12. Sturm

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Dämmerlicht umhüllte mich, die Luft war schwer und klamm. Ein leichter Regen viel vom dunklen Himmel, verwandelte den staubigen Boden in Schlamm. Der kalte Wind zerrte an mir und fuhr heulend durch den tiefen Abgrund, der nur wenige Meter von mir entfernt klaffte. Mein Herz setzte kurz aus, schmerzhaft zog es sich zusammen. Der Wind wurde stärker, schob mich näher an die Kante. Kalte Angst machte sich in mir breit, vergiftete meinen Verstand und ließ meinen Atem stocken. Ich meinte ein Wispern im Sturm ausmachen zu können, vielstimmig und schrill. Mit jeder Böe schwoll es an, gehässig kreischend. Verzweifelt lehnte ich mich gegen den Sturm, suchte nach etwas, das Halt gibt. Doch da war nichts, nur die endlose Einöde, die mir schon so oft begegnet war. Der Regen prasselte immer stärker auf mich herab und ertränkte das tote Land. Ich fiel auf die Knie und rollte mich Schutz suchend zusammen. Ich wusste wie es enden würde. Ich würde in endlose Schwärze fallen, begleitet von hämischen Schreien und nackter Angst. Ich wollte das nicht. Ich wollte einfach nur, dass es aufhört. Ich wollte hier raus. Taumelnd kämpfte ich mich hoch und ging schwankend auf den Abgrund zu. Ich konnte es einfach nicht mehr. Ich gab auf.
Mit jedem Schritt schwand der Schmerz und eine mir unbekannte Ruhe breitete sich in mir aus, vertrieb die in mir wütende Kälte. Zitternd stand ich am Rand und blickte nach unten. Der Wind drückte in meinen Rücken, der peitschende Regen nahm mir die Sicht. Das beruhigende Trommeln erfüllte mich und verdrängte die grausamen Worte die der Wind in sich trug. Ich schloss die Augen und atmete ein letztes Mal tief durch. Und dann sprang ich.
Ein gellender Schrei durchdrang die Stille in mir, weckte einen Teil, den ich schon lange tot geglaubt hatte. Ruckartig riss ich die Augen auf. Die Dunkelheit schrie nach mir, wollte mich in ihre kalten Tiefen ziehen.
Doch ich fiel nicht. Ich baumelte hilflos über dem Abgrund und lediglich eine Person hinderte mich daran zu fallen. Er hatte meinen rechten Arm fest umschlungen und blickte mich verbissen an. Ein warmer Schauer durchfuhr mich und ich sah traurig zurück. Das Blau seiner Augen drohte mich zu verschlingen und das dunkle Haar stand in wirren Strähnen ab.
„Lass mich gehen."
Leise und klar kamen die Worte über meine Lippen.
Doch er schüttelte nur traurig den Kopf und hievte mich angestrengt hoch. Ich war mir sicher, er würde mich fallen lassen. Doch kaum dass ich nicht mehr Gefahr lief jeden Moment zu fallen, zog er mich in seine Arme und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge.
„Nein."
Seine Stimme zitterte und brach zum Ende hin. Erschöpft lehnte ich mich an ihn. Er war so herrlich warm. Aufseufzend strich er mir übers Haar. Ich könnte Ewigkeiten so bleiben.

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