4. Kapitel

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Stumm essen beide ihren Kuchen in Lilias Zimmer. Sie hatte, aus ihr unerklärlichen Gründen, seinem Vorschlag doch zugestimmt. Aber nichts desto trotz ist ihr unwohl bei der Sache. Schließlich kennt sie den Typen gar nicht. Alles was sie über ihn weiß ist sein Name, dass er in ihrer Nähe wohnt und das er unglaublich nervig ist. Wenigstens isst er seinen Kuchen ohne etwas zu sagen. Das ist ja schon einmal ein Fortschritt. Lilia ist mit ihrem Stück zuerst fertig, weshalb sie sich in ihrem Zimmer ein wenig umsieht. Zum Glück hatte sie die Blutflecken weggewischt, bevor Meran kam. Vermutlich wäre er nicht so ruhig, wenn sie noch da wären. Da fällt ihr ein, wer hat ihm eigentlich gesagt, dass sie in seiner Nähe wohnt? In der Schule hat sie schließlich mit niemandem etwas zu tun. Also kann auch niemand wissen, wo sie wohnt. Außer sie hat einen Stalker, aber das ist zu unwahrscheinlich. Nach einer Weile des Grübelns fällt es ihr ein. Früher, in ihren ersten Jahren auf der Schule, hatte sie Freunde. Nicht viele, aber sie hatte welche. Nur haben sie sich auseinander gelebt. Deshalb hatten sie dann keinen Kontakt mehr und inzwischen gehören ihre Kindheitsfreunde auch zu denen, die sie ignorieren und manchmal fertig machen. Naja, ihr ist das egal. Solche Freunde braucht sie nicht.

Als auch Meran fertig mit seinem Kuchen ist, nimmt Lilia stumm ihre beiden Teller und bringt sie in die Küche. Dort stellt sie sie ins Waschbecken. Kurz lehnt sie sich auf die Fensterbank und atmet tief ein.
„Jetzt muss ich ihn nur noch irgendwie loswerden.“, sagt sie zu sich selbst und geht zurück in ihr Zimmer. 

Am liebsten wäre sie ihm an den Hals gesprungen, als sie die Tür öffnet. Er hat vermutlich ihr ganzes Zimmer untersucht und macht sich gerade an einer ihrer Schubladen zu schaffen. Bisher hat er sie nicht bemerkt, weshalb sie sich einen ihrer Schuhe, die neben der Tür stehen, nimmt und ihn ihm an den Kopf wirft. Er zuckt zusammen und blickt erschrocken hoch. Lilia funkelt ihn wütend an.
„Raus!“, schreit sie ihn an, doch er will nicht hören. Obwohl sie ihn auf frischer Tat ertappt hat, macht er unbeirrt weiter. Sie stapft sauer zu ihm, zieht an seinem Arm herum, bis er sie wieder ansieht.
„Wo hast du sie versteckt?“, ist alles, was er zu ihr sagt. Sie versteht gar nichts. Steht vollkommen auf dem Schlauch. Meran verdreht die Augen und greift nach ihrem Handgelenk. Jetzt versteht sie. Das sucht er also.
„Das geht dich nichts an, und jetzt raus hier!“ Er seufzt auf, macht sich aber auf den Weg aus dem Zimmer. In der Tür hält er jedoch an.
„Unter einer Bedingung gehe ich.“ Sie sieht ihn fragend an. „Du kommst mit.“, fährt er fort. Lilia lacht nur verächtlich auf und grinst überlegen.
„Warum sollte ich?“, fragt sie ihn provokant. Meran denkt kurz nach. Dann zuckt er jedoch einfach mit den Schultern.
„Einfach so. Kannst mir ja ein wenig die Gegend zeigen. Schließlich bin ich gerade erst hergezogen.“ Als ob sie das tun würde. Aber sie hat eine Idee. Und die sollte eigentlich funktionieren, hofft sie.
„Okay.“ Meran schaut sie verwundert, das sie so schnell nachgegeben hat, an. Aber er hegt keine Zweifel, sondern lacht sie einfach an. Sie zieht sich schnell Schuhe an und geht dann Richtung Haustür, gefolgt von Meran. Als sie gerade einen Schritt aus der Tür draußen sind, hält sie inne.
„Verdammt, ich habe meinen Schlüssel im Zimmer vergessen, warte du hier.“ Meran nickt, denkt scheinbar gar nicht daran, das Lilia ihn austricksen will. Als sie wieder im Hausflur ist, schlägt sie schnell die Tür zu. Auf ihren Lippen liegt ein zufriedenes Grinsen. Von der anderen Seite der Tür hört sie Merans Lachen.
„Gut gespielt, Lilia! Nächstes Mal gewinne ich!“, ruft er ihr durch die Tür zu. Doch Lilia beachtet das gar nicht. Soll er doch denken. Wenn es nach ihr geht, gibt es kein nächstes Mal mehr. Doch so, wie sie Meran bisher einschätzt, wird es schwer diesen Plan auch durchzuführen. Aber sie ist zufrieden, solange sie zumindest für den Rest des Tages, ihre Ruhe hat. Noch mehr Meran an einem Tag erträgt sie einfach nicht. Sie seufzt. Für heute hat sie es geschafft. Denkt sie. 
Als sie gerade ihr Zimmer betritt, hört sie, wie etwas an ihr Zimmerfenster klopft. Was ist das? Sie sieht hinaus, kann aber nichts entdecken, was ungewöhnlich wäre. Verwundert geht sie hin, macht das Fenster auf und schaut raus. Meran steht neben dem Fenster an der Wand gelehnt. Legt stumm einen gefalteten Zettel auf das Fensterbrett, lacht und geht dann wieder. Lilia knurrt ihm noch nach. Das ist der Nachteil an einem Zimmer im Erdgeschoss. Sie schaut auf den Zettel herab und entfaltet ihn. Darauf steht eine Handynummer. Daneben ein ‚Schreib mir ;)‘. Das kann er vergessen. Sie macht das Fenster wieder zu und wirft den Zettel in ihren Mülleimer. Als ob sie ihm schreiben würde. 
Sie wirft sich auf ihr Bett und macht sich Musik an. Endlich kann sie mal ein wenig entspannen und hat ihre Ruhe.

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