Aus dem Wäschekorb zog ich eine dunkle Jeans hervor und wechselte sie schnell gegen die schmuddelige Jogginghose und stopfte die in die Waschmaschine. Ich hatte keine Ahnung, wann mein Vater wieder auftauchen würde und wie ich dann damit umgehen sollte.
Promt vibrierte mein Handy. Auf dem Bildschirm blinkten zwei Nachrichten auf. Beide von- ich stockte und sah genauer hin. Von meinem Vater. Der Gedanke an gestern schnürte mir die Luft zu und ich entsperrte mit zitternden Händen den Bildschirm und tippte auf den Chat.
Es tut mir leid.
Das war die erste Nachricht. Sie stammte laut der Uhrzeit von vorhin als ich gesehen hatte, das er Online war. Die zweite Nachricht hatte er eben erst geschrieben.
Bin zurzeit nicht in der Stadt. Schau wie du klarkommst.
Ich atmete tief ein und aus. Sollte ich ihn ignorieren oder doch lieber darauf antworten?
Nachdenklich trat ich in den Flur und ging zurück zur Eingangstür, wo Daemon auf mich wartete. Er schien zu telefonieren. Als er mich sah, schaltete er auf laut und die Stimme seines Vater ertönte.
"- wenn sie zuhause nicht bleiben möchte, kann sie sich gerne vorrübergehend bei uns einquartieren. Oder bei einer ihrer Freundinnen, wird sicher auch kein Problem sein."
Daemon warf mir einen fragenden Blick zu. Währendessen unterhielt er sich weiter mit seinem Vater.
"Leonie ist jetzt auch bei mir, habe dich auf laut geschaltet. Aber ich glaube sie muss sich noch entscheiden."
Wieder erschallte die Stimme von seinem Dad. Er war sehr freundlich, für ihn wäre es sicher kein Problem, wenn ich vorrübergehend bei ihnen blieb.
"Ja, das ist okay. Leonie?"
Das war an mich gerichtet und ich regierte schnell.
"Ja?"
"Du bist jederzeit bei uns willkommen, keine Hemmungen mal bei uns vorbeizuschauen. Daemon und ich haben dich gerne bei uns."
Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus. Er war so ein lieber Vater.
"Danke, ich werde drüber nachdenken. Das Angebot ist wirklich sehr nett. Ich bleibe wahrscheinlich weiterhin nicht in diesem Haus, es steckt voller Erinnerungen an die ich jetzt nur ungern erinnert werden möchte.", erwiderte ich.
"Kein Ding, wie gesagt, wäre absolut kein Problem, wenn du bei uns bleiben möchtest. Ich könnte dir das Gästezimmer zur Verfügung stellen.", sagte er.
Enttäuschung machte sich in mir breit, aber was hatte ich erwartet? Das ich ernsthaft bei Daemon schlafen konnte? Das wäre absurd gewesen.
"Wirklich, haben Sie vielen Dank. Mein Vater hat mir eben geschrieben, das er momentan nicht in der Stadt ist. Wahrscheinlich wieder etwas Geschäftliches.", meinte ich.
Daemon, der mich die ganze Zeit schon beobachtet hatte, runzelte die Stirn.
"Unsinn, der ist doch nur abgehauen weil der Schiss vor den Bullen hat.", sagte er. Ich konnte seine Wut förmlich spüren.
"Das ist wirklich seltsam. Kannst du ihn fragen wie lange?", fragte Daemons Dad.
"Äh ja klar, einen Moment."
Mit schwitzigen Händen tippte ich eine Nachricht an meinen Vater und tippte anschließend auf absenden. Keine Sekunde später sah ich das mein Vater die Nachricht gelesen hatte und etwas schrieb.
"Und?", fragte Daemon und linste auf mein Handy. Eine neue Nachricht erschien im Chat.
Wahrscheinlich länger diesmal.
"Was hat das denn zu bedeuten?", empörte sich Daemon.
"Was hat er gesagt?", fragte es aus seinem Handy. Ups, ich hatte seinen Vater beinahe vergessen.
Doch ehe ich was sagen konnte, erklärte Daemon schon alles.
"Der Idiot sagt 'für längere Zeit'. Ich sag doch der flüchtet nur von seinen Problemen und der Polizei. Was das nur für ein Vater! Soll gefälligst hinter seiner Tochter stehen und seine Tat eingestehen. Nichtmal entschuldigt hat er sich-"
"Doch hat er." ich zeigte ihm seine Nachricht.
"Das nennst du eine Entschuldigung? Pah" Daemon klang unglaublich wütend.
