Ungewöhnlicherweise war ich diejenige, die es brach.
„Diesmal tanze ich mit Euch. Ihr führt, ich folge." Nachdem ich den Plattenspieler angemacht hatte, lief ich zurück zu ihm.
Drystan nickte knapp, also stellte ich mich in seinen Arm. Inzwischen war ich es gewohnt, ihm dabei so nah zu sein. Eigentlich machte mich sowas nervös, aber bei ihm war es in Ordnung.
Außerdem glaubte ich, dass er mein Unbehagen am Anfang irgendwie gespürt hatte. Seine Hand an meiner Hüfte war ganz leicht, sodass ich es kaum spürte.

„Fühlt die Musik, lass Euch von ihr führen. Tanzt irgendwas.", erinnerte ich ihn, als es auch schon losging.

Durch das Kämpfen hatte ich gelernt auf minimale Bewegungen und Gewichtsverlagerungen meines Gegenübers zu achten. So war es leicht, seinen Schritten zu folgen.

In der Mitte des Tanzes merkte ich wie seine Schultern sich lockerten. Er sah zu mir runter und lächelte.
Ich erwiderte seinen Blick, auch wenn mein Gesicht versteinert blieb.

Nach einer Drehung fand ich zurück zu ihm. Wir glitten auseinander und kamen wieder zusammen. Seine Schritte wurden weicher, fließender und sicherer. Er atmete.

Als die Musik endete, verharren wir noch eine Sekunde länger in dieser Haltung. Sein Brustkorb hob und senkte sich.

Zum Abschluss vollführte ich einen formvollendeten Hofknicks. Der Prinz verbeugte sich.

„Das war sehr gut.", lobte ich ehrlich, „Ihr wart viel freier. Da war eine Verbindung zu der Musik."
Bedeutungsvoll sah er mich an. „Das liegt nicht nur an mir."

Als ich nichts erwiderte zuckte er die Schultern und unterdrückte ein Gähnen.

„Ihr solltet schlafen. Die Nacht dauert nicht mehr lange."
Drystan seufzte. „Ja. Nicht mehr lange und meine Pflichten holen mich wieder ein."

Ich sagte nichts dazu. In der Burg war mir weder die Nacht noch der Tag eine Zuflucht gewesen. Nur eine Zeit lang, wenn ich mich heimlich rausgeschlichen hatte, um die Sterne zu beobachten. Aber auch das war aufgeflogen. Wie ich schonmal gesagte hatte, dieses Mädchen war gestorben.

„Mir der Hochzeit helft Ihr Eurem Land.", bemerkte ich, „Ihr braucht die Truppen aus Chri-Delero um Leymalien zurückzuschlagen."
„Ich weiß", sagte er und sah zu Boden. „Das ändert nichts daran, dass ich mein Leben mit einer Frau verbringen muss, die ich noch nie gesehen habe. Ihr wird es bestimmt genauso wenig gefallen, wie mir."

Wieder schwieg ich. Ich wusste weder Worte, die die Situation besser machten, noch war ich in der Position Ratschläge zu geben.

„Vielleicht ist das der Preis für den Luxus und Macht. Der Adel darf sich seine Liebe für gewöhnlich nicht aussuchen", murmelte der Prinz.

In diesem Punkte mochte er recht haben.
„Es gibt immer einen Preis."

~•~

Am nächsten Morgen holte ich den Prinzen wie üblich bei seiner Tür ab. Als er öffnete, fiel mir sofort der fehlende Schlaf auf. Ich kam mit weniger Stunden in der Nacht klar, aber der Prinz hatte Augenringe und er sah mich genauso müde an.

„Guten Morgen", nuschelte er und blinzelte sich den Schlaf aus den Augen.
Wie es sich gehörte, verbeugte ich mich.
„Guten Morgen, Eure Hoheit. Wir hätten früher aufhören sollen."

Nemesis - Blut und Schwerter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt