24 - In den Kampf

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Liha kniff die Augen zusammen. Es bestand kein Zweifel. Dort unten bereiteten sich zwei Heere auf die Schlacht vor. Angst und bittere Entschlossenheit vermischten sich in seinem Magen zu einem eisigen Gefühl, das sich ausbreitete und die Müdigkeit vertrieb. Es war soweit. Endlich würde er die Gelegenheit zur Rache erhalten, auf die er solange gewartet hatte. Der Kampf stand ihnen unmittelbar bevor.

„Vater." Pentim schien zu einem ähnlichen Schluss gekommen zu sein und trieb seinen kräftigen Hengst an.

Aber Melish fiel ihm in die Zügel, bevor er davonreiten konnte. „Wenn wir da unten etwas bewirken wollen, mein Prinz, müssen wir gemeinsam und koordiniert angreifen. Einzeln vorzupreschen wird nichts bewirken, außer dass du getötet wirst. Liha und sein Drache haben uns die Möglichkeit beschafft, uns rechtzeitig in den Kampf einzuschalten. Nun liegt es an uns allen, dieses Geschenk nicht zu verschwenden."

Mit einem Stirnrunzeln bedachte der Prinz die Worte des Kriegers und nickte dann langsam und mit fest zusammengekniffenem Mund. Liha war froh, dass Pentim sich zurückhielt. Schlimmstenfalls wäre er ihm gefolgt, um sein Versprechen Katim gegenüber zu halten. Aber trotz seiner Erschöpfung nach der anstrengenden Nacht war er sich bewusst, dass es besser war, in dieser Sache auf erfahrene Krieger wie Melish und Berim zu hören. Inmitten all dieser Krieger fühlte sich immer noch sehr unerfahren und hilflos. Er hatte noch viel zu lernen, und das konnte er am besten in der Nähe von Berim und Melish.

Während Melish den Kriegern befahl, ihre Ausrüstung zu prüfen, etwas zu essen und die Pferde zu füttern, wanderte Lihas Blick zu Dánirah, die gedankenverloren den Hals ihrer Stute tätschelte, während sie mit der anderen Hand das Ende ihres Schals zwirbelte. Was wohl in ihrem Kopf vorging? Während die Krieger ihre Waffen überprüften, die Schwerter in den Scheiden lockerten und die Bogen spannten, führte Liha sein Pferd an die Seite der Tanna und reichte ihr einen Teil seiner Ration.

„Bitte, versprich mir, dem Kampf fernzubleiben. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt, Dáni."

Überrascht sah sie ihn an. „Dáni?"

„Verzeih, ich wollte deinen Namen nicht verunglimpfen." Er rieb sich die Augen, als eine neue Welle der Erschöpfung über ihm zusammenschlug. „Ich bin müde, es ist mir bloß rausgerutscht."

Dánirah lächelte. „Nein, das ist in Ordnung. Meine Mutter nennt mich manchmal so. Ich mag den Namen, er erinnert mich an sonnige Tage." Sie streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. „Liha, ich bin keine Kriegerin und könnte euch im Kampf ohnehin nicht viel helfen. Mein Volk verabscheut eigentlich den Krieg und jede Art von Konflikt. Dass die Ältesten bereit waren, dem Ruf des Königs zu folgen, hat mich überrascht."

„Wirklich?"

„Ja, ich glaube deshalb, dass dies hier wichtig ist. Trotzdem sollte ich nicht hier sein sondern meine Mutter suchen." Ein Zittern lief durch ihren Körper, das Liha durch ihre Fingerspitzen fühlen konnte. Sie holte tief Luft. „Ich vermute, He'sha hofft, dass es für das Volk eine bessere Zukunft geben wird, danach."

Berim der wohl ihre letzten Worte gehört hatte, trat an ihre Seite und und rieb den Macken der Stute, während er sie aus einem Futtersack fressen ließ. „Das hoffe ich auch, Tochter der Dämmerung. Aber bevor wir auf bessere Zeiten warten sollten, steht uns ein schwieriger Tag bevor. Versuche, den Kämpfen auszuweichen, wenn du kannst."

„Das habe ich Liha schon versprochen. Ich wünsche euch alles Gute."

„Danke. Bist du bereit, Liha?"

Der junge Mann verzog den Mund. „Nicht wirklich. Aber kann man für so etwas jemals bereit sein?"

Der Krieger verzog das Gesicht. „Nein, aber es hilft auch nichts, sich in Sorgen zu vergraben. Du bist ein Bogenschütze. Halte dich also an deine Kollegen und versuche, dich nicht in Schwertkämpfe verwickeln zu lassen. Dafür bist du noch nicht bereit. Erinnerst du dich, Drache? Lerne zuerst die Regeln des Spiels."

Liha runzelte die Stirn, als er an ihren ersten gemeinsamen Ritt dachte. Soviel hatte sich in diesen Monden verändert. Aber im Grunde war er immer noch dieselbe Person, nur wenig älter als der unerfahrene Junge von damals. „Ja, ich weiß. Ich muss besser sein, als die anderen, um zu gewinnen."

„Genau." Berim nickte ernsthaft. „Auf Wiedersehen, Dánirah."

„Möge der Morgenstern über dir wachen, Berim." Sie ergriff Lihas Hand und drückte sie. „Und über dir, Liha, ewig und einen Tag."

Ihre Finger fühlten sich klamm an, aber Liha drückte sie sanft. „Bis bald, Dáni." Er wollte noch etwa hinzufügen, schloss aber den Mund wieder. Alles hätte in diesem unwirklichen Moment seltsam geklungen, und die Krieger mussten nicht hören, was er Dánirah sagen wollte.

Die ersten Strahlen der Morgensonne tanzten über den Nebel und färbten das Gesicht der Tanna golden. Ein Vogel begrüßte mit einer fröhlichen Melodie den neuen Tag, als ob es keinen Krieg im Land gäbe. Pentims Hengst stampfte ungeduldig und Melish hob die Hand. „Bereit?"

Liha nickte, aber in seinem Hals steckte ein dicker Klumpen. Immerhin hatte er diesmal eine Wahl. Das war viel besser als mitten in der Nacht aufzuwachen und festzustellen, dass das eigene Zuhause gerade von Söldnern niedergebrannt wurde.

Dánirahs Händedruck riss ihn aus seinen düsteren Gedanke. „Ich werde hier warten und beobachten. Pass auf dich auf, mein Freund."

„Los geht's." Melish senkte die Hand und die Männer trieben ihre Pferde an, Pentim allen voran. Das Donnern der Hufe verschluckte das Morgenlied der Vögel als Liha sich tief über Hrans Hals beugte und mit zusammengebissenen Zähnen die Hände um die Zügel krampfte.

Erst als sie fast die Ebene erreicht hatten, ließ seine Spannung etwas nach. Berim ritt neben ihm und schenkte ihm ein breites Grinsen. Liha erwiderte es und sein Kopf fühlte sich plötzlich leicht an, als hätte er vom Met seines Vaters gekostet. Mit klopfendem Herzen ritt der Sohn des Schmieds von Diakaya inmitten der Krieger des Königs in seine erste Schlacht.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now