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Schon seitdem er den ersten Fuß auf die Waage gesetzt hatte und die Zahlen begonnen, auf und ab zu tanzen, hatte ich das Gefühl, vor Anspannung gleich zu platzen. Ich nahm gar nicht wahr, wie ich meine Daumen immer fester drückte und nervös immer wieder aneinander presste. Erst als Ramin mich leicht belustigt anstieß, kam ich wieder etwas mehr zur Realität zurück.
Klar war ihm bewusst, dass ich seit dem ersten Tag immer besonders aufgeregt war, wenn die Kandidaten auf die Waage mussten, auch Ramin ging es oft ähnlich, aber so nervös wie heute kannte selbst er mich nicht.
"Ali rockt das schon, mach dir nicht so viele Sorgen" flüsterte er mir zu. Ich lächelte ihm kurz dankend zu, wohl wissend, dass er eigentlich Recht hatte.
Ich konnte mir meine Anspannung selbst nicht so ganz erklären. Natürlich war ich auch bei Umut und Sina nervös, aber bei Ali war es schon immer irgendwie extremer gewesen. Vermutlich, weil wir von Tag eins an diese besondere Bindung hatten. Woher auch immer sie kam, aber es war immer irgendwie anders.
Ali hatte diese tiefe, ergreifende Dankbarkeit mir gegenüber, die er mir auch offen zeigte und ich hingegen fühlte mich wohl mit ihm. Verbrachte auch mal die ein oder andere Minute länger mit ihm nach den Trainingseinheiten. Bis es irgendwie zur Routine wurde, dass wir uns nicht nur bei den Sporteinheiten sahen. Irgendwie steckten wir immer zusammen. Vielleicht auch deshalb meine Angst, all das könnte verloren gehen, wenn die Zahlen auf der Waage nicht stimmen würden.

"Hast du Angst vor morgen?" Gestern Abend standen wir auf meiner Terrasse, als ich ihm diese Frage stellte. Ali stellte sich dicht neben mich, um mir wärmend den Arm umzulegen. Inzwischen war es gut windig und durchaus kalt geworden. Ich genoss es, die Wärme seiner Hände auf meiner Haut zu spüren, auch wenn ich mir immer einredete, dass es bei jedem anderen auch so wäre.
Ali schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe alles getan, was ich konnte. Ich weiß, was ich geleistet habe." Und mit seinem typischen Schmunzeln sagte er noch "Du weißt doch, hier vor dir steht der Biggest Loser 2016, du hast ihn geschaffen".
Ich boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm "spuck nicht immer so große Töne", doch wir mussten beide lachen. Er legte seine Arme fester um mich und ich genoss einfach den Moment. Wie immer etwas mehr, als ich mir eingestehen würde.

"Ali, du hast 66,52kg" abgenommen, Wahnsinn!" unterbrach Chrissi meine abwesenden Gedanken. So langsam kamen ihre Worte zu mir durch und ich begriff, was das für ein Spitzenergebnis war. Auch Ali freute sich, das war ihm deutlich anzusehen.
Nachdem er von Ramin beglückwunscht wurde, konnte es gar nicht abwarten, auch an der Reihe zu sein. Endlich spürte ich seine Arme wieder um meinen Körper und versuchte, all meinen Stolz in diese Umarmung zu legen. Ich war einfach nur unfassbar erleichtert.
"Bis heute Abend?" flüsterte Ali unauffällig in meine blonden Locken. Schnell nickte ich leicht, während mein Herz schon wieder verdächtig schnell zu schlagen begann.
Nachdem wir uns wieder losgelassen hatten und er von den anderen Kandidaten beglückwunscht wurden, beruhigte ich mich langsam wieder und hoffte inständig, dass mir niemand meine Gefühlsausbrücke angemerkt hatte.
Nachdem wir das Wiegen noch zu Ende gefilmt hatten, konnte ich kaum abwarten, dass endlich Abend wurde.
Ich wusste nicht, wann genau Ali vor der Tür stehen würde, aber als es gegen 22:00Uhr endlich so weit war, konnte ich ihn einfach nur direkt wieder in eine lange Umarmung ziehen. "Ich bin unfassbar stolz auf dich! Und ich hoffe dir ist klar, dass ich vor Nervosität fast umgekommen bin"
Ali grinste "Du weißt doch, auf mein Wort ist Verlass"
Ich zog ihn zu mir aufs Sofa. Gerade wollte ich einfach nur den letzten Abend in dieser traumhaften Kulisse genießen. Wir hatten beide nie darüber geredet, was das zwischen uns war. Vermutlich auch, weil uns beiden klar war, dass wir die Grenzen zwischen Coach und Kandidat überschritten hatten, es für uns aber längst keinen Weg zurück mehr gab.
Wir brauchten unsere gegenseitige Nähe, die gemeinsamen Abende.. es gehörte inzwischen wie selbstverständlich dazu, dabei wussten wir beide, dass es das nicht war.
Seufzend lehnte ich mich an seine Schulter und spürte, wie er mich näher zu sich zog und mir durch die Haare strich.
Ich verschränkte unsere Hände miteinander. "Ich könnte ewig hier so mit dir sitzen und einfach die Ruhe genießen.. ich habe Angst wie es wird, wenn wir diese Abende nicht mehr haben werden"
Ali zwang mich, zu ihm zu sehen. "Du weißt, das hier ist erst der Anfang. Der Anfang von was ganz großen"
Ich kuschelte mich noch stärker in seinen Arm und sagte lächelnd "Ich weiß."

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