Ich kaue auf meiner Unterlippe, sehne mich nach seiner Berührung auf ihr. Ja, es ist ein Kompliment, aber das werde ich ihm nicht einfach so unter die Nase reiben. "Du hattest mir gesagt, ich sei wertlos - ist das Antwort genug?"
"Du lässt den Kontext weg", wirft er augenblicklich ein, die Augen aufgewühlt geweitet. "Du denkst doch nicht wirklich, dass das ehrlich war?"
"Sag du es mir."

"Da gibt es nur ein Problem - ich bin kein Mann großer Worte."
Im nächsten Moment greift er nach meiner Hand, verschränkt sie miteinander, dann sind wir so nah am Ufer, dass ich die Steine an meiner Fußsohle spüre. Bevor ich protestieren kann, - ich möchte noch nicht gehen - packt er mich an der Hüfte, zieht mich an sich, sodass ich jeden seiner Atemzüge spüre, sein heißer Atem meine Lippen streift. Mein Herz klopft aufgeregt in meiner Brust, wartet sehnsüchtig darauf, dass er die Distanz zwischen uns überwindet. Komm schon, Ash, spann mich nicht so auf die Folter!

"Zu meinem Glück sagen aber Taten mehr als Worte", murmelt er.
Dann sei doch ruhig und küss mich endlich.

Als könnte er in meinen Gedanken lesen, gibt er sich einen Ruck, bettet seine Lippen auf meine. Zunächst behutsam, mehr fragend. Ich vergrabe meine Finger in seinen nassen Haaren, bringe sie völlig durcheinander, gebe ihm zu verstehen, dass es keinen Grund zum Zögern gibt. Ich will diesen Kuss, seine Nähe, alles von ihm - am meisten das Gefühl, nicht alleine zu sein, bei ihm zu sein. Zu wissen, dass er mich stützt, mir den Halt gibt, den ich brauche, wortwörtlich. Ich schlinge meine Beine um ihn, ziehe ihn so nahe, dass kein Hauch an Zweifeln zwischen uns passt. Er wird fordernder, hungriger, verlangender - und pausiert abrupt, als ich nach Luft lechze, weil ich vergessen habe, wie man atmet.

"War das Antwort genug?" Ich lege den Kopf schief, täusche vor zu überlegen, derweil ich meine Lunge beruhige. Ashs Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. "Muss ich etwa noch deutlicher werden?"
Sein amüsierter Blick treibt mich in den Wahnsinn.
"Wir sollten lieber keine Missverständnisse zurücklassen", bringe ich atemlos hervor, auch wenn meine Beine eine andere Sprache sprechen. Sie sind wackelig, schmelzen unter seinen Blicken geradezu dahin, haben bereits verloren.

"Definitiv nicht."
Kurzerhand hievt er mich auf den Steg, lässt seine Hand von meiner Taille zur Hüfte gleiten, während meine Finger seinen Rücken erkunden, das Schulterblatt, die Muskeln und dann verharren. Unsicher runzele ich die Stirn, taste nochmals über die Stelle, kann das Pochen meiner Magie nicht länger verleugnen. "Sind das...?"

Ich traue mich nicht, meine Vermutung auszusprechen. Mit nur einer Bewegung zieht Ash das Shirt über den Kopf, dreht sich um. Auch wenn das Mondlicht mir sicherlich einiges verwehrt, erkenne ich mühelos die silbern schimmernden Linien auf dem Rücken, manche hingegen sind noch weniger verheilt. "Ich habe nicht immer gemacht, was Lucius von mir wollte."

Vorsichtig fahre ich eine Narbe nach, kann mir förmlich das Schwert vorstellen, das sich in seine Haut gebohrt hat. Acht, neun, dann noch die jüngste Wunde genau auf der Wirbelsäule. Das hat seine Magie mit ihm gemacht, dazu hat ihn seine Rache getrieben.

"Talia,..." Er merkt mir meine Machtlosigkeit über jegliche Worte an, streift mit seinen Lippen mein Ohr. "...wir finden einen Weg. Für Luan, für dich. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber."
"Es ist nicht so, als könnte ich meine Gedanken einfach abschalten."

Er zögert für den Bruchteil eines Moments, äußert seine Worte bedacht. "Soll ich dich auf andere Gedanken bringen?"
"Ich wünschte, du könntest."
Ash grinst, zieht herausfordernd eine Augenbraue in die Höhe. "Du unterschätzt mich."

Langsam, kontrolliert, beinahe mit äußerster Vorsicht schiebt er seine Hände unter mein Kleid, als wolle er jede meiner Regungen studieren, um seine Grenzen zu erfahren. Welche Grenzen? Ich verfolge seine Finger mit meinen Blicken, lechze nach mehr.
"Weißt du, wie ein Mann eine Frau befriedigen kann?"

Mit seinem himmlischen Essen? Oder diesem ansehnlichen Anblick seines nackten, perfekt trainierten Oberkörpers? Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe, entnehme seiner zarten Berührung an den Innenschenkeln, dass ich vollkommen daneben liege.

"Ich glaube nicht, dass wir das Gleiche im Kopf haben", gestehe ich.
"Ich kann es dir erklären...", schlägt Ash vor, sein Adamsapfel zuckt. "...oder ich kann es dir zeigen."

Sein Finger stoppen, als ich nicht augenblicklich antworte, überlege. Dabei hat mein Körper sich bereits entschieden, will keine Worte, sondern seine Berührungen.
"Ich vertraue dir."
Ashs Augen funkeln und doch liegt in ihnen ein so dunkler, begehrender Schimmer. "Und ich vertraue dir damit, dass du mir sagst, wenn du nicht mehr willst."

Erst als ich nicke, wandern seine Finger quälend langsam weiter, ziehen den Stoff meines Kleides hoch. Ich gebe mir alle Mühe, meinen Atem zu kontrollieren, diese fremde Ungeduld in mir zu beherrschen. Ash spreizt meine Beine ein wenig mehr, ist die Ruhe in Person. Ich will ihn näher ziehen, doch er schüttelt den Kopf. "Es geht um dich. Nur um dich." Er erstickt meinen Protest mit seinen Lippen und doch kann ich sein Lächeln auf meinen spüren. "Du machst dir zu viele Gedanken um Andere, Talia."

Ein zaghaftes Nicken, auf was habe ich mich da eingelassen? Ich weiß es nicht und doch fürchte ich mich nicht vor der Ungewissheit. Ich vertraue ihm bereits mit meinem Herzen, warum nicht auch mit meinem Körper?

Ich lasse mich fallen, übergebe ihm die Kontrolle, zweifle nicht einen Moment, als er mich vollkommen entblößt.
Dann ist da das Geschick seiner Finger, die Künste seiner Zunge auf mir, in mir, überall, ertränkt mich in einer Wonne, einem Zustand, den ich noch nie gefühlt habe - und ich möchte nicht, dass es endet.

Mein Körper bäumt sich ihm entgegen, reagiert wie von selbst auf seine Berührungen, Bewegungen. Er bringt mich an den Rand meiner Beherrschung, entlockt mir solch ein Verlangen - nein vielmehr eine Lust -, dass ich nicht weiß, ob ich am liebsten die Zeit anhalten oder vorantreiben will. Ich weiß nur, dass es sich komisch anfühlt. Komisch gut. Komisch verdammt gut.

Verstohlen schlage ich mir eine Hand vor den Mund, versuche die Laute abzuwürgen, spüre die Hitze in meinen Wangen, dann Ashs Hand auf meiner. Er lockert Finger für Finger, derweil ich versuche, meinen Atem in den Griff zu bekommen - warum versuche ich es überhaupt noch?

"Das ist nichts, wovor man sich verstecken muss."
"Aber..."
Er verschränkt unsere Hände miteinander. "Ich will dich hören."

Ich nicke, schließe die Augen, bekomme keinen ganzen Satz mehr hervor, nicht einmal mehr ein einzelnes Wort, kann keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen.
Bei allen Göttern - ich hatte keine Ahnung, wie sehr ich ihn unterschätzt habe.

InhumanityWhere stories live. Discover now