„Oh daran habe ich keine Zweifel."
Er sah mich ernst an.
„Aber nur weil du es kannst, heißt es nicht dass du es musst. Nicht wenn du dich selbst auslaugst. Du musst dich ausruhen."

Doch da ließ ich nicht mit mir reden und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nach morgen werde ich mich für alle Ewigkeit ausruhen."
Naevan zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen.
„Nemesis-"
„Wir müssen zurück nach Traddis. Auch wegen dem Brief."

Zwar klappte der Hüter den Mund zu, aber er machte keine Anstalten nachzugeben. Störrisch erwiderte er meinen Blick.

Aber ich würde jetzt nicht schlapp machen. Morgen würde der Tod mich holen, aber ich würde einen Teufel tun, nicht auf dem Schlachtfeld zu sein, wenn Arnicus und Allstair angriffen.

„Arnicus greift morgen an. Wir müssen für die Schlacht bereit sein."
Naevan schnaubte verächtlich.
„Diese Welt ist mir egal. Sollen sie doch verlieren. Ich will nur deine und meine Rache."
Er ahmte meine Haltung nach.

Krachend trafen unsere Blicke aufeinander. Einer unnachgiebiger als der andere.

„Und ich will kämpfen. Bis zu meinem verdammten letzten Atemzug", presste ich hervor, „Und ich will dort sein, wenn Allstair angreift. Ich will seine Marionetten töten, wie ich es heute getan habe. Der Tod mag über mir schweben und diesmal kann ich ihm nicht entkommen, aber den einzigen Weg, in die Hölle, mit dem ich einverstanden bin, ist durch Blut."

Ich ließ ihn sehen, wie ernst ich es meinte. Hielt mich nicht zurück.
Sieh dem Monster ins Gesicht.
Das tat ich. Ich wusste, wer ich dank Allstair geworden war und das würde ich nie wieder begradigen können. Ich war eine Waffe, daran ließ sich nicht rütteln.
Aber ich würde als Waffe untergehen, die keinen Besitzer hatte. Ich führte mich selbst.
Bis zum bitteren Ende.

Naevans Kiefer zuckte, aber er kämpfte auf verlorenen Posten.
„Wie du willst", seufzte er.

Wortlos gingen wir ein paar Schritte auseinander und wandten uns in die Richtung, aus der die anderen gekommen waren.

Mit einer wegwischenden Handbewegung des Hüters verschwand die Illusion der Spiegelebene, sodass wir die anderen sehen konnten und sie uns. Eine Sekunde lang trauerte ich dem Frieden nach, der uns in der Kuppel umgeben hatte, aber es gab Wichtiges zu tun.

Prompt stolperte Drystan nach vorne, einen Arm erhoben, als hätte er auf die Kuppel eingeschlagen, wo die anderen mit unschlüssigen Mienen und verschränkten Armen dahinter standen.

Der Prinz fing sich und riss seinen Kopf zu mir.
„Nemesis! Geht's dir gut?"
Als ich knapp nickte, schoss sein Blick dunkel zu Naevan, der wieder eine gelassen, ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte. Auch ich hatte meine Mauern hochgezogen und jegliche Zeichen von Erschöpfung in meinen Zügen vertrieben

„Was habt Ihr gemacht?", wollte er an Naevan gewandt wissen. Dabei hatte es einen erstaunlich feindseligen Unterton.

Der Angesprochene hob nur die Augenbrauen.
„Was soll ich denn getan haben?"
„Ihr habt uns einfach ausgesperrt. Was sollte das?"
Naevan blieb ruhig, aber seine Miene wurde kaum merklich kühler.
„Ich habe Nemesis die Ruhe gegeben, die sie verdient."

Die Augen des Prinzen wurden schmal und er sah fragend zu mir. Als ich nur knapp nickte, wirkte er nicht unbedingt glücklicher.

Hinter ihm tauschten Aramis und Martell beunruhigte Blicke, wobei Aramis sich immer noch auf seinen Freund stütze. Er wirkte sehr blass, aber er schwieg.

Prinzessin Chara stand mit schwarzen Blut besudelt, wie wir alle, ein Stück hinter Drystan und verfolgte das Gespräch. Ihre Ringe waren wieder an ihrer Hüfte und reflektieren zusammen mit ihrer weißen Rüstung das Sonnenlicht.

„Und was war das für eine Nummer mit den Wellen?", brauste Drystan jetzt auf, „Ihr habt Magie. Und nicht nur irgendwelche, sondern die Magie der Götter, stimmt's? Ich hab es deutlich gespürt."

Naevan bestritt es nicht, aber ich sah ihn von der Seite an. Das erklärte auf jeden Fall seine übernatürliche Stärke. Ähnliches hatte ich mir auch schon gedacht, weswegen mich die Bestätigung nicht unbedingt überraschte.

„.Ich hüte sie, indem ich sie bei mir habe", erklärte Naevan, „Niemand kann an sie ran, außer ich gebe sie freiwillig."
„Wo wir auch direkt beim nächsten Punkt sind."
Drystan machte einen Schritt auf ihn zu, die Hände zu Fäusten geballt.
„Ihr habt gesehen, wie tief wir in der Scheiße stecken bei der Anzahl an Infizierten. Werdet Ihr uns die Magie jetzt geben oder nicht?"

Jetzt wurde Naevans Gesicht steinhart.
„Nein."
Einen Moment lang waren alle still, denn sie hörten die Endgültigkeit in seinen Worten.

Drystan explodierte als erstes.

„Bastard! Wollt Ihr uns etwa alle sterben und versklaven lassen?"
Mittlerweile war der ganze Körper des Prinzen angespannt.
Doch Naevan zeigte sich von dem anklagenden Ton unbeeindruckt.
„Diese Welt interessiert mich nicht."

Deystan bebte regelrecht, aber dann war er eine Sekunde still, ehe er leichenblass wurde. Langsam dreht er den Kopf zu mir.
„Aber... wenn du uns die Magie nicht gibst, kann Nemesis den Deal nicht erfüllen. Und dann..."
Er brach ab, also war es Chara, die es für in aussprach.
„Dann wird Nemesis sterben."

In meinem Gesicht war keine Regung, als ich den Schluss mit knappen Nicken bestätigte. Dennoch tobte die Angst in mir, obwohl ich mein frühzeitiges Ende akzeptiert hatte.

Für einen Moment waren alle geschockt, dann machte Drystan drohend ein paar Schritte auf Naevan zu.
„Wollt Ihr sie einfach dem Tod überlassen?! Denn das werde ich nicht zulassen!"

Dieser presste die Lippen kaum merklich aufeinander.
„Ich werde Euch die Magie nicht geben. Es ist sinnlos zu diskutieren."

Für einen Moment erdolchte Drystan den Hüter mit seinem Blick.
Dann schlug er Naevan mit der Faust ins Gesicht.

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Nemesis - Kronen und GötterOnde histórias criam vida. Descubra agora