Die Sache am Scheideweg ...

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Rynt / 25. / Im Shaddach

Celeste presste die ganze Nacht den geflochtenen Schweif von Cyrasse an ihre Brust. Stumm schritt sie hinter mir her durch das Unterholz.

Meine Kleidung wollte nicht trocken werden. Mein Hemd klebte an meinem Rücken und jedesmal wenn der Wind durch die Bäume fuhr, fröstelte mich bis auf die Knochen.

Ich dachte mir: »Ich muss mich aufwärmen, sonst hab ich in zwei Tagen eine mächtige Erkältung.«

Kaum war mein Gedanke abgeschlossen, trat ich durch eine Hecke und stand mitten auf einer Waldstraße. Ich hab keine Ahnung wie wir dort hingelangt sind. Mein Orientierungssinn ist hervorragend, aber irgendwie waren wir viel weiter östlich als geplant. Auf jeden Fall gabelte sich der Weg.

Ich sah kurz nach links und rechts, dann trat ich durch die Hecke zurück in den Wald.

»Hört her. In etwa 50 Metern teilt sich der Weg. Einer führt ins Gebirge, der andere in die Sümpfe.«

Ich konnte Celeste schlucken hören.

»Bevor wir weitermarschieren, muss ich Feuer machen. Mir ist kalt.«

So gut ich konnte stapelte ich mit meinen klammen Fingern ein paar Äste übereinander und entzündete sie mit einem Feuerstein. Ich bließ ein paar Mal in die Flammen bis sie in die Höhe züngelten. Ich mag Feuer.

Celeste setzte sich mir gegenüber auf den Boden, zog die Stiefel aus und streckte die Füße Richtung Feuer. Der Haarschweif von Cyrasse lag auf ihren Oberschenkeln und sie streichelte ihn nachdenklich. Schließlich fragte sie: »Wann habt ihr euren Glauben an die Fantasie verloren, Bron?«

Ich starrte stumm in die Flammen. Ich dachte an meine Brüder, ich dachte an Sulaan, mein Heimatdorf. Eigentlich hatte ich keine Lust die ganze Geschichte zu erzählen, aber irgendwie tat mir Celeste leid und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich sie nach dem Verlust von Cyrasse so angebrüllt hatte. Also begann ich zu erzählen.

»Ich stamme aus Selaan. Kleines Dorf am äußeren Rand der alten Reisfelder. Mein Vater war Bauer, meine Mutter Schäferin. Wir lebten in einer kleinen Hütte, groß genug, dass wir alle in der Nacht drin Platz fanden. Am Tag waren wir sowieso immer draußen. Ich hab zwei ältere Brüder. Wie Brüder eben sind, hatten wir immer Blödsinn im Kopf. Alles in allem war es eine schöne Kindheit ... bis ich kurz nach meinem achten Geburtstag alles kaputt machte.

Der Schnee war ein paar Tage lang gefallen und das Dach der Reiskammer war morsch. Jeder wusste das, aber keiner fühlte sich verantwortlich es zu reparieren ... der Effekt war: Irgendwann war die Schneelast zu hoch und das Dach krachte in der Nacht zusammen. Der ganze Schnee durchnässte den trockenen Reis und ließ ihn quellen. Habt ihr schon mal versucht gequollenen Reis zu kochen? Es ist ekelhaft. Aber das war nicht das Problem. Das wahre Problem war, dass die Menschen die Säcke in ihre Hütten brachten. Dort war es schön warm. Warm genug, damit sich ein Pilz ausbreitete. Hochgiftig, wie wir nach ein paar Tagen bemerkten. Im Nu war das halbe Dorf sterbenskrank. Nach zwei Wochen waren neun Leute tot.

Irgendwie blieb ich gesund. Vielleicht meine Konstitution, mein Wille, keine Ahnung ... schließlich beschloss ich etwas zu unternehmen. Ich klaute das Geld aus der Gemeindekasse ... mit acht Jahren, wohlgemerkt ... und dann lief ich los um einen Magier zu suchen. Mein Dorf hielt nichts von diesen Astralpraktikern, aber ich glaubte ganz fest an sie. Heute ist das ja was anderes. Heute weiß man ja, wie die Zauberei funktioniert und man hat alles im Griff. Die "Revolution des Geistes" vor zwölf Jahren hat da echt viel bewirkt ... egal ... also lief ich los. Ich weiß nicht wie lange ich unterwegs war. Zwei oder drei Tage bis ich einen Notfallmagier fand. Seine Hütte stand zwischen zwei mächtigen Birken und vor ihr standen jede Menge Menschen in einer Reihe an. Menschen mit blutenden Wunden, Menschen mit Ausschlag, mit Beulen, mit Geschwüren. Es stank.

Bron Sigkrumm und die Beine von CelesteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt