„Ihr werdet sicher bemerkt haben, dass ich meine Gefühle gut verbergen kann", sagte ich trocken.
Drystans fuhr sich durch das Haar und ging ein paar Schritt zurück
„Wer bist du?"
Ich verzog meine Lippen, antwortete aber nicht. Teils, weil ich nicht wollte, teils, weil Alaric den ersten Stich tat.

Während der Heiler Stich für Stich die Krallenspur zu nähte, verließen Martell und Aramis das Zimmer.
Sie würden der Kommandantin von den Ereignissen berichten.
Drystan weigerte sich erst von meiner Seite zu weichen, aber irgendjemand musste es dem König sagen. Ganz zu schweigen davon, dass er morgen Pflichten hatte.

So war ich also mit Alaric alleine, der jetzt nur noch das restliche Blut von meinem Bauch wischte. Meine Schmerzen nahmen mich zu sehr ein, um diese Erinnerungen zu zulassen, allerdings fühlte ich mich in die Burg zurück versetzt. Wie lange hatte ich so gelegen während mir jegliche Regungen verboten waren? Wie oft hatte ich nachgegeben und geschrien?

Die Stimme des Heilers riss mich zurück in die Gegenwart.
„Ich erkenne Messerschnitte, wenn ich sie sehe."
Ein letztes Mal sah er auf meine Narben.
„Und auch ob sie im Kampf oder absichtlich entstanden sind."

Schweigend erwiderte ich seinen eindringlichen Blick.

„Was ist Euch wiederfahren?", flüsterte er, ehe er die Schale mit Paste wegstellte, wo er Nadel und Faden ebenfalls rein legte.

Angespannt presste ich die Zähne aufeinander
„Genug. Ich werde nicht darüber sprechen."

Mein Ton war eindeutig, sodass Alaric nicht weiter nachbohrte. Stattdessen stand er ächzend auf.
„Ich kann im Moment nichts mehr tun. Wir müssen abwarten, wie es sich entwickelt."
Ich nickte knapp.
„Ich werde Euch jetzt ins Bett tragen."
Ehe ich protestieren konnte hob er die Hand.
„Wenn Ihr selbst gehen wollt, werdet Ihr die Wunde weiter aufreißen. Das ist nicht zu empfehlen."

Mir knirschenden Zähnen schluckte ich jeden Protest herunter.
„Macht schnell."

Wortlos schob er seine Hände unter meine Kniekehlen und Rücken, um mich sanft hochzu heben.
Mir gefiel das ganz und gar nicht. Er war mir zu nah, ich hörte seinen Atem, spürte die Wärme seiner Hand an meinem freien Rücken.

Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich spürte die Angst aufsteigen. Sie wurde noch schlimmer, als ich die Matratze unter mir spürte und er mich zudeckte.

Es war nur kurz und Alaric ließ mich sofort wieder los, aber trotzdem ging mein Atem flach, als er zu seinem Zimmer ging.
„Sagt mir Bescheid, wenn sich etwas verändert."
Ich nickte abermals. Kurz darauf hatte er sich wieder ins Bett gelegt.

Doch für mich war an Schlaf bei diesen Schmerzen nicht zu denken. Unregelmäßig schwollen sie an und flauten dann minimal ab.
Unweigerlich schossen meine Gedanken zu der Folter in der Burg. Und mit der Burg kam vieles anderes wieder.
Das Blut.
Die Schreie.
Die Patrouillen.
Die Toten. Oh die vielen Menschen, die durch meine Hand gestorben waren!

In dem Versuch meine Muskeln etwas zu lockern, ließ ich mich tiefer ins Kissen sinken.

„Wie viele?"
„Stellt keine Fragen für dessen Antwort Ihr nicht bereit seit."

Nein. Der Prinz war definitiv nicht bereit für die Antwort.
Ich wusste nicht, ob ich für seine Reaktion bereit wäre.

Mit aufeinander gepressten Zähnen ballte ich meine Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Ein Schrei wollte aus meiner Kehle ausbrechen, aber ich schluckte ihn gewaltsam runter. Er gab mir das Gefühl zu ersticken.

Unter Schmerzen krallte ich mich am Bett fest.

Ich konnte sie nur deswegen ertragen, weil ich sie aus der Burg kannte.

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt