Der Weg durch die Stadt war langsam, da die Familie den anhaltenden Bewohnern winkte. Aus dem Aufbruch nach Kreel wurde eine Show gemacht, denn auch die normalen Bewohner wussten über die Verlobung Bescheid. Jubel begleitete uns den ganzen Weg bis zu den Stadttoren.

Erst dann nahmen wir richtig Fahrt auf, um Kreel auch pünktlich zu erreichen.

Seufzend ließ Drystan sich wieder in den Sitz sinken. Das offene Lächeln, das er bis eben für die Stadtbürger reserviert hatte, verschwand. An seiner Stelle trat eine düstere Miene.

Aus den Augenwinkeln sah ich ihn an, dann ließ ich meinen Blick zu den vorbei ziehenden Wäldern schweifen. Wir befanden uns auf der bekannten Handelsstraße, die ich auch bei meiner Ankunft gefahren war.

„Wie geht es Eurer Wunde?", sprach er mich zu meiner Überraschung an.
Also drehte ich den Kopf wieder zu ihm, aber er hatte den Blick starr geradeaus gerichtet.
„Es tut etwas weh, aber nichts, was ich nicht aushalten würde."
Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. „Verstehe."

Jetzt richtete er seinen Blick ebenfalls nach draußen. Wie es aussah, wollte er nicht weiter reden.
Eine Sekunde lang war ich versucht etwas zu sagen, aber ich überlegte es mir letztendlich anders.

Ich hatte mich dafür entschieden, ihm die Wahrheit zu verschweigen, also würde ich mit den Konsequenzen leben.
Auch wenn ich damit meinen ersten richtigen Freund verlor.

Durch das Fenster beobachtete ich die Königswächter auf ihren Pferden, die unsere Kutschen umgaben.

Was auch immer es bedeutete, wirklich Freunde zu sein.

Nach eineinhalb Stunden hielten wir an, um eine Rast einzulegen. Drystan stieg wortlos aus, um sich die Beine zu vertreten, also folgte ich ihm.

Mit respektvollen Abstand lief ich hinter ihm her. Als er jedoch auf den Wald zusteuerte, richtete ich das Wort an ihn.
„Es ist besser, wir meiden den Wald. Infizierte können in ihm lauern."
Seine eisblauen Augen flogen zu mir, aber er kam zurück auf den Weg.
„Mit denen Ihr ziemlich gut klar zu kommen scheint."
Mit geneigtem Kopf erwiderte ich: „Mag sein, aber Ihr solltet nicht leichtsinnig werden."
Als ich ihn als leichtsinnig bezeichnete verengten sich seine Augen.
„Ich glaube Ihr seid diejenige, die beginnt leichtsinnig zu werden."
Als ich nicht erwiderte, kam er näher.
„Mein Vater hat von Eurer Genesung durch Alaric erfahren. Auch er wird misstrauisch. Ihr habt Glück, dass man euch noch nicht längst vor den Rat gezerrt hat damit ihr Frage und Antwort stehen könnt."

Mir unleserlicher Miene sah ich zu ihm hoch, da er direkt vor mir stand. Die Sonne verfing sich in seinen dunkle Locken und die Schatten der Bäume am Wegrand malten ein Muster auf seine dunklere Haut
„Das kann der König tun, wenn er will, aber Ihr werdet nicht mehr erfahren, als vorher."
„Ihr könntet im Kerker landen", presste er aus zusammengebissenen Zähnen hervor.
Kaum merklich reckte ich das Kinn. „Eure Männer können es ja versuchen."
Der Prinz sah aus als würde er noch etwas sagen wollen, aber letztendlich schüttelte er leicht den Kopf und setzte den Spaziergang fort.

Wir drehten ein paar Runden um die Kutschen, während das Königspaar sich mit Visha unterhielt. Die eingeteilten Wachen behielten den Wald im Auge. Bedrückt musste ich an all diejenigen denken, die bei dem Kampf im Wald gefallen waren. Nachdem Yvaine den Tod gewählt hatte, sind nur Visha und ich übrig geblieben.

Mit immer noch distanzierter Miene stieg Drystan nach einiger Zeit wieder in die Kutsche ein. Ich wollte ihm folgen, da hielt mich Visha am Arm zurück. Ausdruckslos wandte ich mich zu der Kommandantin um.
Diese wartete schweigend bis Drystan eingestiegen war und deutete mir ihr zu folgen. „Auf ein Wort."

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt