Seine Hand drückte mein Kinn nach oben und ich war gezwungen ihn anzusehen. Gnadenlos sahen seine schwarzen Augen zurück und mir wurde kalt bei dem Wissen, ihnen ausgeliefert zu sein.

"Was hat er noch gesagt?"
Während er das fragte, strich er mit seinen Finger über mein Kinn, meinen Hals herab...
Meine Miene blieb ausdrucklos. Obwohl er mich berührte. Obwohl ich seinen Atem spürte.
"Er hat Kontakt zu einem Rebellen, der auch den kleinen Widerstand im See-Clan unterstützt, auch wenn sie sich nicht direkt an der Rebellion selbst beteiligen wollen. Andrew Losgard."
Allstairs Hand hielt auf Höhe meines donnernden Herzens inne.
"Es gibt keine Rebellen", sagte er und drückte seine Hand zwischen meine Brüste. Das Wummern, das er so zweifellos spüren konnte, strafte meiner teilnahmslosen Miene Lügen.
"Du hast ihr Lager vernichtet."
"Sie formieren sich neu", konnte ich hervorbringen, "Aus dem Untergrund."
Er nickte langsam. Die Hand ruhte immer noch besitzergreifend auf meinem Herzen.

"Du hast Angst", stellte er fest und seine Augen hoben sich funkelnd von meiner Hand zu meinem Gesicht, "Das ist gut."

~•~

Ein Stimme riss mich aus meinem Traum und ich fuhr keuchend im Bett hoch. So ruckartig, dass die Matraze unter mir wackelte.
Nein, das Wackeln kam von einer anderen Person, die sich gerade aufstützte.
Einem Mann.
"Du hast-"

Doch ich trat die fadenscheinige Decke beiseite und stand paar Sekunden später auf der anderen Seite des dunklen Raumes. Da es keine Fenster gab, bot eine einsame Kerze das einzige Licht und ich erkannte im Halbdunkeln nur breite Schultern, als der Mann ebenfalls aufstand und mit seinem Körper das Licht verdeckte, als er langsam, mit beruhigend erhobenen Händen näher kam.

Doch die Tatsache, dass er auf mich zu kam, brachte mich nur zum Zittern und ich wich schluchzend noch weiter zurück.
"Tu mir nichts", flüsterte ich kaum hörbar und sofort blieb der Mann an Ort und Stelle stehen.

Meine Brust hob und senkte sich. Ich wollte dieses Zimmer verlassen, weg von dem Mann, mit dem ich in einem Bett gelegen hatte.
Plötzlich war der Raum viel zu klein, es gab keine Fenster, die ich aufreißen konnte, um mir Erleichterung zu verschaffen.
Ich bekam keine Luft und meine Atemzüge wurden immer flacher und unregelmäßiger, während ich weiterhin wie Espenlaub zitterte.

Ich spürte seine Hände auf mir. In mir.

Der muskulöse Mann vor mir würde mich genauso benutzen. Und ich würde nichts tun dürfen, denn sonst drohte mir schlimmeres von Allstair. Ich durfte mich nicht wehren, nicht schreien...

Panik schlug wie eine Welle über mir zuammen und drückte mich unter Wasser. Meine Beine trugen mich nicht mehr und ich sank auf die Knie. Den gehetzte Blick auf meine Hände gerichtet.

Ich spürte seinen festen Griff um meine Handgelenke über meinem Kopf.

Hastig schloss ich die Augen, aber damit sorgte ich nur dafür, dass ich Allstair vor mir sah, wie er mich mit seinen Blicken verschlang.
Heiße Tränen der Verzweiflung rannen über meine Wangen und ich rieb mir über die Arme, in dem Versuch, glühende Berührungen abzureiben.

Der Mann stellte die Kerze vor mir hin und bei der plötzlichen Nähe, zuckte ich zurück, als hätte ich mich verbrannt. Mein gehetzter Blick schoss zu seinem Gesicht, das ich dank der Kerze nun erkennen konnte.

Er war ruhig und seine Stimme sanft, als er mich aufforderte: "Sieh dir die Kerze an."

Ich brauchte ein paar Sekunden, um seine Worte zu verstehen, doch dann tat ich hastig was er sagte.
Hatte ich zu lange gebraucht? Würde er mir jetzt wehtun?

Doch er machte keine Anstalten mich zu berühren oder näher zu kommen. Er blieb auf den Boden knien wie ich.
"Sag mit ganz genau was du siehst", sagte er leise, "Nimm dir Zeit. Dir wird nichts passieren."

Die Augen noch immer auf die flackernde Flamme gerichtet, zwang ich Luft in meine Lungen, um antworten zu können. Trotzdem war mein Stimme dünn.
"Die Kerze brennt. Das Wachs schmilzt."

Ich klang schwach. Aber das durfte ich nicht. Schwächen waren verboten.
In Erwartung einer Bestrafung zog ich den Kopf ein, doch der Mann blieb ruhig und bewegte sich nicht.
"Mach weiter. Es passiert nichts", ermutigte er mich.

Also machte ich zitternd weiter:
"Die Kerze ist schon halb heruntergebrannt. Das Wachs läuft füssig an ihrer Seite herab."
"Welche Farbe hat sie?"
"Weiß."

Er nickte, als hätte ich das gut gemacht und wollte jetzt wissen:
"Was hörst du?"
Blinzelnd lauschte ich. Ich vernahm leise Stimmen unter mir, mein eigenes rauschendes Blut und seine tiefen Atemzüge.
"Ich höre dich atmen", flüsterte ich, "Ich höre auch dein Herz."
Es schlug kräftig und regelmäßig in seiner Brust. Und irgendwie beruhigte mich das ein wenig.

"Du hast ein besseres Gehör, als so mancher Sterblicher", bemerkte er, "Gibt es etwas, das du riechst?"
Nachdem ich geschnuppert hatte, zog ich die Nase kraus: "Schweiß"

Sein leises Lachen lockerte meine angespannten Muskeln und ich merkte, wie die Panik langsam ihren Griff um mich löste. Stück für Stück fand ich zu mir selbst. Eine Scherbe nach der anderen sammelte ich auf und setzte sie wieder zusammen.

Zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten holte ich wirklich Luft und ich genoss den Sauerstoff in meiner Brust.

Endlich erkannte ich in den oberkörperfreien Mann vor mir als Naevan, dessen in der Dunkelheit schwarzen Haare vom Schlaf noch zerzaust waren. Geduldig sah er mir dabei zu, wie ich mich wieder aufbaute, bis ich ihn richtig ansehen konnte.
"Danke", sagte ich ohne jeden Ton in der Stimme. Ich fühlte mich leer, ausgelaugt.
Er neigte den Kopf: "Nichts zu danken. Ich weiß wie es ist, wenn die Panik einen im Griff hat."

Ich konzentrierte mich einfach darauf zu atmen, wobei ich die flackernde Kerze anstarrte.
Und ich wusste. Das kleine Licht, das gab es auch in mir. Eine kleine fast abgebrannte Kerze.
Sie war alles, was verhinderte, dass ich brach.

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now