»Es war klar, dass du meine Hilfe eh ablehnst, weil du ganz offensichtlich nichts mehr mit mir zu tun haben willst!«, stelle ich viel zu laut klar. Coles Kopf gleitet in alle Richtungen um abzuchecken, ob uns jemand beobachten oder hören kann. Fehlanzeige. Wir sind hier gerade die einzigen Deppen, die für ihre Eltern Bier kaufen gehen müssen.

»Luna.« Seine Stimme klingt drohend mit einem Schwups von Nervosität. Das macht mich umso unruhiger, weil Cole früher nie eine Person war, die schnell nervös wurde. Und schon gar nicht in meiner Gegenwart.

»Was, Luna? Vielleicht sollte ich mich glücklich schätzen, dass du meinen Namen überhaupt noch kennst, so schnell wie du mich aus deinem Leben verbannt hast! Das mit dem Ignorieren kannst du dir sparen, weil das nicht hinhauen wird. Wir wohnen in einem verdammten Haus! Wir sehen uns jeden Tag, unsere Eltern sind Lebensgefährten und wir haben eine gemeinsame Schwester! Wieso gibst du es nicht endlich auf?« Erst als ich zu Ende gesprochen habe, fällt mir auf, wie laut ich geworden bin. Ausgerechnet jetzt laufen zwei ältere Männer an uns vorbei, die mich ansehen, als wäre ich aus einer Klapse abgehauen.

Da so viel Adrenalin in meinen Adern fließt, erhebe ich mich von dem Kasten und laufe auf und ab. Cole beobachtet jeden meiner Schritte, trotzdem sagt er nichts.

»Warum sagst du jetzt nichts dazu? Diese Stille zwischen uns ist unerträglich, es macht mich kaputt, hörst du das? Verstehst du nicht, dass ich dich gebraucht habe als Dad verhaftet wurde? Du brauchst mich vielleicht nicht mehr, und damit kann ich mich abfinden. Das ändert jedoch rein gar nichts an der Tatsache, dass ich dich verdammt noch mal brauche!«

»Ich brauche dich auch!« Ich zucke dermaßen zusammen und merke, wie mein ganzer Körper am Zittern ist. Sein Gebrüll hallt durch das ganze Geschäft, es würde mich nicht wundern, wenn gleich ein Mitarbeiter kommt und uns lebenslänglich Hausverbot erteilt.

Wie in Zeitlupe drehe ich mich um. Erst hängt mein Blick die ganze Zeit auf dem Boden, nur ganz langsam schaffe ich es zu Coles Gesicht zu schauen. Seine Lippen sind fest zusammengepresst, seine Nasenflügel sind aufgebläht und seine Augen gerötet. Er hat seine Hände zu Fäusten geballt, doch er wirkt nicht wütend, sondern völlig erschöpft und fertig mit den Nerven. Ganz angespannt steht er einige Schritte von mir entfernt und starrt mich ohne zu Blinzeln an.

»Was hast du gesagt?« Meine Stimme ist nichts weiter als ein Flüstern. Von meiner ganzen Wut von eben fehlt jede Spur, sie ist wie verpufft. Cole macht einen Schritt auf mich zu, verliert dabei jedoch sein Gleichgewicht und kracht mit der Seite gegen die Bierfässer. Ich eile ihm schnell zur Seite und ziehe ihn von den Kästen weg.

»Ich sagte, dass ich dich auch in meinem Leben brauche und dich nicht daraus entfernen will. Du fehlst mir jeden Tag, mir war die ganze Zeit nicht bewusst, wie sehr du mir eigentlich fehlst.« Ich blinzle ihn perplex an, meine Ohren beginnen zu rauschen an. Meine Stirn legt sich unweigerlich in Falten und als Cole wieder auf eigenen Beinen stehen kann, mache ich einen Schritt zurück und lasse mich wieder auf den einen Kasten nieder. Seine Worte poltern in meinem Kopf herum, doch egal wie sehr ich sie drehe und wende, sie ergeben keinen Sinn für mich.

»Ich verstehe nicht, wieso du es dann getan hast? Du hast unsere Freundschaft beendet und nicht ich.« Cole atmet entgeistert aus, hebt sich einen vollen Kasten Bier vom Stapel und stellt ihn neben meinem ab. Als er sich drauf setzen will, springt er gleich danach wieder hoch und reibt fluchend seinen Po. »Aua! Wie kannst du darauf sitzen?« Kichernd beiße ich mir auf die Lippe und streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

»Du darfst dich nur auf den Rand setzen.« Cole versucht es und schafft es diesmal ruhig sitzenzubleiben. Als er beginnt zu erzählen, kann ich meine Augen nicht von ihm abnehmen. Ganz gebannt höre ich zu was er zu sagen hat.

»Ich weiß, dass ich für dich da sein sollte. Du hast mich gebraucht, genau wie meine Mom mich gebraucht hat. Du kannst nicht verstehen wieso ich gegangen bin und ich bin nicht bereit dir von meinen Gründen zu erzählen. Aber Luna. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Weißt du, wie oft ich mir mein Handy gekrallt habe und kurz davor war dich anzurufen? Ich habe meine Mom bei jedem Telefonat nach dir gefragt. Ich wollte wissen was du machst, wie es dir geht und wer deine neuen Freunde sind. Ich war oft kurz davor zu euch nach Hause zu fahren, nur um nach dir zu sehen. Nicht nur du hattest eine schwere Zeit, auch ich musste mich neu finden und ich bin immer noch dabei dies herauszufinden. Wir haben beide gelitten und es hat mich zerrissen, dass wir unsere Wunden nicht gegenseitig heilen konnten. Drew nervt mich schon die ganze Zeit und möchte, dass ich mich mit dir vertrage, aber ich wollte es nicht. Nicht, weil ich dich nicht vermisse, sondern wegen mir. Du hast einfach etwas Besseres verdient als mich.«

Mein Puls überschlägt sich, ich kann nicht anders als ihn stürmisch um den Hals zu fallen. Es endet damit, dass Cole und ich gemeinsam vom Kasten rutschen und mitten auf dem Gang eines Walmart auf dem Boden liegen und engumschlungen lachen. Manchmal kann ein Gelächter mehr aussagen als Worte es je könnten.

Cole hat recht behalten. Als wir die vier Kästen Bier zur Kasse bringen schaut uns der ältere Mann kaum an, generell wirkte er sehr gelangweilt und übermüdet. Mit dem schweren Wagen im Schlepptau überqueren wir den Parkplatz bis zu Isabells Auto, woraufhin Cole die Kästen im Kofferraum verstaut. Ich mache mich daran den Einkaufswagen wieder auf den Platz zu bringen, als ich zurück komme, schließt Cole gerade den Kofferraum.

»Wenn wir uns jetzt wieder anfangen gut zu verstehen, musst du mich in deinem Leben auf den neusten Stand bringen«, sage ich langsam und warte, bis Cole sich mir zudreht. Ich bin mir noch ganz unsicher, was seine Erzählung vorhin betrifft. Er meinte zwar, dass er mich vermisst und mich braucht, aber ändert das unsere Situation?

»Das beruht auf Gegenseitigkeit.« Ein schwaches Lächeln huscht über seine Lippen, einen Moment lang kann ich nichts Weiteres tun, als sein Gesicht anzustarren. Cole in meiner Gegenwart fast schon glücklich zu sehen, kommt mir vertraulich und fremd zugleich vor.

»Wie geht es dir jetzt eigentlich wegen deinem Dad? Ich war nach der Verhandlung schon so schnell weg, ich habe dich kaum gesehen.« Cole lehnt sich gegen den geschlossenen Kofferraum, während ich auf dem Boden mit meinem Fuß einen Stein weg kicke.

»Es ist ungewohnt. Es ist echt komisch wieder vereint zu sein und dann noch bei euch im Haus, weißt du? Ich kenne das so gar nicht, bevor mein Dad weg war, gab es nur ihn und mich. Dann bin ich zu euch gezogen und wurde von Isabell und Bonny in die Familie einbezogen. Und jetzt gibt es noch dich und meinen Dad. Ich muss das erst einmal verarbeiten.« Cole zieht belustigt die Augenbraue hoch, wie von selbst gleiten meine Mundwinkel in die Höhe.

»Du musst erst einmal verarbeiten, dass du und ich im selben Haus wohnen? Hast du Angst ich klaue dir die Süßigkeiten, oder was?« Ich pruste los und stelle mich neben Cole. »So war das natürlich nicht gemeint. Aber gib zu, damals hattest du es immer auf meine Süßigkeiten abgesehen!« Cole steigt in mein Gelächter ein. »Du hattest immer die Leckeren. Was hätte ich den machen sollen? Ich hatte die Wahl zwischen Moms ekligen Bio-Schokobällchen und deinen ganzen Leckereien.«

»Du hast mir nie welche übrig gelassen!« Dazu hatte er nichts mehr zu sagen, da er genau weiß, dass ich im Recht bin.

-Losing Game-Onde histórias criam vida. Descubra agora