Einer der Generäle, ein großer, bärtiger  Krieger an dessen Namen sich Pentim nicht erinnern konnte, erhob sich. „Das Heer ist bereit, mein König. Ich kann die Späher noch heute aussenden und die Vorhut morgen losmarschieren lassen."

„Danke, Dinesh. Ich hatte nichts anders von dir und deinem Stab erwartet. Nun gut. Ich werde in zwei Tagen ebenfalls bereit sein für den Aufbruch. Vorher will ich sicherstellen, dass die Stadt Penira sich verteidigen kann, falls ein Angriff erfolgen sollte." Er wandte sich Duwish zu. „Ich werde dir das Oberkommando über die Palastgarde und die Stadtwachen übertragen."

Der füllige Berater nickte ernsthaft und ohne eine Spur seines üblichen Lächelns. Zu Pentims Überraschung kam von den Kriegern kein Einwand. Sie schienen den unscheinbaren Duwish als Oberkommandierenden zu akzeptieren.

Mirim stand auf und stützte die Hände auf den Tisch. Sofort erhoben sich auch die anderen. Der König, der mit der promptem Reaktion wohl nicht gerechnet hatte, runzelte die Stirn.

„Nun gut. Die Vorhut mag losziehen, sobald sie bereit ist. Es wird besser sein, wenn unsere Krieger die Flüsse überqueren, bevor das großen Schmelzwasser eine Passage der nördlichen Furten erschwert oder unmöglich macht. Meldereiter sollen einen tägliche Kontakt mit dem Hauptheer gewährleisten."

„So sei es, mein König." Dinesh nickte zweien seiner Offiziere zu, die kurz salutierten und schweigend den Raum verließen. Es musste sich um die Anführer der Vorhut handeln.

König Mirim rieb sich nachdenklich das Kinn. „Damit ist wohl bereits das meiste gesagt. Ich werde mit meiner Eskorte morgen Abend im Feldlager eintreffen. Bereitet bis dahin alles für den Aufbruch vor."

„Wie mein König es wünscht." Delish runzelte die Stirn. „Es treffen aber immer noch Vorräte und Männer aus den entlegeneren Gebieten Kelèns im Lager ein. Das sind vor allem Handwerker und Bauern, die wir zu den Waffen gerufen haben."

„Das macht nichts. Sie können uns mit dem Vorratstross in einigen Tagen folgen, wenn wieder eine größere Gruppe beisammen ist. Sie werden zusammen mit einer regulären Abteilung die Nachhut bilden und uns den Rücken freihalten."

Delish und die anderen Offiziere tauschten Blicke aus. „Dann teilen wir uns am besten auf. Ginadim und Yanim werden die Neuankömmlinge erwarten und diese Nachhut organisieren."

Die beiden Männer nickten. „Wann sollen wir spätestens losziehen?"

Mirim blickte seinen Berater Katim an. „Sobald Katim es euch befiehlt. Er wird uns mit der Nachhit folgen. Wir werden über Boten miteinander in Verbindung stehen."

Ginadim, ein hagerer Mann im mittleren Alter mit einem strengen Gesicht, nickte. „Sehr gut. Wir werden bereit sein. Der Waffenmeister hat bereits heute morgen die neuen Rekruten der Wache ins Feldlager geschickt. Sie können also schon mit Delish ziehen."

„Ja, ich hatte ihn darum gebeten. Es sind nicht viele und ihre Ausbildung hat gerade erst begonnen, aber wir werden alle verfügbaren Männer brauchen, wenn wir diesem Krieg ein Ende machen wollen, bevor er das ganze Land überrollt. Gibt es noch Fragen?"

Niemand meldete sich.

„Gut, dann lasst uns diese Sache anpacken."

Pentim beobachtete, wie die Krieger das Ratszimmer verliessen. Er konnte beinahe das Knistern der Spannung spüren, die in der Luft hing. Als nur noch Katim, Duwish und der König anwesend waren, wandte er sich an seinen Vater.

„Bitte, Vater, lass mich mitreiten." Pentim konnte sich nicht vorstellen, im Palast zurückzubleiben, nicht, wenn sogar die neuen Rekruten zum Heer gestoßen waren. Er würde außer der Palastwache der einzige junge Mann in den Festungsmauern sein.

Mirim strich sich mit der Hand über den Bart. „Ich kann nicht, mein Sohn. Deine Mutter hätte es mir nie verziehen, wenn dir etwas passieren würde."

„Aber Mutter ist nicht mehr da, genauso wie Kerim. Deshalb wird es eines Tages an mir liegen, dieses Volk und dieses Heer zu führen. Wie können mich die Krieger jemals achten, wenn ich nicht an dem Feldzug teilnehme, während ein jeder von ihnen bereit ist, für Kelèn sein Leben zu geben?"

„Die meisten von ihnen hoffen, dass sie ihr Leben nicht hergeben müssen. Sie wünschen sich, dass der Krieg rasch vorbei ist und sie zu ihren Familien zurückkehren können." Der König sah auf einmal sehr müde aus. „Auch ich möchte einen Grund haben, hierher zurückzukehren. Abgesehen davon bleibt auch die Palastwache hier zurück, und Duwish wird deine Lektionen fortsetzen, während er sich darum kümmert, dass Penira unangreifbar bleibt. Es ist keine Schande, zur Verteidigung der Stadt beizutragen."

Pentim senkte den Kopf, aber am liebsten hätte er laut geschrien. Der König hätte keinen Moment gezögert, seinen verstorbenen Bruder Kerim mitzunehmen. Katim legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht erlaubt der König, dass der Prinz mir mit der Nachhut folgt."

Überrascht blickte Mirim seinen Freund und Berater an. Dieser zuckte die Schultern. „Der Prinz hat recht. Die Männer werden erwarten, dass der Sohn des Königs mit ihnen in den Kampf zieht. Besonders weil er in waffenfähigem Alter ist."

Der König senkte den Blick. „Nun gut. Ich lasse ihn in deiner Obhut, Katim. Sieh zu, dass er den Kampfhandlungen fernbleibt. Ich würde mir nie verzeihen, wenn meinem Sohn etwas passiert."

Die Freude, die bei Katims Intervention in Pentim aufgeflackert war, machte einem Gefühl des Erstaunens Platz. Zum ersten Mal seit Kerims Tod hatte der Prinz das Gefühl, dass seinem Vater  etwas am Wohlergehen seines jüngeren Sohnes lag.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now