgangen war, aber er machte keine Anstalten darauf zu reagieren.

„Wie wollen wir den Allstair besiegen?", kam es von der Prinzessin.
„Ich kann andere Magie zerstören", erklärte ich ausdruckslos, „Und ich kann sie kontrollieren. Dann steuere ich die Infizierten und vernichte sie alle auf einmal."
„Nemesis wird uns übernatürlich schnell zu ihm bringen, sie weiß wo er ist", ergänzte der Hüter.
Drystans Augen wurden schmal, aber was auch immer er dachte, er sprach es nicht aus.

„Wir nehmen Virginia mit", beschloss Chara, „Sie ist bei den Toren der Stadt."
„Wir nehmen Martell und Aramis auch mit", kam es entschlossen von Drystan.

Da ich Aramis geheilt hatte, ging es ihm gut genug, um zu kämpfen. Er war lediglich erschöpft gewesen und hatte sich in der Nacht regenerieren können. Virginias Bein war weitgehend verheilt und sie hatte hart trainiert um wieder die nötigen Muskeln aufzubauen. Deswegen hatte keiner sie davon abhalten können, ebenfalls in die Schlacht zu ziehen.

Trotzdem hatten wir allen drei die Plätze innerhalb von Traddis zugewiesen, in der Hoffnung, dass die Welle auf die Distanz etwas abflaute und besser zu bewältigen war. Vor allem, da wir vorher so viele Infizierte hatten töten wollen, wie es nur ging.
Tja, der Plan war nicht so ganz aufgegangen.

„Na gut. Dann holen Chara und ich alle. Ihr zwei wartet hier."
Naevan sah eindringlich zu mir.
„Versuche dich zu fokussieren und deinen Sturm zu zentrieren. Sobald wir bei König Allstair sind, wirst du alles brauchen, was du hast."

„Ist es in Ordnung, wenn ich Euch trage?", fragte er jetzt an die Prinzessin gewandt.
Zwar versteifte diese sich, aber sie nickte und augenblicklich sprang Naevan mit ihr im Arm davon.
Damit blieben es nur Drytsan und ich.

Kurz sah ich ihnen nach, dann setzte ich mich auf den Ast und ließ die Beine baumeln.
Nach ein paar Sekunden tat Drytsan das gleiche, wenn auch mit einem gebührenden Abstand.

„Du hattest gestern mit mir reden wollen", fiel mir ein, „Worum ging es?"

Der Prinz schwieg. So lange, dass ich dachte, er würde gar nicht mehr antworten.
„Ich wollte verstehen, warum du deinen Tod akzeptierst", sagte er schließlich.

Langsam atmete ich aus. Wie sollte ich es erklären?

„Ich kann verstehen, warum Naevan den Göttern die Magie nicht geben will. Er will Rache wie ich."
„Wofür will er sich rächen?"
Von der Seite sah ich den Prinzen an, der mir das Gesicht zugewandt hatte.

„Unwichtig. Letztendlich zählt nur, dass er ihnen die Magie nicht geben kann. Wegen seinen eigenen Verantwortungen."
Ich dachte an Naevans Familie, die er verloren hatte und denen er Rache geschworen hatte.

„Manche Dinge sind größer als die eigene Rache", sagte Drystan kalt, „Es gibt andere Verantwortungen, die jeder tragen sollte."
„Und die da wären?"
„Leben zu schützen, wenn man die Macht dazu hat."

Seufzend schüttelte ich den Kopf.
„Ich bin keine Heldin, Drystan."
Mit bittere Stimme sagte er:
„Ich weiß. Aber ich hatte geglaubt, wir würden auf der gleichen Seite stehen."

Kurz schloss ich die Augen. Ich könnte ihm von Naevans Geschichte erzählen, von Aerienne, von den Lügen der Göttereltern und der anderen Welt. Aber nichts davon würde er mir glauben, so lange Riniah ihn beeinflussen konnte.

„Ich stehe auf keiner Seite."
„Red dir das ruhig ein, aber in Wahrheit hast du dich längst für Naevan entschieden."
Stirnrunzelnd sah ich auf seine Finger, die sich in die Rinde des Astes krallten.

Schließlich stieß er die Luft aus und sah mir direkt in die Augen. Das eisgrau so dunkel, wie nie.

„Es tut weh zu sehen, dass nach allem, was wir erlebt haben, du immer nur an dich denkst. Nicht an Chara oder Martell, Aramis oder Phyrros. Dir ist diese Welt egal. Wir sind dir egal, denn nur Rache zählt."
Er riss die Rinde ab und schmiss sie in einer abgehackten Bewegung nach unten in die Masse an Infizierten.
„Es tut weh, weil wir Freunde sind. Und Freunde unterstützen einander, auch wenn es einen nicht immer gefällt, was der Freund gerade braucht."
Er atmete tief ein und aus.
„Es tut weh, weil ich mehr wollte als Freundschaft."

Überrascht öffnete ich den Mund, wusste aber nichts zu erwidern, also schloss ich ihn wieder.

Seine Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln.
„Ich weiß, dass es dir nicht so geht. Aber ich hatte geglaubt, dass ich zumindest in diesem Krieg auf dich zählen kann. Dass du mir hilfst mein zu Hause zu schützen."

Obwohl er geendet hatte, sah ich ihn einfach nur an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Denn er hatte recht, ich wollte nicht mehr als Freundschaft von ihm.
Aber mit dem Fest was er sagte mag er falsch. Ja, die Welt war mir egal. Aber seine Freunde nicht. Sonst hätte ich Aramis nicht geheilt.

„Drystan, ich beschütze dich ohne zu zögern mit meinen Leben, aber du bist nicht diese Welt. Du bist nicht das Volk. Ihnen gegenüber habe ich keine Verpflichtungen."
Enttäuscht wandte er den Blick von mir ab.
„Und genau darin irrst du dich."

Ich würde lügen, wenn es mit keinen Stich gab. Letztendlich war er mein Freund. Der erste, den ich je hatte.
Liebe macht schwach.
Er war meine Schwäche. Und mit meiner Schwäche konnte man mich verletzen.

Mein Ausdruck wurde hart und ich verbannte den Schmerz tief in meinem inneren.

„Du sagst, ich soll dich unterstützen, aber was hast du getan, um mir zu helfen?"
Als er mich wieder ansah, sagte ich ruhig:
„Freundschaft geht in beide Richtungen."

Hi,
das Kapitel ist verspätet. Aktuell ist bei mir viel los.
Trotzdem viel Spaß mit dem Lesen 🥰🥰
Lg Vera.

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now