49. Der nächste Morgen

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Ich tausche meine schwarze Sportleggins und mein weites graues Tshirt gegen eine blaue Sportleggins und ein weißes Tshirt. meine Haare binde ich mir in einen Zopf und gehe dann wieder nach unten und betrete die Küche. Ich hole Eier aus dem Kühlschrank und fange an Rührei vorzubereiten. Außerdem decke ich den Küchentisch. Dann setze ich mich an den Tisch und warte darauf Geräusche von oben zu hören.

Sobald ich etwas höre, stehe ich wieder auf und toaste die Brote und brate das Rührei an. Pünktlich als ich alles auf die Teller verteile, kommen Joe und Phil in die Küche. Ich weiß nicht genau, warum ich jetzt Frühstück vorbereitet habe. Vermutlich weil ich nicht untätig rumsitzen wollte. Und wahrscheinlich auch, damit ich die Jungs in eine bessere Stimmung versetze. Und weil ich einfach Lust darauf hatte.

Joe drückt mir einen Kuss auf den Scheitel, während von Phil nur ein "Guten Morgen" kommt. Ich erwidere beides und wir setzen uns an den Tisch.

"Ist Noah weg?", fragt Joe und startet damit das Gespräch. Ich nicke. Ich dachte, dass wäre besser, damit Phil nicht ausrastet. Füge ich in meinen Gedanken hinzu. Joe schaut zwischen Phil und mir hin und her. Ich weiß genau, dass keiner von uns den ersten Schritt machen will. Aber ich bin auch der Meinung, dass ich hier keine Schuld trage. Phil ist ausgerastet und weggerannt, nicht ich.

Das Frühstück vergeht schweigend. Wir sitzen beieinander und ich sehe Joe an, dass er etwas sagen will, aber er sich immer wieder dagegen entscheidet.

"Jetzt sag endlich, was du sagen willst!", sage ich bevor ich den letzten Bissen in meinen Mund schiebe. Joe guckt mich kurz überrascht an. Dann räuspert er sich und startet: "Hört auf euch anzuschweigen! Sprecht miteinander! Sagt was euch stört und klärt es einfach. Denn das hier ist nicht auszuhalten!"

Ich blicke zu Phil, der mich auch anschaut. Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch. Ich bin immer noch der Ansicht, dass nicht ich hier den ersten Schritt machen muss.

Phil seufzt und fängt dann an: "Es tut mir leid, dass ich ausgerastet und rausgestürmt bin!" Das ist alles. Mehr sagt er nicht. Ich glaube ihm, dass es ihm Leid tut, aber genauso bin ich mir sicher, dass er es wieder tun würde.

"Warum? Warum hast du das gemacht? In London warst du es, der mir gesagt hat, das Noah etwas für mich empfindet und ich etwas in Noah sehe. Du warst es, der gesagt hat, dass du Noah für immer dankbar sein wirst. Und du hast gesagt, dass Noah mich glücklich macht. Also warum? Warum warst du so schockiert und bist so ausgerastet?", frage ich und werde dabei immer lauter.

"Weil es egal ist, ob er dich glücklich macht oder nicht! Noah ist in einer Gang. Das ist nicht legal. Außerdem weißt du nicht, was er schon alles gemacht hat! Die Gangszene verändert Menschen und macht sie zu schlechten Menschen."

Ich bin schockiert von Phils Worten. "Ihr seid auch in einer Gang!", erinner ich ihn.

"Ich weiß! Und das ist schlimm genug. Ich weiß, dass auch wir nicht gut genug sind für dich. Wir, oder besonders ich, haben schon wirklich viele schlimme Dinge getan auf die man nicht stolz sein kann. Deshalb verdienen auch wir dich nicht. Aber wir haben das Glück, dass wir mit dir verwandt sind. Aber nur weil wir dieses Glück haben, heißt es nicht, dass ich nicht versuchen werde, dich von der ganzen Gangszene und das beinhaltet Noah fernzuhalten."

Ich merke, dass Phil nicht nur Wut auf Noah in sich staut, sondern auch auf sich selbst. All der Hass, den er auf Noah projiziert, ist eigentlich gegen ihn selbst gerichtet.

"Phil?" - sage ich ruhig und lege meine Hand auf seinen Unterarm - "die Gang macht dich nicht zu einem schlechten Menschen! Allein der Punkt, dass du nicht stolz auf diese Dinge bist, zeigt, dass das nicht dein wirkliches Ich ist. Ich weiß wirklich wenig über die Gangszene, aber ich weiß, dass du und auch Joe, aber auch Noah keine schlechten Menschen seid! Und die Entführung ist nicht deine Schuld! Es ist egal, ob ihr in einer Gang seid oder nicht. Niemand hat das Recht jemand anderen seiner Freiheit zu berauben. Und auch  nicht das Recht jemanden in all das mit reinzuziehen, der das nicht möchte!"

"Es tut mir alles wirklich Leid! Ich will doch nur das Beste für dich!", sagt Phil leise und schaut mir dabei nicht in die Augen.

"Guck mich an", sage ich und tatsächlich hebt er seinen Blick und schaut mich mit einem traurigen Blick an. "Das Beste für mich, ist hier zu sein! Bei euch beiden. Und bei Alicia und Hailey. Und ja auch bei Noah. Ich weiß, dass Noah und du eine Vergangenheit habt, aber ich habe auch eine Vergangenheit mit Noah. Er hat mich mehrfach gerettet. Und er hat mich von Anfang an zum Lachen gebracht. Und er macht mich einfach glücklich."

"Ich weiß! Ich glaube es fällt mir einfach schwer dich ziehen zu lassen. Es war alles immer ein Wettkampf zwischen mir und Noah oder auch den Dark Angels und den Black Shadows. Und jetzt fühlt es sich an, als würde ich dich verlieren."

"Aber das tust du nicht! Ich bin, bleibe und werde für immer deine Schwester sein und daran wird sich auch nichts ändern. Ich glaube sogar, es ist für euch von Vorteil, dass Noah mein Freund ist!"

"Inwiefern soll das ein Vorteil sein?", fragt Joe.

Ich grinse: "Naja, auf der einen Seite wisst ihr, wie gut er kämpft, das bedeutet, er kann mich beschützen. Und auf der anderen Seite könnt ihr, wenn er etwas tut, was ihr nicht wollt, mit ihm in den Ring treten."

"Aus dieser Perspektive habe ich das noch nicht gesehen!", antwortet Phil jetzt auch grinsend.

"Wie schnell wirfst du denn jetzt deinen Freund in den Ring?", fragt Joe lachend.

"Ich sage nicht, dass ich dafür bin, aber ich weiß, dass ihr immer hinter mir steht und ich mich auf euch verlassen kann."

Wir fallen in eine Gruppenumarmung. Ich bin froh, dass ich jetzt auch alles mit Phil geklärt habe. Ich weiß, dass die beiden nach wie vor nicht die größten Fans von Noah sind, aber ich bin mir sicher, dass sie unsere Beziehung akzeptieren und ihn auch mit der Zeit lernen zu akzeptieren. Dennoch weiß ich, dass wir auch noch einiges besprechen müssen, denn die verfeindeten Gangs existieren immer noch.

Wo gehöre ich hin?Where stories live. Discover now