Kapitel 1

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Die Frauen lächelten ihn immer auf dieselbe Art und Weise an: ein wenig schüchtern und mit einem Funkeln in den Augen. Es war, als ob sie sich für die Gedanken schämten, die ihnen plötzlich in den Sinn kamen, wenn sie jemandem wie Victor Sharman gegenüberstanden.

Das war das Lächeln, das Nina ihm zuwarf, als er kurz vor sieben Uhr morgens in der Zentrale von Sharman Enterprises eintraf.

Mit einer schüchternen Handbewegung strich sie ihr langes, blondes Haar zurück, das ihr über die Schulter fiel, als sie sich aufrichtete. Dann legte sie beide Hände auf die helle Schreibtischplatte und beugte sich leicht vor. Sie war gekleidet wie die meisten Sekretärinnen in der Firma: enger schwarzer Rock und makellose weiße Bluse.

»Guten Morgen, Mr Sharman«, flötete sie, und ihre vollen, roten Lippen lächelten ihn freundlich an. »Es wurden vor dem Lunch keine Meetings angesetzt, aber am frühen Morgen ist hier ein junger Mann vorbeigekommen«, informierte sie ihn und deutete mit einer Handbewegung auf die weißen Ledersofas, die an der Wand standen.

Victor Sharman betrachtete den schlanken, dunkelhaarigen Mann. Er war vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als er selbst, aber sein blasses, ergrautes Gesicht trug zu seiner Ernsthaftigkeit bei.

»Ich habe ihm gesagt, dass es unwahrscheinlich sei, dass Sie für jemanden wie ihn, der unangemeldet vorbeikommt, Zeit haben werden, aber ...«

»Schon okay, Nina«, warf er ein.

Er steckte die Hände in die Taschen seiner schwarzen Anzughose und ging erhobenen Hauptes voran. Nina hatte recht: Um ihn persönlich zu treffen, reichte es nicht aus, einfach die Schwelle des Unternehmens zu überschreiten. Victor Sharman hasste es, seine Zeit mit Leuten zu verschwenden, die ihm nicht das bieten konnten, was er haben wollte.

Als er etwa zwei Meter vor der weißen Couch stehen blieb, hob der dunkelhaarige Mann den Kopf und sprang, als er ihn sah, eilig auf.

Victor erkannte ihn sofort, obwohl sich der Schatten der Niederlage auf dem Gesicht des Neuankömmlings abzeichnete und seine gesamte Gestalt seltsam gebückt erscheinen ließ.

»Wir werden uns in meinem Büro unterhalten«, verkündete er knapp.

***

Das Büro befand sich in der obersten Etage des Wolkenkratzers von Sharman Enterprises. Durch die großen Fenster konnte man hinunter auf die belebten Straßen von Philadelphia sehen, die von leichtem Regen und morgendlichem Nebel durchzogen waren.

Victor wandte sich dem breiten, dunklen Schreibtisch zu. Direkt hinter ihm, auf einem der beiden mit schwarzem Leder bezogenen Sessel, saß ein leicht gebeugter Thomas Warren – ein Narr, der alles haben könnte, wenn er es denn nur wollte.

Als Victor vor fünf Jahren Sharman Enterprises gründete, war die Warren Company seine größte Konkurrenz gewesen. Edward Warren, der Gründer des Unternehmens, machte jedoch einen großen Fehler: Er überschrieb den Großteil der Aktien auf seinen Sohn, der das Familienerbe daraufhin mit sich in den Abgrund gerissen hatte.

Von dem Moment an, als die Probleme der Warren Company zum ersten Mal ans Licht kamen, wusste Victor, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Er wartete nur darauf, dass Thomas wie ein geprügelter Hund vor ihm stehen würde und bereit wäre, eine Menge zu opfern, um das zu retten, was er durch seine eigene Dummheit kaputt gemacht hatte.

»Ich verschwende wirklich nicht gerne Zeit mit unnötigen Formalitäten«, sagte er kurz und korrigierte die Manschettenknöpfe, die unter den Ärmeln seines schwarzen Jacketts hervorschauten. »Lass uns also zur Sache kommen. Wie ich vermute, wissen wir beide, was Sinn und Zweck deines Besuchs ist.«

Devil [Germany Edition]Where stories live. Discover now