"Beruhig dich und komm runter. Wir können alle nichts für die Situation und sie auch nicht ändern. Wir können sie
nur angenehmer machen, indem wir für Leonie da sind und die Polizei das erledigen lassen.", ermahnte sein Dad ihn.
Er war so unglaublich lieb. Ich überlegte. Naomi hatte viel um die Ohren zuhause und sehr strenge Eltern, da konnte ich schlecht mal eben aufkreuzen und fragen ob ich vorrübergehend bei ihr einziehen konnte. Und Franzi hatte 4 kleine Geschwister, das war mir zu stressig.
Während Daemon mit seinem Vater diskutierte, sah ich mich um. Das hier war mein Zuhause. Und ich fühlte mich nicht mehr wohl hier. Fynn war hier eingedrungen und mein Vater machte alles nur noch schlimmer.Aber in diesem Haus steckten auch soviele Erinnerungen. Sowohl aus guten, und aus schlechten Zeiten. Hier rannte ich einst mit meiner Schwester, Hand in Hand herum und spielten mit meinem Vater verstecken. Soviele schöne Dinge. Dann kamen wieder Bilder hoch, wie mein Vater betrunken vor mir stand und die Hand erhob, und ich kurz darauf einen schmerzhaften Schlag auf der Wange verspürte. Das waren schlechte Zeiten.
Ich spürte eine warme Hand auf meiner Schulter. Daemon schob sich in mein Sichtfeld.
"Hey.. es wird schon wieder alles gut. Und das mit deinem Vater kriegen wir auch noch hin.", murmelte er.
Er musste mein aufgewühltes Gesicht gesehen haben.
"Ist schon gut. Hing grade nur ein bisschen in Erinnerungen."
"Ja.. aber auch das wird sich mit Sicherheit wieder entspannen", sagte er zuversichtlich.
"Naja weiß nicht."
Er beobachtete mich.
"Hast du dich entschieden? Also bei wem du schläfst?"
Röte stieg in mir auf. Sollte ich ihm jetzt einfach sagen das ich gerne bei ihn bleiben wollte? Wie peinlich.
"Äh ja denke schon. Es wäre wirklich okay wenn ich so lange bei euch bleibe?"
Er grinste mich an.
"Ja klar, bist immer willkommen. Hat mein Vater doch auch gesagt.", lachte er.
"Dann würdest du zu uns kommen?", fügte er hinzu und sah mich an. Er prüfte ganz genau meine Reaktion.
"Ja, das wäre super." Ich senkte den Kopf und schaute zur Tür an ihm vorbei. Meine Verlegenheit war nicht zu übersehen.
Daemon lachte und ich entdeckte die kleinen unschuldigen Grübchen in seinem Mundwinkel. Ich lächelte. In seiner Anwesenheit fühlte ich mich einfach sicher und geborgen. Als würde er sich wirklich freuen, wenn wir etwas mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Ich hoffte nur, das ich keine Last für ihn und seinen Dad war, denn das konnte ich niemals mit meinem Gewissen klären.

Eine Stunde später saß ich neben Daemon auf seiner Wohnzimmercouch. Ich chattete mit Franzi und berichtete ihr, was gestern und heute passiert war. Sie sah das alles viel entspannter als Naomi und machte kein Drama daraus. Sie war die Anwesenheit von Jungs wegen ihren ganzen älteren und jüngeren Brüdern gewöhnt. Trotzdem war es irgendwie absurd. Ich wohnte mehrere Wochen jetzt quasi bei Daemon einfach zuhause. Ich wusste nicht was Naomi dazu sagen würde, sie würde komplett ausflippen. Ob vor Neugierde oder nicht vorhandener Akzeptanz, konnte ich nicht sagen. Ich sah vor mir schon ihr entsetztes Gesicht, wenn ich ihr erzählte das ich mit einem der hübschesten Jungs die sie kannte, zusammenlebte.
Ich legte mein Handy zur Seite und beobachte Daemon wie er durch YouTube zappte und irgendwas zum anschauen suchte. Ich warf einen Blick auf seine Videovorschläge. Nur Autos. Wie langweilig. Er wechselte zu Netflix. Dann drehte er sich unerwartet zu mir.
Seine dunkelbraunen Augen verschlangen all meine Gedanken die ich eben noch gehabt hatte. Es gab nur noch ihn. Ich hätte ewig darin verweilen können, auch wenn ich wusste, das die gemeinsame Zeit für uns wahrscheinlich nur von kurzer Dauer war. Mein Handy vibrierte und eine neue Nachricht blinkte auf. Als ich sie las, weiteten sich meine Augen. Mein Herz setzte einen Schlag aus.
The good Times and the bad Ones, Kapitel 7- Ende

The good Times and the bad OnesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora