Der Quartiermeister

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Als dies geschehen war, stellte er sich vor den Wartenden hin und sagte in eindringlichem Ton: „Von jetzt ab macht ihr folgendes: nämlich das Oberdeck säubern, und zwar vom Bug bis Achtern, jeden Tag! Ich möchte, dass es ordentlich gemacht wird, ihr hört nicht eher auf zu schrubben, bis alles blitze-sauber ist! Deckschrubben klingt nach Weiberarbeit, ist aber eine sehr spezielle Aufgabe; werden die Planken nicht vernünftig gepflegt, reißt das Holz immer weiter auf, das zieht sich durch das gesamte Schiff, und spätestens die karibische Sonne gibt ihm den Rest."

Er nahm sich ebenfalls einen Scheuerstein und hielt ihn hoch. „Ich arbeite euch vor, und ihr macht es mir nach: zuerst mit dem Scheuerstein – dieser Klotz besteht praktischerweise aus gepresstem Sand – den Schmutz abkratzen, alsdann den Lappen mit der Sodalauge tränken und drüberwischen. Seht her!"

Er kniete sich hin und führte es einige Male vor, während er erklärte: „So wird das gemacht, Jungs ... immer gleichmäßige Bewegungen, schrubben mit Gefühl, Jungs, mit Gefüüühl!! Nicht das Holz kaputtkratzen!"

Anschließend stand er wieder auf, holte aus seiner Kiste weitere Gerätschaften heraus, längliche Eisenstücke, die vorne flach und breit wie ein Spatel, am anderen Ende rund wie ein Kopf geformt waren, und dazu mehrere Holzhämmer. „Hier, Kalfateisen und -Hammer, für jeden eins", sagte er und verteilte das Werkzeug an die Leichtmatrosen. „Ihr wisst ja bereits, was kalfatern ist, aber ich erkläre es lieber noch einmal: findet ihr Risse oder Kerben, müssen die sofort versiegelt werden, und zwar damit ..." Er zeigte auf die zusammengerollten Taue neben der Kiste. „Nehmt die Taue, tränkt sie mit Teer und dichtet damit die Spalten ab, verstanden?"

„Ja ... jawohl ... ja", riefen die Leichtmatrosen.

Zufrieden stemmte er die Arme in die Seiten. „Sehr schön. – Das war's nun mit meinem Vortrag, und jetzt 'ran, Jungs!!"

Auf der Stelle beugten sich alle vor und schrubbten und kratzten um ihr Leben.

Wie auch Lorena. Beide Hände um den Scheuerstein gelegt, schabte und scheuerte sie, arbeitete sich im Takt mit den anderen immer weiter vorwärts.

Schrr ... schrr.

Ab und an setzte sich einer der Leichtmatrosen auf, schob mit Hilfe des Kalfateisens ein teergetränktes Tau in die Naht zwischen die Planken und klopfte es mit dem Kalfathammer fest. Poch-poch, und die Fuge war abgedichtet.

Aha! So geht also ‚kalfatern'! dachte Lorena, die nebenbei mit den Augen verfolgte, was sich um sie herum tat. Wieder ein neuer Begriff, den sie ihrem Seemannsvokabular hinzufügte. Wenn das so weiterging, würde sie bald eine gänzliche andere Sprache sprechen als die Leute vom Festland, die von den Matrosen abfällig als Landratten bezeichnet wurden.

Für die nächste Zeit gab es vom Oberdeck nur ... schrrr – schrr — klopf — poch, poch – schrr ... zu hören, zwischendurch öfters von einem gebölkten „Weiter, Jungs!", unterbrochen, bis sie endlich fertig waren.

Allerdings nur mit Scheuern. Jetzt kam die Endreinigung, das Wischen. Die Planken mussten noch saubergespült werden.

Der Quartiermeister suchte zwei der Schiffsjungen aus, die nichts anderes zu tun hatten, als Pütz um Pütz – so wurden die Eimer genannt, die eine zusätzliche Leine am Henkel hatten – voll Meerwasser zu schöpfen und auszugießen.

„Aber hübsch vorsichtig, nicht alles auf einmal", ermahnte sie der Quartiermeister. „Sonst rauscht zuviel durch die Decks! Es reicht, wenn die Bilge nach jedem Unwetter vollläuft, beim Deckschrubben dagegen kann man aufpassen."

Das ist gut, sonst darf ich unten gleich pumpen, ergänzte Lorena in Gedanken, während sie die Planken trocken wischte. Für Fenja ist das schön, sie kann herumfliegen, aber schlecht für mich, denn ich schlafe bestimmt über der Pumpe ein und mein Geheimnis fliegt auf ... im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist sowieso ein Wunder, dass der Quartiermeister sie bisher nicht bemerkt hat, vielleicht ist Fenja klug genug, sich ganz still zu verhalten. Immerhin ist ihr Versteck so gut wie unsichtbar, er wird nur prüfen, ob alles in Ordnung ist und dann wieder verschwinden. Niemand hält sich freiwillig länger in der Bilge auf, Gott sei Dank ...

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now