Auch ich sah auf meine Hand, ehe ich sie neben meinen Körper fallen ließ.
„Ich hatte darüber gelesen. Ihr Götter schenkt uns Magie und wir schenken euch Energie."
Riniah nickte. „Es ist immer ein Gleichgewicht. Je mehr Magie ihr verlangt, desto mehr Energie nehmen wir uns."
Ich hob die Hand schwach an. „Ist das das, was passiert, wenn Ihr meine Energie nehmt?"

Wieder ein Nicken, wobei ein wachsames Funkeln in ihre Augen getreten war.

Aber ich ging fürs erste nicht darauf ein, denn jetzt kamen die Erinnerungen an die Schlacht zurück und meine schwarze Hand begann zu zittern.
„Ich habe die Infizierten umgebracht. Hunderte."

Einen Moment lang musterte sie mich, dann trat sie anmutig heran und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. Ihre Haut war kalt.

„Ohne dich wären die Soldaten gestorben. Das konntet ihr nicht gewinnen."
Verzweifelt sah ich zu ihr auf. „Aber gibt es denn keinen anderen Weg? Können wir sie nicht irgendwie heilen?"
Traurig senkte sie den Blick.
„Ich fürchte nein. Nicht mit der wenigen Magie, die ich jetzt habe."
Ich horchte auf. „Aber mit den Teil, den Nemesis beschafft?"

Nachdenklich starrte die Göttin ins Leere, aber dann nickte sie langsam.
„Mit der Magie kann ich eine physische Form annehmen und Arnicus' Magie im Inneren der Infizierten zerstören, sodass sie wieder normal werden.... vielleicht. Ich weiß es nicht, aber ich könnte es versuchen."

„Das müsst Ihr!", ich machte einen Schritt vor, „Die Menschen sind unschuldig!"

Riniah nahm die Hand von meiner Schulter und verschränkte die Arme locker hinterm Rücken.
„Ich werde mir Mühe geben. Aber ich verspreche nichts. Mein Sohn ist nicht zu unterschätzen."

Kurz musterten wir uns gegenseitig. Riniah stand in stolzer Haltung da, die Schultern gestrafft, das Kinn ein wenig gehoben. Dagegen fühlte ich mich klein und unbedeutend. Vor allem, da ich die göttliche Macht spürte, die von ihr ausging.

„Ihr sagtet mir, die Geschichte unserer Religion, sei falsch. Was ist wirklich im Krieg der Götter passiert? Warum tut Arnicus all das?"

Zu meiner Enttöuschung schüttelte die Göttermutter den Kopf.
„Du bist noch nicht bereit. Fokussiere dich auf die Aufgabe, die Grenzen zu halten... bis Nemesis mit der Magie zurückkehrt."

Mir entging der skeptische Unterton nicht.
„Sie schafft das",  versicherte ich an der Stelle meiner Freundin.
Riniah wirkte wenig überzeugt: „Es gab welche vor ihr. Sie ist nicht die erste, die sich auf die Mission gewagt hat."

Daran bemessen, dass die Götter die Magie immer noch nicht hatten, konnte man sich denken, was mit den anderen passiert war.

„Nemesis ist stark."
„Das bezweifle ich nicht. Aber sie ist weder dem Land noch dem koranéeanischen König treu. Sie tut das nur für ihre Rache, aus Eigennutz. Deswegen ist sie leicht für meinen Sohn auf die andere Seite zu ziehen."
Meine Augen wurden bei dieser Unterstellunf schmal.
„Sie würde sich niemals auf Allstairs Seite stellen."

Doch Riniah blieb bei ihrer skeptischen Haltung. Statt die Diskussion jedoch weiter zu führen, winkte sie knapp.
„Es wird Zeit aufzuwachen."

Ich schlug die Augenbrauen auf und schoss hoch. Gerade noch schaffte es Chara mir auszuweichen, sodass mein Kopf nicht gegen ihren schlug.
„Drystan!", machte sie überrascht, aber da starrte ich schon auf meine Hand.

Ich hatte auf einer Matte in einen der aufgebauten Zelte unseres Lagers gelegen. Hier wurden die Verletzten versorgt, aber ich war der einzige. Alle, die bei der Schlacht verwundet worden waren, waren infiziert und von mir vernichtet worden. Auch diejenigen, die noch in der Verwandlung gewesen waren.

Man hatte mir meine Rüstung ausgezogen, sodass ich oberkörperfrei war. Meine Stiefel standen neben der Matte, sowie ein Hemd. Die Hose hatte ich noch an.

„Wir haben es gesehen, als wir dir die Rüstung ausgezogen haben", murmelte Chara mit dem Blick auf meine schwarze Hand, „Xenos meinte, du hast zu viel Magie benutzt. Es hat dir zu viel Energie genommen."
Seufzend nickte ich und ließ die Hand wieder fallen.
„Das hat Riniah mir auch erklärt."

Als ich die Prinzessin kurz musterte, entging mir nicht der abgekämpfte Ausdruck. Sie sah aus, wie ich mich fühlte.

Vermutlich las sie auch in meinen Zügen, denn sie Streife kurz meinen Arm.
„Die Tode sind nicht deine Schuld. Du hast uns gerettet."
Ich wollte gerade antworten, da wurde die Zeltplane laut zurückgeschlagen und der General Lasberc streckte grimmig den Kopf herein.
„Ist er wach?"
Chara bejahte.

„Gut. Dann versammelt euch im Offizierszelt. Es gibt schlechte Nachrichten."

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt