19 - Wiedersehen

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Liha war tief in Gedanken versunken und bereits halb im Sattel eingeschlafen, als eine laute Stimme Melishs Trupp anrief.

„Halt, wohin des Weges?"

Die Reiter zügelten ihre Pferde. Melish, der vorausgeritten war, brummte etwas Unverständliches, schlug aber dann einen versöhnlichen Ton an. „Wir suchen das Lager der Nachhut des königlichen Heeres. Mein Name ist Melish."

„Hm, kannst du dich ausweisen?"

„Das wird nicht nötig sein." Die neue Stimme war tiefer, und der Mann, der im Mondlicht zu Melishs Pferd trat, war sehr groß. „Melish, wir haben euch erwartet. Komm, ich bringe dich zum Wachoffizier. Deine Männer können ihr Lager da drüben am Waldrand bei meiner Truppe beziehen, wir haben genügend Platz in den Zelten."

Melish nickte, stieg vom Pferd und drückte Berim dessen Zügel in die Hand. „Tut was er sagt, und seht zu, dass ihr etwas Schlaf bekommt."

Die Männer folgten seinem Befehl, während er selbst mit dem Fremden davonging. Sie hatten das Lager der königlichen Truppen erreicht.

Sobald die Pferde versorgt waren und die Männer eine Unterkunft zugewiesen erhalten hatten, gingen einige davon, um Freunde zu suchen oder vielleicht sogar einen Becher Bier zu ergattern. Andere legten sich sofort hin. Liha wollte es ihnen eigentlich gleich tun und nur noch schlafen, aber Berim stieß ihn an. „Komm, lass uns einige Schritte gehen gegen die Steifheit vom Ritt."

Liha wusste, dass der Krieger recht hatte. Deshalb folgte er ihm ohne zu murren durch das Lager und über eine Wiese zum Waldrand. Unter einer mächtigen Eiche hielt Berim an, um das Lager zu überblicken. „Es ist ruhig hier. Fast etwas zu ruhig."

„Glaubst du, dass uns ein Angriff bevorsteht?" Nervös blickte Liha über die Schulter. Ein eisiges Kribbeln lief über seinen Rücken. Plötzlich wirkte der Krieg wie ein riesiges Monster, das bereit war, ihn mit seinen blutigen Zähnen zu zerfetzen und zu verschlingen wie ein unbedeutendes Insekt. Er schlang fröstelnd seine Arme um sich.

Berim drehte sich einmal um seine Achse, die Hand auf dem Knauf seines Schwerts. „Spürst du die Furcht, die in der Luft hängt?" Seine Stimme war nur ein gehauchtes Flüstern.

Liha nickte und zog den Mantel eng um sich, als könnte das Tuch ihn vor Unbill schützen.

„Etwas ist unterwegs. Was wir spüren ist die künstliche Furcht der Kreaturen, welche die Tannarí Kaedin nennen. Das Wort bedeutet kleine Dunkelheiten. Lass dir von ihnen nicht deine Gedanken vergiften. Die Angst, die sie ausstrahlen, ist nicht real. Sieh sie als Warnung an, aber lass dich nicht davon zu Unaufmerksamkeiten verleiten."

Berim starrte in die Tiefe des Waldes als ob er die Furcht, die nach seinen Gedanken griff, mit bloßer Willenskraft bekämpfte. Liha trat näher zu seinem Freund, entschlossen, dem Vorbild des Kriegers zu folgen und dem Drang, davonzurennen zu widerstehen. Je mehr er sich auf die unnatürliche Angst konzentrierte, desto bewusster nahm er ihre Fremdartigkeit wahr. Er schnappte flüchtige Bilder auf, die durch seine Gedanken flatterten wie vom Sturm getriebene Herbstblätter. Einen Moment lang erkannte er Monster mit scharfen Klauen und spitzen Zähnen, die nach ihm schnappten. Aber sie lösten sich auf, als er sich darauf zu konzentrieren versuchte, und nach einem weiteren Gedankensturm verblassten sie zu einer unbestimmten ängstlichen Vorsicht.

„Was hat sie vertrieben?" Aus Angst, die furchterregenden Bilder würden zurückkehren, traute er sich nicht, die Stimme zu heben.

Berim rieb sich das Kinn. „Ich weiß es nicht. Sie sind wohl noch hier, glaube ich. Aber etwas hat sich verändert."

In diesem Moment sah Liha das Licht. Es tanzte tief im Wald auf und ab wie ein bläulicher Leuchtkäfer. „Berim, was ist das? Siehst du das?"

Der Krieger schüttelte den Kopf. „Was meinst du?"

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt