Seine Züge verzerrten sich und er senkte den Blick. Dennoch schwebten unsere Gesichter nach wie vor nur Zentimeter voneinander, sodass ich jedes Wort auf den Wangen spürte:
„Ich kann der Kraft nicht widerstehen, die mich zu dir hinzieht. Und ich will verdammt sein, dass ich diese Lippen so egoistisch küsse, auch wenn ich doch dein Leben in den Händen halte und beschlossen habe, es beenden zu lassen."

Man wäre taub, wenn man die innere Zerrissenheit in seiner Stimme nicht hören würde. Außerdem konnte er mich nicht ansehen und die vorher weichen Züge waren jetzt hart.

Sachte legte ich die Finger an seine Wange und drehte seinen Kopf zu mir.
„Es ist in Ordnung", flüsterte ich, „Einer von uns muss es sein. Und wenn du dafür deine Rache bekommst, dann habe ich keine Angst vor dem Tod."

Er erzitterte. „Warum opferst du dich?"
Schulterzuckend fuhr ich mit den Daumen über seinen Wangenknochen.
„Es fühlt sich richtig an."
Denn das tat es. Wenn Naevan leben konnte, war ich bereit meinen Tod zu akzeptieren.

Eine Stimme schrie mir zu, dass das dumm war. Dass diese Gefühle mich schwach machten. So schwach, dass ich bereit war für den Hüter zu sterben. Dass ich eigentlich um mein Leben kämpfen sollte.
Aber ich brachte sie entschieden zum schweigen, als Naevan mich wieder küsste. Voller Schuldgefühle und Schmerz.

Wenn das hier Schwäche war, dann fühlte sie sich wunderbar an.

Unser Kuss wurde je unterbrochen, als wieder ein gleißend heißer Schmerz durch meinen Unterarm zuckte. Ich schrie auf und fiel auf die Knie. Naevan war sofort auf meiner Höhe und sah mich alarmiert an. Dann fiel sein Blick wie meiner auf meinen Arm, wo sich ein goldenes Band in mein Fleisch grub. Es blutete nicht, aber der Schmerz nahm mir kurz die Sicht.

„Der Deal", zischte Naevan, konnte aber nichts tun, um mir zu helfen. Stattdessen legte er mir einen Arm um die Schulter und zog mich an sich.
Keuchend atmete ich durch den Schmerz bis er langsam verklang. Immer noch schwer atmend sackte ich gegen Naevan.

Seine Augen waren sturmumwölkt, als er mir die Hand anbot, um mir aufzuhelfen. Ich legte meine Hand in seiner schwieligen Finger und ließ mich von ihm hochziehen.

„Wir sollten schlafen gehen", murmelte er, „Wir brauchen unsere Kraft für die Schlacht."

~•~

Der Tag der Entscheidung war gekommen.

In voller Montur und düsteren Blick stand ich zwischen den Bäumen des Waldes vor Traddis. Naevan versteckte sich ein paar Stämme weiter, in eine schwarze Tunika und Hose gehüllt, über der er weiße Schonter trug, die Arme, Brust und Schultern schützten. Sie waren gefertigt aus dem einzigartigen delerischen Stein, der besonders schützte.

So wie gefühlt an jedem Zentimeter meines Körper Messer steckten, zusätzlich zu dem Schwarzstahlschwert in meiner Hand, so war auch Naevan bewaffnet.

Die Doppelschwerter kreuzten sich über seinem Rücken und an seinen Beinen steckte ein kleines Arsenal an Wurfsternen.

Im ganzen Wald verteilt lauerten unsere Soldaten. Sowohl Delerier, als auch Koranéeaner. Sie waren mit allen Schwarzstahlschwertern ausgestattet, die wir seid dem Verlust der Minen besaßen und zusätzlich hatten sie die Rüstung der Delerier bekommen, die extra Schutz bot.

Drystan und Chara mussten auch irgendwo in den Wäldern sein. Wie besprochen wollten wir die Infizierten durch den dichten Wald in ihrer Masse behindern.

Mein Herz klopfe in meiner Brust. Nicht, weil ich Angst vor dem Kampf hatte, sondern weil die Vorstellung, Allstair könnte in der Nähe sein, alles in mir gefrieren ließ.

Nemesis - Kronen und GötterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora