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„Wirklich, noch mal Danke, dass mein Baby fast drei Jahre bei dir war." Noah schielte zu ihrer Cousine herüber, die sich an einem Halteriemen festhielt und weniger entspannt wirkte.

„Bedank dich, indem du endlich parkst. Meine Güte", murmelte Lena. „So schwer ist das nicht."

„Ich bin in Paris echt kaum Auto gefahren", verteidigte sich Noah und dachte sehnsüchtig an den günstigen und gut ausgebeuten ÖPNV zurück.

„Merkt man", kam es von der Rückbank.

„Halt die Schnauze, Tim." Noah warf ihm über den Rückspiegel einen bissigen Blick zu. Der große Dunkelhaarige wirkte völlig deplatziert auf der schmalen Rückbank des alten VW Käfers. Noah hatte den Wagen beinahe drei Jahre bei ihrer Cousine in der Garage stehen lassen. Diese hatte ihn nur ab und zu bewegt, während Tim, ihr Freund, sich komplett darum gekümmert hatte, dass der Motor in Schuss blieb.

Das Auto war ihr Baby, das erste, was sie sich damals von ihrem eigenen Geld gekauft hatte und sie hätte es einfach nicht übers Herz gebracht, ihn für ihre Auslandsreisen zu verkaufen. Lena hatte sich angeboten, auf ihn aufzupassen und Noah hatte das dankend angenommen. In den drei Jahren hatte sie ihr Auto nur sechsmal besucht. Das sollte sich jetzt ändern.

„Sei mal nett", knurrte Tim mit einem Grinsen im Gesicht.

„Nett? Ich lass dich mitkommen. Reicht dir das nicht?"

„Hätte ich gewusst, dass du schlimmer fährst als eine vierjährige auf ihrem Bobbycar, hätte ich auch verzichtet."

„Du bist ganz schön großkotzig für..."

„Da!", rief Lena dazwischen. „Der ist frei. Bitte, Noah."

Sie gurkten seit guten zehn Minuten durch das Parkhaus in Hamburg. Es waren einige Parkplätze frei, aber Noah hatte konsequent jeden abgelehnt, in den sie nicht gerade reinfahren konnte. Parken war genauso wenig ihres wie Autofahren allgemein. Oder geduldig dabei sein.

Noah bremste leicht – leicht in ihrem Verständnis, denn die alten Bremsen waren erstaunlich solide und Lena wurde in ihren Gurt gerissen. Anscheinend hatte Tim daran gebastelt. Seinem Gesicht nach zu urteilen bereute er das gerade.

„Ah, der ist schön", stellte Noah zufrieden fest und lenkte den Wagen in die Lücke.

„Endlich!", presste Lena die Luft aus ihren Lungen. „Zurück fahre ich."

„Nein", erklärte Noah sachlich. „Ich muss Autofahren üben."

„Ich schenk dir Fahrstunden."

„Aber ich will doch Zeit mit dir verbringen." Noah sah Lena an und schob schmollend eine Unterlippe vor. Die beiden Frauen trennten drei Jahre und Lena war so etwas wie Noahs große Schwester, obwohl sie nur ihre Cousine war. Zu ihr und ihrer Mutter hatte sie schon immer den besseren Draht gehabt als zu ihrer eigenen Familie.

Lena seufzte theatralisch. „Aber wenn du nach Hamburg ziehst, dann können wir ganz viel Zeit miteinander verbringen. Da kommt es auf eine Fahrt auch nicht mehr an."

„Mein Umzug her steht noch nicht."

„Aber der Galerie haben deine Werke doch gefallen."

„Die wollen sich nur mit mir schmücken." Noah rollte genervt mit den Augen.

„Du überschätzt deinen Fame", meldete sich Tim von der Rückwand. „Die 100.000 Follower und eine Ausstellung in Paris heißen nicht, dass du es geschafft hast."

"Es sind 180 Tausend auf Instagram und du hast meine 250 Tausend Podcasthörer vergessen", belehrte sie ihn.

"Können wir jetzt endlich? Das Auto ist nicht für meine Größe gebaut, die Rückbank schon gar nicht." Tim auf der Rückbank war mit seinen ein Meter neunzig tatsächlich ein eher erbärmlicher Anblick. Seine dunkelblauen Augen blitzten, die Augenränder waren tief. Er war ein Arbeitstier, sah mit seinen 32 Jahren älter aus als er war. Noah liebte ihn. Er gehörte seit acht Jahren an die Seite ihrer Cousine, beide hatten sich bei der Ausbildung kennengelernt und für sie gab es kein schöneres Paar.

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⏰ Last updated: Feb 01, 2022 ⏰

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Wrecking Ball | 1RAF7Where stories live. Discover now