Beide Königskinder schüttelten die Köpfe. Die Tatsache, dass wir nur Schachfiguren in einem uralten Krieg ziwschen Göttern waren, gefiel mir ganz und gar nicht.

Virginia kam nochmal auf den Geheimgang zurück: "Diese Geheimgänge, wie habt ihr von ihnen erfahren?"
Dieses Mal antwortete Drystan für uns beide: "Ich habe schon als kleiner Junge ein Kribbeln gespürt, das mich zu dem Dientsbotentrakt hingezogen hat. Irgendwann bin ich ihm gefolgt und so durch Zufall auf die Gänge gestoßen."
Mit dem Kopf deutete er zu mir.
"Nemesis hat sie allein gefunden."

"Der Gebäudeplan des Schlosses hatte dort auffällig wenig verzeichnet", erklärte ich, "Wenn man weiß, wonach man suchen soll, sind sie leicht zu finden."

"Wieso sollten wir Eurer Meinung nach ausschließen, dass Ihr diese Informationen nicht weiter gereicht habt? Wenn Ihr bewusst nach Gängen zu suchen zu haben scheint?", Virginia zog herausfordernd eine Augenbraue hoch, "Ab welchen Punkt habt Ihr die Seiten gewechselt? Und für welchen Preis?"

Bevor ich mich verteididgen konnte, kam Drystan mir zuvor: "Sie hat uns gerade das Leben gerettet, Virginia, indem sie ihre Landsleute getötet hat. Und das Meine nicht zum ersten Mal."
Zu meiner Überraschung wirkte er aufgebracht, dass Virginia diese Anschuldigungen erst stellte.
"Du hast genauso wie ich gesehen, dass König Allstair ihr grausames angetan hat. Es gibt für Nemesis keinen Grund gegenüber ihm loyal zu bleiben."
Seine eisblauen Augen bohrten sich in meine. "Nicht wahr, Nemesis?"
Ohne seinen Blick loszulassen nickte ich.

Virginia sah einen Moment lang hin und her zwischen uns, schien die Logik in Drystans Argumentation aber einzusehen.

Es war Chara, die die entscheidende Frage in den Raum warf: "Was tun wir jetzt um Allstair und Arnicus aufzuhalten?"
Ich drehte meinen Spieß. "Wie kommt Ihr darauf, dass das möglich ist?"
Erst blinzelte sie, aber dann funkelte sie mich an. "Einen Weg muss es geben. Mir ist nämlich nicht alles egal."
"Mir auch nicht", erwiderte ich trocken, "Nur bin ich nicht naiv. Ich habe Allstairs Macht gespürt, ich weiß wie stark seine Truppen sind - mit oder ohne Infizierte- und ich mir sind die Rachegelüste des Gottes nicht entgangen, als er mit mir gesprochen hat."
Das Feuer knackte in der Pause die ich einlegte, ehe ich erneut fragte: "Was lässt Euch also denken, wir hätten eine Chance? Traddis ist bereits gefallen."

"Das wissen wir nicht sicher", kam es von Drystan, aber ich ließ ihn mit einer verächtlichen Geste verstummen.
"So wie ich Allstair kenne, wird er die Hauptstadt nicht einfach so verlassen. Und wenn doch, dann nicht ohne etwas Entscheidendes mitgehen zu lassen, das euch handlungsunfähig macht."
"Wir haben die Unterstüzung von zwei Göttern", erinnerte mich der Prinz, "Allstair wird nicht unsere ganze Armee vernichtet haben."
"Noch nicht"
"Und wir haben dich", schloss er.

Eine Sekunde hielt ich inne, ehe ich leise lachend den Kopf schüttelte.
"Wieso sollte ich euch helfen?"
Verdutzt von meiner Frage sahen mich alle an. Obwohl, Virginia verzog nur missbilligend die Miene, als hätte sie von mir nichts anderes erwartet.

"Wieso sollte ich wieder in den Krieg ziehen? Zurück auf das Schlachtfeld, auf das mich Allstair so lange gezwungen hat?", fragte ich weiter, wobei ich große Mühe hatte nicht immer lauter zu werden. Aber meine Stimme bieb ruhig. "Nur für einen anderen König. Wieso sollte ich mir wieder für andere die Hände schmutzig machen, Leben auslöschen auf Befehl? Wo ich dieser Welt jetzt zum zweiten Mal den Rücken gekehrt habe."
Nacheinander sah ich in die Runde. „Wieso sollte ich für einen weiteren König mein Leben riskieren?"

„Ihr seid genauso von Allstairs Krieg gegen Koranée bedroht wie wir alle", Chara hatte sich wieder gefasst, „Die Infizierten und Arnicus sind für Euch genauso eine Gefahr, wie für uns."
„Alleine komme ich besser zurecht", sagte ich nüchtern und sah kurz, ob der Hase schon durch war.
Ich spürte Drystan aufgebrachten Blick, noch ehe er den Mund aufmachte.
„Du kennst unseren Gegner besser als jeder andere. Du hast Informationen, die meinem Vater im Krieg nützen. Du bist stark, ein unverzichtbarer Vorteil in unseren Reihen."

Ja. Ich war etwas, was man benutzen konnte. Eine Waffe in ihren Reihen.
Irgendwie tat es weh, dass auch Drystan mich nur wegen meinen Fähigkeiten mit dem Töten für nützlich hielt. Wieder brannten meine Augen, das schwarze Blut in mir gesellte sich dazu und ein Schrei kämpfte sich meine Kehle hoch.
Wie hatten sie den Nerv, derartiges von mir zu fordern, gar zu erwarten, wo ich ihnen gar nichts schuldig war?

Als ich ihn nur stumm ansah, die Wut dabei runter schluckte, beugte der Prinz sich auf seinem Platz mir gegenüber vor.
„Menschen werden sterben. Auf beiden Seiten."
„Das tun sie im Krieg immer. Das sind sie auch jetzt schon", erinnerte ich ihn.
Der Prinz ballte die Hände zu Fäusten. „Aber du - wir zusammen - könnten einige Tode verhindert! Jedes Leben, das wir retten können, ist es wert!"

„Lasst es gut sein", ging Virginia mit einem unterkühlten Blick zu mir dazwischen, „Ihr habt in der Burg gesehen, wie rücksichtslos sie tötet. Mit Moralpredigten kommt Ihr nicht weit."
Chara widersprach nicht und Drystan richtete sich wieder auf. Dabei sah er mich an, als hoffte er, dass ich widersprechen würde.
Das tat ich nicht. „Du magst Edelmut besitzen, Drystan, aber bei mir ging es immer nur um das Überleben. Luxus wie Moral konnte ich mir in der Burg nicht leisten. Allstair hat mich geformt, aber er führt mich nicht länger, genauso wenig wie einer von euch."
Ich nahm den Spieß aus dem Feuer, zog das Tier ab und zerschnitte es mit der gleichen Klinge in
zwei Hälften.
„Ich habe nie etwas von euch gefordert. Keine Hilfe, keine Unterstützung, gar nichts", erinnerte ich sie alle frostig, „Wenn, hab ich nur gegeben. Ihr seid nicht im Recht, mir vorzuwerfen, dass ich an mich selbst denke."

Keiner sagte etwas, eingeschüchtert von der unterdrückten Wut, die letztendlich sichtbar von mir ausging.

Ich stand angestrengt auf, um Chara und Virginia jeweils eine Hälfte des Fleischs zu geben.
„Esst. Ich habe vor euch so schnell wie möglich nach Traddis zu bringen. Danach trennen sich unsere Wege."

Nemesis - Blut und Schwerter Where stories live. Discover now