Kapitel 4

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"Ich habe mich entschlossen zu gehen. Ich war in Spanien nicht mehr sicher. Meine Familie hat mich gejagt. Eher meine Mutter. Nun ist sie Tot. Ich sollte mir keine Sorgen mehr machen." Erklärte Alejandra kurz. Dabei ballte sie die Fäuste leicht. "Sie waren falsch. Sie waren das Gift in meinen Adern." Amaury nickte verstehend. "Meine Familie hat mich ausgesetzt also... naja wie auch immer", sie unterbrach sich selbst. "Assassinenfamilie?" Fragte die Spanierin leise. Amaury zuckte mit den Schultern."Keine Ahnung". Die Italienerin grübelte noch etwas, ehe Alejandra wieder begann zu sprechen "Meine waren reine Templer. Kein Wunder, dass ich nach dem Attentat auf meinen Vater nicht mehr willkommen war. So nahm ich die Chance zur Flucht. Mit dem Assassinen, der mich begleitete."

Amaury seufzte leise. "Wenigstens weißt du was über deine Eltern, meine haben mir nicht mehr als ihre Namen hinterlassen." Bei Amaury's Worten kam ein gewisses Gefühl der Machtlosigkeit in ihr auf. "Ich wünschte, ich wäre so unwissend wie du. Es wäre das größte Geschenk auf Erden." Alejandra setzte sich neben Amaury und legte eine Hand auf ihre Schulter. Die Italienerin lächelte, bei dieser Geste "Ich glaube beides hat seine Vor- und Nachteile." Mit einem Nicken stimmte sie der Italienerin zu und erwiderte ihr Lächeln.

"Es ist schon spät. Ruh dich aus, Amaury. Morgen wird ein anstrengender Tag auf uns zukommen." Die Angesprochene nickte und gähnte. Zuvor hatte sie die Müdigkeit nicht gemerkt, doch jetzt wo sie darauf angesprochen wurde, fiel sie fast um. Alejandra strich vorsichtig mit ihren Fingern durch die Haare der Italienerin. Sie selbst hatte dies damals unheimlich genossen. Die Spanierin begann leise zu singen. Es war ein Lied auf Spanisch, was seine Wurzeln im Latein trug. Es war so beruhigend und entspannend, weshalb sich die Augen der jüngeren Assassine schlossen, ohne das sie etwas dagegen hätte machen können. 

Am nächsten Morgen wurde die Italienerin vom leisen Gesang geweckt. Sie befand sich in einem Düsteren Raum, der nur von schwachem Kerzenlicht erleuchtet wurde. Unzählige Spiegel waren im Raum zu sehen, meist trugen diese schon feine Risse im Glas. Vorsichtig blickte sich Amaury um. Wo war sie? Sie erkannte die Melodie, welche sie schon davor wahrnahm. Alejandra summte, eben diese Töne, die sie ihr schon  im Wohnzimmer vorsummte. Plötzlich war Stille, dafür waren allerdings kurz darauf andere Geräusche zu hören. Rascheln von Papier, und eine Stimme, die leise etwas flüsterte. Es klang nach einem Brief, der auf Spanisch verfasst wurde. Durch die Ähnlichkeit der Sprachen gelang es der Italienerin einiges zu verstehen. Zwar nicht alles, doch genug um den Sinn der Sätze zu erkennen.

"Liebe Alejandra. Ich weiß was du siehst, wenn du auf dieses Stück Papier blickst. Du siehst Schwäche in deinen Aktionen, zweifelst an dir. Wahrscheinlich sitzt du irgendwo allein im Dunkeln, erleuchtet von Kerzen, wie ich jetzt, wenn ich diesen Brief schreibe. Wirst du auch die Spiegel dort zertrümmern, wie ich hier in Madrid, weil du Angst hast, dir ins Gesicht zu blicken? Wie geht es dir überhaupt? Hast du Kontakt mit anderen geschlossen? Egal was kommen mag, fürchte dich nicht. Nicht vor der Einsamkeit, auch nicht vor der Dunkelheit. Empfange sie mit offenen Armen. Du wirst sehen, was ich meine. Deine Alejandra aus Madrid." 

Vorsichtig setzte sich Amaury auf. Sie blickte ihre neue Verbündete mitfühlend an. "Alejandra?" flüsterte sie leise. Sie wollte sie nicht erschrecken. Die Spanierin legte den Brief zur Seite, zog die Kapuze tief ins Gesicht. "Buenos dias, Amaury. Hast du gut geschlafen?" Fragte sie. Ihre Stimme wirkte etwas brüchig, etwas heller als sonst. "Ja habe ich." Sie gähnte nochmal und setzte sich an den Rand des Bettes. "Freut mich." Murmelte sie leise und erhob sich. 

