„Wie lange wird es dauern, bis Ihr etwas gefunden habt, Heiler?", fragte ich, „Wie lange wird sie höllische Schmerzen aushalten müssen?"
Seine Augen wurden dunkler und er sah zu seinem gefüllten Arbeitstisch. Dann wanderten sie zurück zu der schreienden Yvaine.

Schließlich seufzte er.
„Ich weiß es nicht. Aber ich kann sie nicht einfach töten."
„Ihr Schicksal war besiegelt, als der Infizierte sie verletzt hat.", erinnerte ich ihn.

Ein schmerzvoller Schrei zerriss die Luft, den alle bis auf mich zusammen zucken ließ. Danach bettelte Yvaine heiser. Ihre Haare klebten verschwitzt an ihrer Stirn, ihre Haut hatte eine kränkliche Farbe angenommen.
„Tötet mich. Es ist ok. Tut es einfach.", sie bäumte sich auf, ehe sie hervorstieß, „Aber ich halte das nicht mehr... aus."
In einer weiteren Schmerzes-Welle zerrte sie an den Fesseln. Ihre Handgelenke waren inzwischen blutig gescheuert.

Drystans Kiefer mahlten, während er angestrengt auf die Wunde starrte.

Alaric kniete sich neben Yvaine, hielt ihre Hand.
„Ich kann es weiter versuchen! Du musst nur noch ein bisschen durchhalten."
Unter Tränen presste sie hervor.
„Nein. Dafür ist es zu spät. Ich merke, wie ich mich verändere."
Sie kniff die Augen zusammen und unterdrückte eine weiteren Schrei. Dann wieder mit dem Blick zu uns allen wiederholte sie.
„Tötet mich. Ich werde zur Gefahr."
„Bist du dir wirklich sicher?", hakte Visha eindringlich nach, „Es geht hier um dein Leben, Yvaine!"
Die Königwächterin nickte verkrampft.

Alaric presste die Lippen aufeinander, protestierte aber nicht länger. Allerdings konnte ich sehen, wie seine Gefühle um einander rangen.
„Yvaine...", setzte er an, aber sie fiel ihm abrupt ins Wort.
„Nein. Das ist meine Entscheidung. Du wirst kein Mittel finden und ich werde zur Infizierten. Lass mich lieber als ich selbst aus dem Lene scheiden."

Auf ihre Worte hin entstand ein belegtes Schweigen, in dem sie das Gesicht verzerrte, in dem Versuch nicht zu schreien.

Der Prinz neben mir trat plötzlich respektvoll einen Schritt vor.
„Ihr habt gut gedient, Lady Yvaine."
Seine Stimme zitterte ein wenig, aber er sah ihr ins Gesicht.
Sie nickte knapp, wimmerte kurz bei der nächsten Welle.
Auch Visha trat vor und legte die Faust aufs Herz.
„Du hast tapfer gekämpft, Yvaine. Du kannst stolz auf dich sein."
Sie nickte abermals, ehe ihre braunen Augen sich auf mich richteten. Sie war erschöpft, das konnte ich sehen.

Für einen Moment bekam ich keine Luft, meine Lunge war zu eng. Aber das verschwand wieder, als ich die Erinnerungen abgewehrt hatte.
„Ihr habt gut gekämpft", sagte ich leer und verbeugte mich respektvoll.
Sie lächelte schwach.
„Danke, dass Ihr mich beschützt habt, Lady Nemesis. Ihr habt mich zur Seite gestoßen und den Infizierten übernommen."
Sie verkrampfte sich erneut und ein gequälter Laut kam über ihre Lippen.

Meine Miene blieb unbewegt.
„Es hat Euch letzten Endes trotzdem den Tod gebracht. Ich verdiene keinen Dank."

Nachdem die Welle kurz abebbte, richtete sie ihre gequälten Augen wieder auf mich.
„Ihr habt mich trotzdem beschützt."
Schweigend sah ich weg. Es war aber nicht genug gewesen.

„Yvaine?", Alaric stand wieder auf, „Soll ich deine Zimmergenossinen holen, damit sie sich verabschieden können? Was ist mit deiner Familie? Willst du ihnen schreiben?"
Sie nickte und wir waren entlassen. Also verließen Visha, Drystan und ich das Zimmer.

Vor der Tür blieben wir bedrückt stehen. Nur war ich die einzige, der man es nicht ansah.

„Ich muss die Einteilung der Wachen für des Ball besprechen", murmelte Visha und wandte sich nach einer Verbeugung zum Gehen. „Eure Hoheit."

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt