Kaltstart

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„Lucia! Jetzt komm endlich mal runter!" ich seufzte. Mütter können manchmal sowas von nervig sein. Ich stand von meinem Schreibtisch auf und rannte die Treppe runter. „Stampf nicht so!" Meine Güte. Hatte meine Mutter eigentlich noch etwas an mir auszusetzen? Langsam ging ich in die Küche, wo meine Mutter saß. Sie hatte genau so wie ich lange, braunblonde Haare und Augen, die leicht gelblich waren. Wir konnten beide in Unterhaltungen unsere Gesprächspartner ganz schön irritieren. Doch gerade blickte sie einfach nur ernst. „Setzt dich." sie deutete mit einem Nicken auf den Stuhl gegenüber von Ihr. Genervt ließ ich mich auf diesen plumpsen. „Was ist denn los? Ich wollte gerade" hier unterbrach ich mich kurz. Eigentlich hatte ich ja gerade am Computer gespielt, aber das musste Mutter ja nicht unbedingt Wissen, oder? Also vollendete ich meinen Satz mit: „Hausaufgaben machen." „Darüber wollte ich ja mit dir reden." meine Mutter schien zwar nicht sehr an diesem Gespräch interessiert, sah mich aber dennoch an. „Du wirst die Schule wechseln." Dabei sagte sie das so, als würde sie mir verkünden, dass wir morgen in den Zoo gehen würden. Ich sah sie ungläubig an. „Bitte was?" Meine Mutter seufzte, als würde ich eine ganz einfache Matheaufgaben nicht verstehen. „Du. Wirst. Die. Schule. Wechseln." Mein Hirn brauchte eine Weile, um das gesagte zu verstehen. „Wohin?" fragte ich leise. „Bayern. Ludwigsthal." Ich starrte meine Mutter nur noch an. Bayern? Das waren sieben Stunden von hier! Das kann doch nicht ihr ernst sein, oder? „So." meine Mutter nahm den Autoschlüssel und ihre Handtasche vom Tisch. „Ich fahre jetzt zur Arbeit. Du packst bitte deinen Koffer, wir fahren dann morgen früh los." Sie ging zur Haustür. „Achso und" rief sie schon im Rausgehen, „Es ist natürlich ein Internat." Damit ließ sie mich dann in der Küche stehen. Und ich musste erstmal verarbeiten, was sie gerade gesagt hat.
Ich stand ungefähr zehn Minuten einfach da und musste verarbeiten, was sie mir gerade verkündet hatte. Ich würde auf ein Internat gehen. In Bayern. Und alle meine Freunde würden hierbleiben. Und das nur weil... Ja, warum eigentlich? Meine Mutter hatte mir keinen Grund für den Schulwechsel gesagt. Ich wurde sauer, und schlug kurzerhand ein Glas gegen die Wand. Uups. Aber das konnte Mutter dann wegräumen. War ja schließlich bald auch nicht mehr mein Problem was hier passiert, wenn ich auf ein Internat gehen würde. Mit hängendem Kopf ging ich die Treppe hoch in mein Zimmer. Dort legte ich mich in mein Bett, und schlief kurzerhand ein.

Ich glitt schnell über das Wasser. Meine Füße bewegten sich wie Ruder unter der Wasseroberfläche. Da! Am Grund des Flusses sah ich eine leckere große Muschel und tauchte ab. Pfeilschnell bewegte ich mich durchs tiefe Wasser, und fand schließlich, was ich suchte. Mit der Muschel im Schnabel schwamm ich zum Ufer, und watschelte heraus. Als ich schließlich nach unten Sah, hatte ich keine Entenfüße mehr, sondern sah nackte Füße und ebenso nackte Beine eines Menschen. Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und begann, die Muschel genüsslich zu verzehren. Im Hintergrund hörte ich ein durchdringendes Klingeln, vielleicht von einem -

Ich schreckte hoch. Mein Bett war zerwühlt, meine Haare zerzaust und was ich mit meiner Kleidung im Schlaf gemacht habe weiß ich auch nicht. Und wieso zur Hölle lagen da Federn im Bett? Und mein Handy klingelte. Ich tastete mit einer Hand auf dem Nachttisch danach, und ging dann schließlich ran. „Mhm?" meldete ich mich verschlafen. „Hi Lu, ich bin's. Ich Habe dir schon mehrere Nachrichten geschickt, was hast du denn gemacht?" Ich sah auf die Uhr. Es war schon fünf Uhr am Nachmittag! Ich hatte mich gegen zwei ins Bett gelegt, heute war Sonntag- ich war also nicht in der Schule. „Hi Coko. Ich bin ein bisschen eingeschlafen." verteidigte ich mich und musste gähnen. Coko lachte. Er war mein bester Freund, seit wir zusammen in den Kindergarten gegangen sind. Für mich war Coko wie ein großer Bruder, er war einfach immer für mich da. Und jetzt musste ich auf ein Internat. Ohne ihn. Ich schluchzte kurz, als mir die Tragweite der Entscheidung meiner Mutter bewusst wurde. „Hey," Coko klang besorgt. „Was ist den los?" Leise erzählte ich ihm, was meine Mutter mir verkündet hatte. Als ich fertig war, blieb es am anderem Ende der Leitung erstmal Still. „Coko?" fragte ich vorsichtig. „Das ist übel. Seh sehr übel." bekam ich als Antwort. „Aber hey, sieh mal." versuchte er mich zu beruhigen, als ich wieder anfing zu weinen. „Wir haben Telefone, und du hast da sicher auch Ferien. Dann können wir uns besuchen, und wir telefonieren einfach jeden tag, versprochen. Du schickst mir ganz viele Fotos und ich erzähle dir, was hier so passiert. Und gemeinsam zählen wir die Tage bis zu den Ferien. Ich nickte, und wischte mir die Tränen von den Augen. „Is ok." stimmte ich dann zu. „Du Lu, ich muss auflegen. Wir schreiben, in Ordnung?" So verabschiedeten wir uns, und ich begann schweren Herzens meinen Koffer zu packen.

Breite deine Flügel aus- und fliegWhere stories live. Discover now