11 - Rat der Hrankaedí

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Ein zustimmendes Murren ging durch die Reihen. Noak hatte sie still daran erinnert, dass auch die Hrankaedí von den Menschen zurückgedrängt worden waren, bis nur die sturmgepeitschten Höhen von Eshte und Eshekir ihnen noch Schutz und Freiheit boten.

„Was sollten wir tun, Noak?" Es war der junge Drachenschatten, der ihr schon bei ihrer Ankunft aufgefallen war, der sie nun aufmerksam anblickte.

„Wir können nicht viel tun, Salik." Ranoz' Stimme schnitt ihr das Wort ab. „Die Menschen werden nicht auf uns hören. Im Gegenteil — sie werden ihre Aggressionen gegen uns richten, wenn wir uns in ihre Konflikte einmischen."

Noak schnaubte ungehalten. „Ich verlange nicht, dass wir gegen die Menschen kämpfen. Aber vielleicht gibt es einen Weg, sie aufzuhalten, bevor das ganze Land verwüstet ist. Im Moment ziehen zahlreiche kleine Horden durch die Länder und zerstören, was sie antreffen, brennen ganze Dörfer nieder und lassen das Feuer ungehindert die Lebensräume der Tiere und der Wesen der Nacht vernichten. Wir sollten zumindest versuchen, sie zu stoppen."

„Und wie willst du das tun? Wir sind nur noch wenige. Wir können es nicht mit den Armeen der Menschen aufnehmen."

Noak schluckte ihren Ärger. „Wie gesagt, ich will nicht gegen die Menschen kämpfen, Ranoz. Aber wir sollten die Situation beobachte. Vielleicht werden die Menschen sich gegenseitig stoppen. Vielleicht ist eine große Schlacht, die den Krieg beendet, besser als tausend kleine Scharmützel?"

„Und vielleicht machst du dir zu viele Gedanken, Noak von Eshekir." Die Augen des Älteste waren zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen.

„Ich finde Noak hat recht, wir sollten zumindest wissen, was genau vor sich geht." Die unerwartete Unterstützung kam von einer Hrankae mit beinahe weißen Augen. „Wenn wir mehr wissen, fällt uns vielleicht ein, wie wir die Menschen gegeneinander ausspielen können."

Ranoz puffte schwarzen Rauch, aber dann nickt er. „Du hast recht Kuon. Also gut, Noak. Fliege  mit dem Einverständnis des Rats nach Norden und beobachte."

Der junge Salik blinzelte und stieß eine kleine Rauchwolke aus. „Ich werde mit dir fliegen, Hüterin von Eshekir."

„Gut." Ranoz schloss die goldenen Augen. „Noak und Salik reisen als Gesandte der Hrankaedí nach Norden, um zu sehen, wie sich die Menschen davon abhalten lassen, die Lebensräume der Kaedin und der Xylin zu zerstören. Hat jemand etwas hinzuzufügen?" Der mächtige Drachenschatten senkte den Kopf auf die Pranken und ein zustimmendes Schnauben ging durch die Reihen der Hrankaedí.

Noak hätte sich etwas mehr Begeisterung gewünscht, aber immerhin hatte sie nun einen offiziellen Auftrag. „Nun gut, Salik. Lass uns noch heute aufbrechen und herausfinden, was die Menschen vorhaben."

Ranoz schlug die Augen auf, die schrägstehenden Pupillen zu schmalen Schlitzen verengt. „Ich erwarte deinen Bericht, Hüterin der Höhen von Eshekir. Und dass ihr den Menschen so weit als möglich fernbleibt und euch nicht in Dinge einmischt, die uns Wesen der Nacht nicht betreffen."

Noak konnte gerade noch verhindern, dass sie mit den Zähnen knirschte oder Feuer atmete. „Ich weiß, dass du mit den Menschen abgeschlossen hast, Ältester. Wir werden die Hrankaedí und die anderen Wesen der Nacht nicht in Gefahr bringen. Möge der Mondbaum zu seiner alten Pracht zurückfinden und einer neuen Königin den Weg nach Silita-Suan weisen."

„Möge dein Wunsch in Erfüllung gehen, Noak von Eshekir. Guten Flug." Ranoz nickt ernsthaft.

Noak erwiderte seinen Blick und hob mit kräftigen Flügelschlägen ab. Während die Burg der Königinnen hinter ihr in der Dunkelheit versank, fragte sie sich, weshalb Ranoz zuletzt beinahe freundlich und versöhnlich geklungen hatte. Salik an ihrer Seite schien sich ähnliche Gedanken zu machen.

„Der Älteste schien besorgt. Nicht nur um die Xylin und Kaedin, sondern auch um dich."

Noak schnaubte. „Kaum. Ich denke, er macht sich vor allem Sorgen über die Leere in dieser Burg. Wenn die Königinnen nicht zurückkehren, wenn es keine Ahranan mehr gibt, wer übernimmt es dann, für die Wesen der Nacht einzustehen? Er hat recht, die Hrankaedí können nicht mit Menschen verhandeln."

Insgeheim fürchtete sie, dass ihr genau diese unmögliche Aufgabe bevorstand. Und das hatte sie  erst noch selbst verschuldet. Aber es brachte nichts, Salik ihren Zorn darüber spüren zu lassen. Der junge Drachenschatten war schließlich der einzige, der die Dringlichkeit ihrer Mission verstanden hatte und sich freiwillig an ihre Seite stellte.

Sie flog schweigend, bis die Glut ihres Ärgers etwas abgekühlt war. Am östlichen Himmel zeigte sich bereits ein blasser Streifen der Morgenröte. „Lass uns eine Höhle finden, wo wir den Tag verbringen können, Salik. Und danke, dass du mich begleitest. Zu zweit können wir vielleicht etwas ausrichten, wo ein einzelner versagen muss."

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now