Kapitel 2

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Schon aus einiger Entfernung wirkte der Hauptsitz von Sharman Enterprises im Vergleich zu den übrigen Gebäuden der Stadt äußerst beeindruckend. Doch erst als Hailey direkt vor dem Haupteingang stand, wurde ihr die tatsächliche Größe des Wolkenkratzers bewusst. Er schien in den Himmel zu ragen und sich beinahe in den Wolken über der Stadt zu verfangen.

Meggies Worte klangen in ihrem Kopf nach: »Sein Unternehmen ist auf dem Weg nach oben. Es ist, als ob er eine Art Firmengott wäre.«

Hailey seufzte schwer und ging, die Hände zu Fäusten geballt, durch die Drehtür. Sie stieß fast mit einem Mann zusammen, der ihr einen vielsagenden Blick zuwarf und dann davoneilte.

Sie schaute sich um und ging langsam weiter, bis sie neben den Aufzügen den Empfangsbereich entdeckte. Hinter dem Tresen stand eine junge blonde Frau.

Das Innere des Gebäudes sah genauso kühl aus wie seine Fassade: ein heller Marmorfußboden, schwarze Wände mit goldenen Verzierungen sowie ein paar Ledersofas, die vermutlich als Sitzgelegenheit für wartende Kunden gedacht waren.

Die Empfangsdame zuckte zusammen, als Hailey ihre Hände auf die kalte, dunkle Platte des Tresens legte. Sie war wahrscheinlich nicht viel älter als sie selbst und trug einen Bleistiftrock kombiniert mit einer weißen, eleganten Bluse. Das Lächeln, das auf ihrem Gesicht erschien, wirkte aufgesetzt.

»Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte sie höflich.

»Ich suche nach«, Hailey zögerte, sie musste einmal tief durchatmen, um sich zu sammeln, »Victor Sharman.«

»Haben Sie einen Termin?« Die Empfangsdame beugte sich über den Bildschirm eines kleinen Laptops und tippte eilig etwas auf der Tastatur. »Soweit ich sehen kann, hat CEO Sharman in der nächsten Stunde keinen Termin.«

»Ich habe keinen Termin«, antwortete sie. »Aber ...«

»In diesem Fall tut es mir wirklich leid.« Die Blondine ließ Hailey nicht ausreden. »Der Vorsitzende empfängt niemanden ohne vorherige Anmeldung.«

»Sie sagten, er habe gerade keinen Termin, und es sollte nicht länger als ein paar Minuten dauern. Es ist wirklich wichtig. Kann man denn gar nichts machen?«

Die Empfangsdame seufzte.

»Ich kann die persönliche Sekretärin des Vorsitzenden anrufen, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er Zeit für Sie haben wird.«

»Ich wäre Ihnen sehr dankbar.«

»Ihr Name?« Sie schaute wieder auf den Bildschirm des Laptops.

»Warren. Hailey Warren.«

Die Frau runzelte die Stirn. Sie tippte etwas auf der Tastatur ein, löschte es und wiederholte beide Vorgänge noch zwei weitere Male. Dann hob sie endlich den Kopf, sah Hailey an und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, ganz anders als das, das noch vor wenigen Augenblicken auf ihrem Gesicht erschienen war.

»Es sieht so aus, als würde Mr Sharman Zeit für Sie haben, Miss Warren«, verkündete sie und stand auf. Sie deutete mit der Hand auf einen von mehreren Aufzügen. »Bitte nehmen Sie den vierten Aufzug und fahren Sie in den 58. Stock. Die Sekretärin wird Sie zum Büro des Vorsitzenden führen.«

Hailey, immer noch leicht irritiert von der plötzlichen Veränderung in der Haltung der Frau, antwortete nur mit einem Nicken. Als sie den Aufzug betrat und die Etagennummer wählte, schlossen sich die Metalltüren vor ihr, und von allen Seiten umgab sie eine tiefe Stille.

Sie wollte plötzlich lachen. Die ganze Situation hätte von außen betrachtet wirklich komisch sein können, wie das Drehbuch einer Fanfiction, die sie als Teenager geschrieben hatte. Doch sie brachte nicht einmal ein kleines Lächeln zustande, denn sie spürte wieder denselben Zorn, der bereits in ihr aufgestiegen war, als Thomas ihr den Preis mitgeteilt hatte, den Victor Sharman für die Rettung des Familienunternehmens genannt hatte. Sie empfand Wut, Enttäuschung und eine seltsame Traurigkeit, weil sie wie eine Sache, die man sich einfach wünschen kann, behandelt wurde.

Devil [Germany Edition]Where stories live. Discover now