Kapitel 31

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Als ich die Augen aufschlug fiel mein Blick zuerst auf die kahlen, weißen Wände meines Zimmers. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite, um einen leeren Platz neben mir vorzufinden. Ich brauchte einen Moment, bis ich zu realisieren begann. Ich war alleine.

In meinen Gedanken reflektierte ich alles, was am Vortag, oder besser gesagt noch in dieser Nacht, geschehen war.

Ist es etwa doch bloß ein Traum gewesen? Wieso zur Hölle träumte ich dann davon, dass Harry hierher zurückgekommen war?

Vorsichtig richtete ich mich auf. Als ich meine Decke glatt strich, entdeckte ich zu meiner Linken einen kleinen, zusammengefalteten Notizzettel. Verwirrt entfaltete ich ihn und las ihn mir durch. Die Handschrift erkannte ich sofort. Also doch kein Traum...

Guten Morgen, Rose (Solange es noch Morgen ist, wenn du diesen Brief liest). Es tut mir leid, dass ich so früh gehen musste, aber ich wollte dich nicht aufwecken. Glaub mir, es ist besser so. Ich wollte den Abschied nicht noch schlimmer machen, als er ohnehin schon ist. Ich werde dich so vermissen. Aber es ist Zeit...

Danke. Für alles, was du für mich getan hast. Ich bin dir so dankbar.

Harry .x

Abschied? Ich werde dich vermissen? Es ist Zeit?

Was zur Hölle meinte er damit?

Ich hatte bereits eine leise Vorahnung, die allerdings nichts Gutes zu bedeuten hatte.

Im nächsten Augenblick hatte ich nach meinem Handy auf dem Nachttisch gegriffen und ohne zu zögern Harry's Nummer gewählt. Mit rasendem Herzschlag wartete ich darauf, endlich seine dunkle Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören - doch das Piepsen nahm kein Ende.

"Zurzeit ist der von Ihnen gewünschte Gesprächspartner leider nicht erreichbar..." ertönte eine schallende Stimme aus dem Lautsprecher.

"Harry, nimm sofort ab! Was soll das Ganze?" rief ich nach dem Piepton. Aufgewühlt legte ich das Handy neben mich.

"Wo bist du, Harry?" murmelte ich leise vor mir hin, während mir tausende mögliche Szenarios durch den Kopf wirbelten.

Abschied... Was bedeutete das? Wo ist er hingegangen, dass er von Abschied sprechen musste? Was zur Hölle hatte er vor und warum verdammt hat er mich nicht in seinen "Plan" eingeweiht?

"Guten Morgen, Miss Preslin" begrüßte mich Doktor Curtis und riss mich somit aus meiner Trance "Wie geht es Ihnen?"

"Mir... Mir geht's gut" antwortete ich überrascht. Meine Gedanken drehten sich in diesem Moment allein um Harry und darum, wo er war und warum zum Teufel er nicht abnahm.

Dr. Curtis fing an zu erzählen, allerdings konnte ich mich auf Biegen und Brechen nicht darauf konzentrieren, denn meine Gedanken waren nach wie vor ganz woanders.

Ich schnappte einzelne Worte auf, wie Schmerztabletten, heilende Verletzungen und heute nach Hause gehen, woraus ich schließen konnte, dass ich das Krankenhaus endlich verlassen durfte.

Es dauerte nicht lange bis mein Dad vorbeikam, um mich abzuholen.

"Rose?" fragte er, sobald wir im Auto saßen und uns auf den Weg nach Hause machten "Ist alles in Ordnung? Du bist so still"

Ich nickte nur, während ich weiterhin aus dem Fenster schaute und mich auf die vorüberziehenden Bäume konzentrierte.

Die ganze Sache mit Harry verwirrte mich. Wie konnte es sein, dass der Kerl von der einen auf die andere Sekunde verschwand? Einfach so? Was verdammt hatte das alles auf sich?

Das Erste, was ich zuhause tat, war ihn anzurufen. Wieder und wieder. Und immer hörte ich dieselbe, schallende Stimme, die mir verriet, dass Harry gerade "nicht erreichbar" wäre.

Ich entschied mich es ein letztes Mal zu versuchen. Gerade stellte ich mich auf die mir mittlerweile allzu bekannte, dröhnende Stimme ein, als das Piepsen aufhörte.

"Harry?" fragte ich aufgeregt. Keine Antwort.

"Harry, wo bist du?"

"Spielt das überhaupt eine Rolle?" hörte ich ihn von der anderen Leitung aus sagen.

"Ob das eine Rolle spielt? Meinst du das gerade ernst?!"

"Rose, ich konnte nicht länger hierbleiben, das weißt du genau. Ich habe nichts mehr, was mich hält. Keine Wohnung, keinen Job - nichts. Es ist mir schwer genug gefallen, dich wieder hängenlassen zu müssen, aber ich werde dir ganz sicher nichts sagen, wo ich bin, damit du-"

"Harry!" unterbrach ich seinen Redefluss wütend "Sei nicht albern und hör auf mit den Spielchen, denn das ist nicht lustig, klar? Wir spielen nicht Verstecken, also sag mir endlich wo du bist!"

"Nein" entgegnete er entschlossen "Wir werden uns früher oder später wiedersehen, Rose. Bitte vertrau mir einfach"

"Nenne mir einen guten Grund, warum du verdammt noch mal nicht "zurückkommen" kannst, Harry!"

"Du verstehst das nicht" zischte er "Und hör endlich damit auf, zu versuchen, mich umzustimmen. Ich komme vorerst nicht zurück und damit basta"

"Dich umzustimmen?" Ich lachte auf "Ich werde dich ganz sicher nicht zurückhalten, immerhin hast du ja jetzt nichts mehr zu verlieren. Mich auch nicht, denn das hast du gerade geschafft" fügte ich noch hinzu.

Und damit legte ich auf und ließ im keine Chance für eine Antwort, denn ich war mir sicher, dass diese es nur geschafft hätte, mich noch mehr zu verletzen...

*

Überraschung! Ich weiß es nicht besonders lang aber ich wollte euch endlich mal wieder mit einem neuen Kapitel glücklich machen :) Viel Spaß beim Lesen, meine Lieben ♥️

Half a HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt