Aber der andere sah mich skeptisch von oben herab an. Er war einen ganzen Kopf größer.
Du?"
„Ich hatte das Messer an deiner Kehle, vergiss das nicht", erinnerte ich ihn.
„Ich hatte es zuerst an deiner."

Ehrlich, ich konnte ihn nur anstarren, dass er sowas diskutierte und er sah mindestens genauso grimmig zurück.

Kiro sah zwischen uns beiden hin und her, dann deutete er mit den Händen eine Auszeit.
„Ok Kinder, das reicht. Wollen wir nicht lieber rein?Denn der Sturm sieht echt nicht freundlich aus."

Während mein gegenüber Kiro einen verärgerten Blick zuwarf, sah ich wieder zum Sandsturm in der Ferne. Er war ein gutes Stück näher gekommen, was nur vermuten ließ, wie stark er tatsächlich war.

„Das geht nicht", sagte ich entschieden, „Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Koranée. Der leymalische König ist auf dem Vormarsch."
Ich dachte an Drystan, der als Illusion vor mir aufgetaucht war. Und an Drystan, der mir einen Dolch in den Bauch rammte.
Nach einem Blinzeln war das Bild verschwunden  und ich fokussierte mich wieder auf den Mann, der meinen Einwand ausdruckslos zu Kenntnis nahm.

„Ich laufe ganz sicher nicht durch diesen Sandsturm", schnaubte er.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich wie Kiro die Hand hob. „Ich auch nicht."
Aber den Fährmann beachtete ich garnicht, sondern ließ meinen kalten Blick auf den Beschützer der Magie ruhen. Manch anderer Mann wäre jetzt zurückgetreten, aber dieser blinzelte nicht mal.

„Für jede Sekunde, die ich hier bin, stirbt ein Mensch da draußen und Arnicus ist seinem Ziel ein Stück näher."
Das ließ ihn genauso kalt. „Ich dachte, Moral interessiert dich nicht?"
„Nein", ich presste die Zähne aufeinander, „Aber ich hatte gehofft, dich vielleicht."
Der Mann lächelte, aber es erreichte nicht seine Augen.
„Weit verfehlt."

„Also wollen wir dann?", unterbrach Kiro unser Blickduell und wir drehten unsere Köpfe langsam zu ihm.
Mit einem knappen Nicken wandte sich der Fremde wieder zum Tempel und deutete uns ihm zu folgen.

Ich war ehrlich versucht ihm eine reinzuhauen, müsste ich mir nicht eingestehen, dass er den Angriff mühelos blocken konnte.
Er hatte mich im Tempel geschlagen.
Widerwillg brachte ihm das meinen Respekt ein, aber ich war auch wachsam, da ich jetzt wusste, wie gefährlich er war.

„Kennt ihr euch?", fragte ich an Kiro gewandt, als wir wieder in der muffigen Dunkelheit des Tempels verschwanden.
„Naevan und ich? Das ist relativ. Wir sind einfach beide in einem Deal mit demselben Gott geraten und müssen uns letztendlich beide um die Champions kümmern."
Naevan also.

Wieder in der riesigen Halle mit den weißen Säulen und dem kleinen Wasserfall am Ende, drehte Naevan sich in einer fließenden Bewegung zu uns um. Jede seiner Bewegungen zeugte von tödlicher Eleganz.

„Du solltest ein Bad nehmen."
Mit einer vagen Bewegung deutete er an mir hoch und runter, als würde das alles erklären.
Ich hielt mich davon ab, an mir hinab zu sehen. Schließlich war mir auch so klar, dass noch schwarzes Blut von den Skorpionen und Sand an mir  haftete.
Als ich nur grimmig schwieg, stellte sich Kiro neben Naevan.
„Im Ernst. Du stinkst nach diesen Skorpionen."

Seufzend sah ich zur gewölbten Decke.
„Na gut und wo soll ich das bitte tun?"
Naevan setzte sich in Bewegung. „Hier entlang."

Er führte mich zwischen die Säulen, wo ein weiterer Gang bis zu einer Grotte führte.
Es war ein vergleichsweise kleiner Raum, aber in seiner Mitte befand sich eine heiße Quelle mit dem gleichen, mit goldenen Adern durchzogenen Stein, wie in der Halle. Leises Plätschern füllte die Luft und vermittelte eine freundliche Atmosphäre.
Die mich absolut kalt ließ, mit dem Mann neben mir.

Nemesis - Kronen und GötterDonde viven las historias. Descúbrelo ahora