Mit einer Kerze in der Hand trat sie zu der Italienerin und erleuchtete ihr so ein Wenig den Raum. Am Bett angelehnt stand ein langer Spanischer Säbel. Dazu verriet Alejandras leises Gähnen ihren dezenten Schlafmangel. Fordernd streckte Amaury ihre Arme nach der Spanierin aus, "Komm her". Alejandra seufzte leise, stellte die Kerze auf ein Kleines Schränkchen, neben dem Bett. Sie setzte sich dicht neben die Italienerin. "Was gedenkst du zu tun?" Ein verschmitztes Lächeln entkam Amaury. "Du wirst dich jetzt ausruhen, verstanden?" 

"Habe ich bereits. Ich kann nur nicht wirklich schlafen. Der Säbel liegt nicht ohne Grund neben meinem Bett. Wenn mich jemand angreift, kann ich sofort reagieren. Damit habe ich auch Noah vor drei Jahren in Madrid entdeckt." Alejandra gähnte erneut, rieb sich die Augen, die unter der Kapuze verborgen waren. "Probier es trotzdem, ich passe derweil auf dich auf. Dann musst du nicht auf Alarmbereitschaft sein." mit dem zog die Italienerin die Ältere an sich und ließ sich mit ihr auf's Bett fallen. Alejandra schnaubte leise. 

"Na schön, Mija. Du hast gewonnen. Ich werde es versuchen." Sie zog erneut die Kapuze in das Gesicht, versuchte ihre Augen um jeden Preis zu verstecken. "Wenn ich schlafen sollte, durchsuche bitte nicht das Zimmer." Alejandra hatte noch immer diese Brüchige leicht zittrige Stimme. "Keine Sorge, das werde ich nicht." Sie lag immer noch neben ihr mit den Armen um sie. "Ich hoffe doch..." murmelte sie leise. "Das letzte Mal als jemand dies von sich gab, musste ich ihm einen Rapier an den Hals halten." Alejandra blickte zu den unzähligen zerbrochenen Spiegeln, um einen Blick auf Amaury zu erhaschen. "Du bist echt etwas besonderes, Kleine. Weißt du das?" Die Jüngere zog verwirrt die Stirn in Falten "Inwiefern besonders?"

"Du bist ein Tollpatschiges, einzigartiges, wunderschönes Mädchen. Du bist ein wahrer Engel, Amaury Auditore." Das brüchige in ihrer Stimme verschwand allmählich. Die Präsenz der Jungen Assassine heiterte sie in einer unkonventionellen Art auf. Ein kleines Lächeln stahl sich auf die Lippen der Italienerin, wobei sie ein "Okay" und "Gute Nacht." hauchte. "Buenas Noches" hauchte die Spanierin leise zurück, genoss die Körperwärme der Auditore, die sich an sie anschmiegte. Dieses beklemmende Gefühl verschwand allmählich und langsam versank Alejandra in die Welt der Träume. Mit der Spanierin weiterhin beschützend in den Armen, döste Amaury, trotz dem Willen auf ihre Freundin aufzupassen, nochmal weg. 

Es war spät in der Nacht. Der Mond stand hoch über den Himmel von England. Der kalte Wind blies durch die Straßen und riss Alejandra aus dem Schlaf. Instinktiv griff sie nach dem Säbel, als sie die Arme der Jüngeren Assassine um sich merkte. Doch dann ließ sie ihn vorsichtig fallen, erinnerte sich an Amaury, die ihr Gesellschaft leistete. Sie wollte der Kleinen nicht schaden. Doch wie löste sie sich von der Italienerin, ohne sie zu wecken? Allerdings wurde eben diese durch die Bewegung und dem Geräusch des Säbels aufgeweckt. "Mh was? Ich bin wach!" Alejandra atmete laut aus, gab ein leises "Mierda..." von sich. 

Sie blickte zur Seite, in das Gesicht der Auditore. Ein leichtes verzweifeltes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. "Ich wollte auf das Dach. Möchtest du mitkommen?" Amaury überlegte ehe sie ihre Antwort, mit einer verschlafenen Stimme preis gab, "Ehm klar." Die Spanierin erhob sich und richtete ihre Kapuze erneut zurecht. Sie ergriff mit einer Hand die Kerze und hielt Amaury kühl lächelnd die Hand hin. "Vamos Amaury." Diese nahm ihre Hand und stand auf. Noch war sie nicht ganz wach. Sie brauchte immer ein bisschen um komplett denken zu können. Geschweige denn Aktionen auszuführen. Alejandra öffnete die Tür und zog sie hinter sich her. Sie liefen leise durch die Flure, des alten Haupquartiers. Und bestiegen Wendeltreppen, von deren Existenz Amaury nicht mal wusste. Schließlich stoppte sie bei einer Leiter und blickte ihre Begleitung erwartungsvoll an.

I won't back downWhere stories live. Discover now