Kapitel 1

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Aufgeregt nahm ich meinen Koffer aus dem Kofferraum des Taxis und schwang meinen Rucksack auf meinen Rücken. Dankend verabschiedete ich mich von dem Fahrer und stand nun allein auf dem Fußgängerweg.
Es war schon spät abends, als ich ankam, weshalb die Straßen so gut wie leer gefegt waren.
Vor mir lag das riesige Wohnheim der Harvard Universität. Es war zwar nicht das erste Mal, dass ich es zu Gesicht bekam, jedoch war es dieses Mal etwas ganz besonderes.

Seit der Highschool habe ich davon geträumt hier zu studieren. Weit weg von meinem damaligen Leben. Endlich ein eigenes, unabhängiges Leben.
Ich sah Mutters Gesicht noch vor mir, als ich ihr von meinen Plänen erzählt hatte. Diese fassungslose Mimik. Ich hatte sie total aus der Bahn geworfen. Ihr Plan war es schon immer, dass ich mit in die Firma einsteige, damit die Existenz unserer Familie gewährleistet sei. Genau, wie es Veronica getan hatte.
Meine Schwester war schon immer das Vorzeigekind meiner Mutter. Sie wusste sich schon immer gut darzustellen und war deswegen auf sämtlichen Galas unserer Eltern immer diejenige, die den Investoren geschmeichelt hat. Mit Erfolg wurde sie an der Yale Universität angenommen und hat dort Management studiert. Letztes Jahr hat sie ihr Studium abgeschlossen und wurde kurz darauf von Vater in der Firma aufgenommen. Seitdem hat mich Mutter immer gedrängt, ich solle mir ein Beispiel an Veronica nehmen. Sie sei ja so erfolgreich.

Doch ich war bereits als kleines Kind das komplette Gegenteil von ihr. Ich hatte mich jedes Mal zurückgezogen, wenn es um die Firma ging, da es mich nie so recht interessiert hatte.
Ich hatte auch noch nie die Modelfigur, die Mutter so gern an mir gesehen hätte. Ständig meinte sie, mich auf sämtliche Diäten setzen zu müssen, da ich sonst nicht vorzeigbar aussehen würde.

Mein Interesse galt schon seit der Middleschool der Kunst. Sie ließ mich aufblühen, meine Gefühle ausleben und einfach ich selbst sein. Doch Mutter gefiel meine plötzliche Idee ganz und gar nicht. Wir würden keine Kunst erschaffen. Wir würden sie nur kaufen.

Als es dann in der Highschool zu dem Punkt kam, dass wir uns an den Universitäten bewerben sollten, bekam ich kein Stipendium für Yale, wie es Veronica bekam, weshalb Mutter mit den Nerven bereits am Ende gewesen war. Als ich ihr dann auch noch von meiner heimlichen Bewerbung in Harvard erzählt hatte für die Hauptfächer Kunst und Englisch, war sie vollkommen am Boden zerstört. Tagelang sprach sie kein Wort mit mir, doch ich habe mitbekommen, wie sie und Vater alle möglichen Hebel in Gang gesetzt hatten, nur um mich auf die Yale zu bekommen. Vergeblich.
Jeder normale Mensch hätte sich gefreut, wenn die eigene Tochter wissen würde, was sie will und dann auch noch einen Platz an der Harvard Universität bekommen hätte. Doch nicht Mutter.

Sie war bis jetzt immer noch der Meinung, ich hätte einen verdammt großen Fehler gemacht und ich würde innerhalb von ein paar Wochen diese ganze Idee über den Haufen werfen, jedoch war ich mir noch nie bei etwas so sicher, wie hierbei.

Und nun war ich hier und genoss jeden einzelnen der Eindrücke, welche auf mich wirkten.
In dem Gebäude links von mir flackerten in einem Zimmer bunte Lichter, sowie dröhnende Rap-Musik. Nicht wirklich mein Geschmack, aber das gehörte wohl zum Studentenleben.
In fast jedem anderen Zimmer waren die Lichter bereits erloschen.

Tief luftholend verfestigte ich meinen Griff an meinem Koffer und setzte einen Fuß vor den anderen.

Vorsichtig klopfte ich an der Tür mit der Nummer 64. Ängstlich tritt ich einen Schritt zurück und horchte den immer lauter werdenden Schritten, bis sich die Tür öffnete. Am Türrahmen lehnte ein, in Jogginghose und Pulli gekleidetes Mädchen, deren Mascara unter ihren Augen bereits verschmiert war. Augenblicklich stachen mir ihre roten Haare ins Auge, welche sie zu einem unordentlichen Dutt zusammengenommen hatte. Sie war bestimmt einen ganzen Kopf größer als ich und das, obwohl ich selbst ebenfalls nicht wirklich klein war.

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