„So leicht kann es nicht sein."
Ein Drittel meiner Brüder und Schwestern zu ermorden nennst du leicht?
Nicht, dass ich Erfahrungen hätte die Mimik eines Drachens zu lesen, aber er klang nicht wütend.
„Wieso gibts du es mir einfach?", fragte ich statt einer Antwort.

Seine Flügel raschelten als er sich bewegte.
Du hast dich als würdig erwiesen.
„Weil ich die anderen Monster umgebracht habe?"
Weil du deine größte Angst überwunden und die Monster besiegt hast. Und weil du mit deinen Freunden gestern den Rückzug angetreten bist.

Zwar zeigte sich meine Verwirrung nicht, aber der Drache erklärte trotzdem:
Du willst dieses Amulett, aber nicht auf Kosten anderer. Und du hast Arnicus' Magie widerstanden, sonst hättest du die Fähigkeiten nicht, die du hast.
Das Tier machte ein Bewegung mit den Flügeln, das einem Schulterzuckend glich.
Du hast die Prüfungen auf dem Weg bis hierhin bestanden. Wer bin ich, um dir das Amulett zu verwehren?

„Du bist nicht wütend."
Es war eine Feststellung, aber der Drache ging trotzdem darauf ein.
Sie sind meine Brüder und Schwestern, weil wir alle Arnicus' Magie in uns tragen. Aber Blut ist nicht immer dicker als Wasser. Mich bindet nichts an sie.

Meine Augen glitten über das Monster. Seine Muskeln waren entspannt, die Flügel angelegt und der Blick ruhig, wenn auch wachsam.

„Aber du bist anders. Du kannst sprechen."
Stimmt. Mein Körper verträgt die Magie besser als der Rest.
Kaum merklich runzelte ich die Stirn.
„Wie meinst du das?"
Wieder ein Flügelzucken.
Die Seuche, wie ihr sie nennt, überträgt sich von einem Menschen zum nächsten. Jedes Mal passt sie sich dem menschlichen Körper ein wenig mehr an, bis die Kette so weit vorangeschritten ist, dass der Träger sie selbst nutzen kann ohne direkt zu sterben.

Ich erinnerte mich an das, was Adeena gesagt hatte. Eine Soldatin Allstairs, die versucht hatte den Prinzen zu ermorden, was ich hatte verhindern können.
Sie hatte gesagt, dass die Körper der Seuche besser standhielten. Und es war mehrmals vorgekommen, dass Infizierte mit mir gesprochen hatten.

„Aber Arnicus Magie zehrt doch von euch, oder nicht?", wandte ich ein, „Das heißt früher oder später sterbt ihr trotzdem wie Infizierte?"
Der Drache nickte.
Ja. Nur sehr langsam und mit viel weniger Schmerzen. Die Magie zehrt an unserer Lebensenergie und irgendwann sterben wir.

Bevor ich weiter nachfragen konnte, nickte er ungeduldig zum Amulett vor mir.
Mir wäre es lieber, dich aus der Höhle zu wissen.

Das könnte eine Falle sein. Die Höhle könnte mit irgendeiner Magie zusammenstürzen, sobald ich das Schmuckstück nahm. Der Drache konnte mich doch noch angreifen. Das Amulett könnte giftig sein.

Ich stieß die Luft aus, sandte einen gedanklichen Mittelfinger an die Götter und nahm das Amulett aus der Luft.
Mit angehaltenen Atem wartete ich, nichts passierte.

Der Drache gab ein belustigtes Schnauben von sich, aber ich ignorierte dies.
„Danke", sagte ich knapp, „Wenn du mich dann gehen lassen würdest..."
Warte noch einen Moment.

Er machte keine Anstalten sich zu bewegen, also war ich weiterhin von seinem Körper gefangen. Misstrauisch sah ich wieder zu ihm hoch.

Versprich mir, wenn du die Macht der Götter findest und sie ihren Trägern zurück gibst, es nur zum Wohle der Welt zu tun.

Das Amulett fest in der Hand sah ich zu dem majestätischen Tier hoch. Es wandte mir seinen Kopf mit den stechend grünen Augen direkt zu und fixierte mich. Ich sah die Hoffnung darin.

So ein Versprechen kann ich dir nicht geben", gestand ich und machte mich auf einen Angriff seinerseits gefasst, „Ich tue das hier für mich."

Doch der Drache blinzelte nur und wich zurück, bis er wieder normal vor mir stand und ich mich wieder frei bewegen konnte.
Dann hoffe ich, dass du dein Ziel erreichst.

„Wie... du hältst mich nicht auf?"
Der Drach neigte den Kopf.
Du tust das nicht für die Götter. Darin unterscheidest du dich von den anderen.

Nun, man schaute einem geschenkten Gaul nichts ins Maul.
Also wich ich in Richtung Ausgang zurück ohne dem Drachen den Rücken zuzukehren oder seine Entscheidung zu hinterfragen.

Eins noch.
Ertönte es, als ich fast draußen war. Widerwillig blieb ich stehen.

Ich will dir einen Rat für die weitere Reise geben:
Traue deinen Göttern nicht.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt