Kapitel 1

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Ich stand vor einem Großen Baum, neben mir jemand, den ich nicht kannte. Er hatte Kaffeebraune Haut und schwarze Haare. Er sah nett aus. Ich sah an mir herunter. Ich trug Dunkelblaue Jeans und ein blaues Polo-Shirt. Außerdem hatte ich einen Köcher mit Pfeilen und einen Bogen auf meinem Rücken. Vor uns ging im Baum eine Tür auf und ein Mann trat heraus. Er hatte einen Gehstock bei sich und sagte mit einer knarzenden Stimme: "Kommt nach Aurora! Kommt nach Aurora!" Dann ging er rückwärts zurück in seinen Baum. Die Tür klapperte beim Schließen. Noch einmal klapperte es.
Ich schreckte auf. Eine verhüllte Gestalt kam auf mich zu und sagte mit Stimme des Mannes in meinem Traum: "Du findest Antworten auf alles, wenn du nach Aurora kommst. Die Tür dorthin steht für dich offen." Er legte ein Geschenk auf meine Bettkante: "Alles Gute zum Geburtstag, Klara." Damit verschwand er aus dem Fenster. Als ich aus meiner Schockstarre erlöst war, öffnete ich das Päckchen und fand eine wunderschöne Kette mit Perlen und einem Zahn. Ich legte sie um und beschloss niemandem davon zu erzählen. Dann schlief ich wieder ein.

"Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday, liebe Klara, Happy Birthday to you!" Von diesem Lied und zwei auf meinem Bett hüpfenden Vierjährigen wachte ich zum zweiten Mal auf. Ich lächelte, gähnte und setzte mich auf. "Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz!", sagte meine Mutter. "Jetzt bist du schon Elf Jahre und eine Minute alt", fügte mein Vater lächelnd hinzu. Ein Blick auf meinen Digitalwecker bestätigte dies. Es war 9.15. Uhr und vor Elf Jahren und einer Minute war ich geboren. "Zieh dich an und komm runter, das Frühstück ist fertig!", forderte Mama mich auf. "Ich komm schon", sagte ich. Unten wartete ein tolles Frühstück und 10 tolle Geschenke auf mich. Ich wunderte mich: "Mom, wo ist das elfte?" Es war Tradition bei uns, dass man immer so viele Geschenke bekommt, wie man alt ist. Sogar Papa bekam das, obwohl er schon 48 war. "Das bekommst du erst später", lächelte sie. Okay, das war rätselhaft. Aber gut, ich war wirklich aufgeregt. Nach dem Frühstück mussten wir uns Sportkleidung anziehen und dann fuhren wir nach Borken in den Kletterwald. Anschließend fuhren wir zum Badesee und fuhren mit dem Dampfer. Oben auf dem Deck ergriff Papa das Wort: "Nun ja, wir dachten uns, du bist jetzt schon elf und da brauchst du so was schon mal." Er zog eine silberne Kiste aus der Tasche und übergab sie mir: "Dein Weg in die Freiheit" Ich öffnete sie. Was darin war ließ mich vor Freude aufschreihen: Es war ein Nokia-Handy (ok, ok, ich hab mir ein Smartphone gewünscht), ein Haustürschlüssel, zwei Kinogutscheine, ein Stadtplan und 30 Euro Geburtstagsgeld. "Danke, Danke, Danke!", jubelte ich und umarmte meine Eltern stürmisch.

Eine Woche später war auch die Party mit Cosi, meiner besten Freundin, vorbei und alle Verwandten waren wieder abgereist. Ich wollte mir gerade ein Glas Wasser holen, als ich sah, dass Elisa, meine Schwester, an der Küchentür stand und lauschte. Ihre Miene war ernst und sie winkte mich zu ihr. Ich lauschte mit. "...die Kinder?", fragte Papas Stimme. Offenbar sprachen sie über uns. Mama antwortete: "Ich habe meine Eltern schon gefragt.", sie seufzte, "Sie haben über einen so langen Zeitraum nur Platz für zwei. Elisa und Klara könnten zwar theoretisch in ihrer Ferienwohnung wohnen, aber die müssen meine Eltern auch mal vermieten können." "Wohin kann Elisa?", das war schon wieder Papa, "Hat sie nicht diese Freundin mit dem riesigen Haus? Wie heißt sie? Anthea?" "Alea", an Mamas Tonfall merkte man, dass sie über Papas Anthea-Alea-Witz schmunzelte, "Ja, Elisa kann dahin, ich habe schon mit Aleas Eltern gesprochen. Aber Klara kann unmöglich mit zu ihr. Alea und sie können sich doch nicht ausstehen!" Sie schwiegen. Elisa und ich sahen uns geschockt an. Wir würden einfach so abgeschoben werden. Wir lauschten weiter. Schließlich ging es ja jetzt nur noch um mich. Papa meldete sich wieder zu Wort: "Ich habe mir was für Klara ausgedacht. Zu ihrer Freundin kann sie auch nicht. Sie hat ja schon vier Geschwister und ihre Mutter ist grade schwanger. Mein bester Freund, du weißt schon, Nick, er war in einem ganz tollen Internat. Er sagt, er hätte dort die Schönsten Jahre seines Lebens verbracht.-" Weiter kam er nicht, denn ich war in die Küche gesprungen. Entgeistert starrte ich sie an. Wie könnten sie mir das antun?! "Ein Internat?!!? Ohne mich!", schrie ich. Mama und Papa waren überrascht, wie ich reagiert hatte. "Liebling, es ist ein ganz tolles Internat! Aurora liegt am Simsee, dort ist es wunderschön!", säuselte Mama in der Hoffnung, mich zu überzeugen. Was sie allerdings nicht schaffte. Papa merkte das wohl, denn er sagte: "Viele meiner Freunde waren dort und sie sagen, sie hätten dort die schönsten Jahre ihres Lebens verbracht." "Papa, Mama! Das ist mir egal! Ich will nicht in ein Internat!", ich war wirklich verzweifelt., "Warum eigentlich?!" Mama und Papa wussten scheinbar nicht, ob sie mir die Wahrheit sagen sollten oder nicht. Mama erklärte: "Du weißt ja, dass wir bei unserem Job manchmal Geschäftsreisen machen müssen, um uns etwas dazu zu verdienen. Seit Lana und Ferdinand auf der Welt sind haben wir gar keine gemacht, weil die beiden noch so klein waren. Das sind sie auch jetzt noch. Auf jeden Fall hat uns ein reiches Ehepaar sehr viel Geld angeboten. Sie haben eine riesige Villa gekauft und wir sollen für sie designen, Möbel bestellen und einrichten. Es soll eine Stelle sein, an der Kinder Elternurlaub machen und dort für eine Zeit wohnen kann. Das Päärchen hat uns eine Menge Geld dafür angeboten." "Wann habt ihr das Angebot bekommen?", fragte ich sofort. "Vor drei Tagen", sie antworteten schnell. "Wie lange soll das dauern?", Elisa war hinzugekommen. Diesmal zögerte Papa wieder mit der Antwort: "Nun ja, die Villa ist sehr groß, es dauert also voraussichtlich ... voraussichtlich ein halbes Jahr." Entgeistert starrten wir unsere Eltern an. "Urlaub? Jaaaa!", brüllten die Zwillinge, die offenbar nur das "halbes Jahr" gehört hatten, als sie voller Schlamm in die Küche gekommen waren. "Was?!?!??!!", jetzt war es an Elisa, rumzubrüllen, "Ein halbes Jahr?!" "Elisa, du darfst in der Zeit zu Alea und bei ihr wohnen!", versuchte Mama, sie zu besänftigen. Sie schaffte es nicht. Und auch ich wurde immer wütender. Sie hatten uns nichts gesagt! Da machte Papa den einzig vernünftigen Vorschlag: "Wie wär's, wenn wir die Zwillinge zu Lisa bringen und uns Pizza bestellen und dann alles in Ruhe besprechen?" "Gut", sagte Mama, "Ich bring Lana und Ferdi rüber." Damit war sie verschwunden. "Ich hol die Pizzen!", rief Papa, klimperte dabei mit den Autoschlüsseln und war dann auch weg. Ich seufzte: "Lass uns den Tisch decken." Leise deckten wir den Tisch. Wir redeten nicht. "Ich weiß seit gestern davon", Elisa begann einfach so zu erzählen, "Zuerst dachte ich, das wäre mein Geheimnis, aber als ich dich vorhin gesehen habe, wollte ich, dass du es auch hörst." "Das ist doch okay", sagte ich, "Was sagst du dazu?" "Ich wusste nur, dass es ist, aber ich wusste nicht, wann und wie lange. Am Anfang fand ich es echt scheiße, aber jetzt ... ich glaub, irgendwie gefällt mir der Gedanke. Das ist doch cool! Wir sind die ersten, die Urlaub ohne Eltern machen dürfen - auch wenn es kein richtiger Urlaub ist. Und wir können ja täglich Videotelefonieren. Nur das mit dir und dem Internat ist blöd. Aber Mama und Papa wissen, dass du wo etwas nicht magst. Sie haben das nur so entschieden, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Bitte schau es dir an. Für mich!" Ich nickte. Ich würde darüber nachdenken, aber zuerst wollte ich alles von meinen Eltern hören.
Als diese uns alles erklärt hatten, nickten meine große Schwester und ich gleichzeitig. Wir hatten verstanden. "Ich werde über das Internat nachdenken, wenn ihr mir die Website zeigt", sagte ich hochmütig, woraufhin Elisa kichernd die Augen verdrehte. Mama und Papa waren erleichtert und drei Tage später hatte das Internat eine neue Anmeldung für die fünfte Klasse. Ich war dann offiziell Schülerin des Internats Aurora am Simsee. Die Schulakte, Kopien der Geburtsurkunden und andere Formalitäten wurden per Post erledigt und als am 10. August mein Schülerausweis ankam, freute auch ich mich auf das neue Schuljar.

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⏰ Last updated: Mar 02, 2022 ⏰

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ChriraWhere stories live. Discover now